- Verluste -

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Jin nutzt die Zeit, um Vorbereitungen zu treffen. Keiner weiß, wann die Expedition enden wird und wann man wieder mit dem Trupp rechnen kann. Natürlich gibt es einen ungefähren Zeitplan, doch genau darauf festlegen kann sich niemand. Die Braunhaarige schrubbt noch einmal das Untersuchungszimmer, legt alles schon so raus, dass Sie direkt bereit ist und packt sich eine Notfalltasche zurecht. Auch ihrer Oma stattet sie Besuch ab und versucht ihr unter die Arme zu greifen. Jin merkt, wie nervös sie ist, lässt das Thema aber ruhen, ebenso, wie ihre Großmutter es ruhen lässt, während Marcel der Tragweite nicht bewusst zu sein scheint, wie klein Er eben auch noch ist. Die erste Nacht verstreicht. Jin liegt nicht wie üblich in ihrem Bett. Die Truppen können jederzeit zurückkommen, sie muss wachsam sein. „Wie spät ist es?“, haucht sie und sieht zum Himmel. Der Sanitätskraft gehen viele Gedanken durch den Kopf. Was machen ihre Kameraden gerade? Noch viel wichtiger, wer lebt noch und wer hat es nicht mehr geschafft? Ihr Magen krampft sich zusammen. Jeder war wichtig, doch ihre Gedanken hängen an Karl, Erwin, Hanji, Levi ... Ja, Levi. Er könnte gehen, ohne dass die Braunhaarige ihm je gesagt hat, was sie für ihn empfindet. Hanji würde gehen, ohne dass Jin ihr sagen konnte, was sie eigentlich für ein toller verrückter Mensch ist. Erwin ... Auch er könnte fallen und Jin würde noch einmal für sie ihren Vater verlieren. Ihre Vorbildfunktion und den Menschen, zu dem Sie aufsah. Ihren Anker. Karl, auch er könnte fallen. Wieder würde ihre Familie schrumpfen. Der gehen, der sie aufgenommen und ihren Bruder ernährt hat. Er würde Oma alleine lassen, die ohne ihn auf sich alleine gestellt wäre. Was wäre das Haus ohne jemanden wie ihn? Ohne jemanden, der lacht, wenn Er nicht fassen kann, was Er hört und das manchmal so sehr, dass Er nicht mehr aufhören kann. Ohne Karl gute Ansichten, wer bringt Jin zurück auf den Boden und hebt ihren Kopf, wenn sie ihn senkt? Wer klopft ihr auf die Schulter und sagt ihr, wie stolz Er auf sie ist? Doch wer würde die Lücke eines Menschen füllen können, der ein derart großes Herz hat, dass man seinen Weg immer wieder aufsucht? Auf einmal scheint es so surreal, dass die Welt sich überhaupt ohne ihn weiter drehen könnte. Tränen laufen Jin's Wange hinunter. Alleine der Gedanke vermag sie zu zerreißen. Der Schmerz der Leere, als hätte man ihr einen Teil ihres Herzens genommen. „Bitte ... Lebe. Für mich, für Oma und für Marcel", flüstert sie leise in den Himmel hinauf.

Es dauert wie geplant zwei Tage. Am Morgen des zweiten Tages blickt Jin der aufgehenden Sonne entgegen, als sie die Nachricht ereilt, dass der Aufklärungstrupp zurück ist. Sofort packt sie ihre Sachen und rennt hin. Die Menschen jubeln. „Die Mauer Maria ist wieder in unserer Hand!“ Jin hüpft vor Freude in die Luft. „Ja!“, ruft sie aus und lächelt über beide Ohren. „Die Titanen wurden zurückgeschlagen!“, ruft einer der Jubelnden. Die Sanitäterin erblickt Levi und drängt sich durch die Massen. „Er lebt!“, denkt sie und strahlt über beide Ohren. Endlich kommt sie durch und erblickt einen Karren, auf den sie sieht. Sie kann kaum etwas erkennen. „Levi!“, ruft sie und geht zu ihm. „Toll, ihr habt’s geschafft!“, strahlt sie, doch der Angesprochene senkt seinen Kopf zum Karren hinüber, der von einem Pferd gezogen wird. Jin sieht darauf und erkennt nun auch mehr, da sie nicht mehr von neben, sondern hinten darauf blickt. „Scheiße, nein!“, ruft sie geschockt aus, als sie Karl erkennt. Schnell springt die Braunhaarige auf den Karren herauf und kniet neben ihn. Wo soll sie anfangen? Seine Seite ist zerfetzt und es war überhaupt fraglich, wie er so lange durchhalten konnte. Karl hingegen war bereits verwunden worden, doch der Verwand war Blut durchtränkt. „Jin ...“, säuselt er. „Okay, okay! Wir schaffen das!“, versucht sie sich selbst zu beruhigen, was ihr nicht zu gelingen scheint. „Meine Tage sind gezählt", keucht der Verletzte. „Es ist okay, wir haben die Mauer Maria wiedererlangt. Und....“, er hustet Blut. „Ich habe meinen Beitrag geleistet und sterbe als Held.“ Seine Hand wandert an Jin’s Wange, die über ihn gebeugt ist und streicht diese, bis ihn seine Kraft nun gänzlich verlässt. Ein dumpfes Geräusch erklingt, als Karls an wieder auf den hölzernen Karren knallt. „Nein, nein, nein!", keucht Jin, während sie ihre Tränen nicht mehr halten kann. Sie legt ihre Hände auf seine Brust, um Wiederbelebungsmaßnahmen zu ergreifen. „Komm schon!“, schreit sie unter Tränen, während sie die Herzdruckmassage ausübt und ihn zu beatmen versucht. Aus dem Mund des Mannes kommt allmählich Blut. „Hör auf, Jin ...“, erklingt eine Stimme hinter ihr, doch sie nimmt sie nicht wahr. Sie drückt immer fester, als es knackt. Noch immer kann die Sanitätskraft nicht von ihm lassen, als schließlich jemand auf den Karren steigt und ihr eine Hand auf die Schulter legt. „Du brichst seine Rippen, er hat es hinter sich ...“ Es ist Levi, der diese Worte spricht und es bewegt Jin tatsächlich zu realisieren, was sie da gerade tut. Karls Brustkorb ist eingedellt, sein Mund überfüllt von roter Flüssigkeit. Die Braunhaarige fällt nach hinten und lehnt sich an die Wand des Karrens, während sie hochsieht und voll Tränen in den Augen in den Himmel hinauf schreit. Denn Rest des Weges bis zum Quartier bleibt Jin stumm auf dem Karren sitzen und starrt auf den Boden. Sie kann einfach nicht aufhören, zu weinen. „Jin? Wir sind da ...“, erklingt Hanji’s beruhigende Stimme. „Wo ist Erwin?“, stellt die Sanitäterin ihr eine Gegenfrage. Kurz ist es still. „Er ist gefallen ...“ Stille. Hanji lässt Sie schließlich alleine. Langsam steigt die Braunhaarige vom Karren herunter und geht in ihr Zimmer. „Jin, die Verletzten warten!“, ruft ihr jemand hinterher, doch sie nimmt es gar nicht wahr.

Die Tür ihres Zimmers knallt ins Schloss und sie lehnt sich daran. Schweigen. Gedanken über Gedanken, Herzrasen. Trauer wird zu Wut. Die Sanitätskraft springt auf und schmeißt die Sachen von ihrem Nachtisch. Bilder, einen Kerzenhalter. Dann reißt sie die Schubladen auf und entleert sie, in dem sie diese ganz herauszieht und durch den Raum schmeißt. Auch der Rest des Nach Tisches fliegt durchs Zimmer. Tränen laufen ihre Wange herunter. In ihr wütet ein unaufhaltsamer Sturm. Schließlich sinkt sie auf die Knie, als Jin auch den Rest des Raumes verwüstet hat. Ein schmerzerfüllter Schrei durchhalte das Zimmer, mit einem unerträglichen Heulen.

Es vergehen c.a. 40 min., bis Jin in den Sanitätsraum tritt und die ersten Leute behandelt. Nach und nach arbeitet sie die Verletzten ab und versucht, sich so normal wie möglich zu verhalten. Der letzte ist der Hauptgefreite. Mürrisch setzt er sich auf den Stuhl. „Hanji, wenn ich mich nicht irre?“, harkt die Sanitätskraft nach, was der Angesprochene benickt. „Okay“, murmelt die Braunhaarige und bereitet den Tupfer zu Desinfektion vor. Schließlich dreht sie sich zum Hauptgefreiten herum und sieht ihn vielsagend an. Er entledigt sich stumm seines Hemdes und deutet auf seine Schulter und seine Seite. Zwei schramen. Deshalb hatte Hanji ihn sicher nicht geschickt. Die Braunhaarige blickte ihn verwirrt an, doch er erwidert ihren Blick nicht. Jin kniet sich vor den Hauptgefreiten und tupft seine Wunden ab. Eigentlich überlegt sie sich ein Gesprächsbeginn, aber es fällt ihr schwer, etwas zu finden. „Erwin und Karl werden morgen beerdigt", beginnt er das Gespräch. Kurz tritt stille ein, dann murmelt die Sanitäterin ein „Verstehe ...“, vor sich hin. Als sie fertig ist, richtet sie sich auf. „Lass einfach frische Luft dran. Das heilt von selbst.“ Sie wendete sich ab und Levi zieht sich wieder an. „Willst du es wissen?“, harkt er nach. „Jin sieht leicht nach hinten. „Was wissen?“ - „Wie es passiert ist.“ Stille. Dann setzt die Braunhaarige sich neben ihn. „Erzähls mir.“ Der Hauptgefreite erzählt Jin von dem Affentitan, wie sie in die Enge getrieben wurden und wie Erwin, Karl und auch viele andere sich opferten, damit Levi an den Titanen herankam. Wie er den Kommandanten das Serum spritzen wollte, es sich aber anders überlegte, weil er merkte, dass es besser ist, wenn er endlich ruhen kann und Frieden findet. Dass Armin jetzt ein Titan ist und wie sie Karl gefunden haben, der von einem Steinbrocken getroffen wurde. Jin atmet tief aus und wischt sich einige Tränen weg. „Okay", spricht sie. „Okay?“, harkt Levi nach. „Willst du mich denn gar nicht für meine Entscheidung verurteilen?“, fragt er sie. Die Angesprochene schaut ihm monoton entgegen. „Am liebsten würde ich dich beschuldigen. Ich würde dich gerne anschreien und alle Schuld deinen Schultern auflasten, doch ich kann nicht. Es wäre der einfache Weg, den du nicht verdient hast", gibt sie ebenso monoton zurück, wie sie ihn ansieht. Levi scheint überrascht. Als hätte er damit nicht gerechnet. Jin steht auf, tritt ans Fenster und sieht ins Weite hinaus. „Ich war nicht da", gibt sie mit etwas schuld in der Stimme zurück und dreht sich wieder um. Die Braunhaarige schaut Levi nun traurig an. „Wie könnte ich über Jemanden urteilen, in dessen Schuhen ich nie gelaufen bin?“ Sie senkt ihren Blick und schaut zum Boden hinab. Mit zittriger Stimme fährt sie fort: „Es würde Karl und Erwin auch nicht zurückbringen. Sie sind weggegangen und alles, was uns nun bleibt ist, nichts zu bereuen und zu hoffen, dass sie auf uns warten, wenn auch wir einst von dieser Welt scheiden.“ Bei diesem Satz laufen ihr die Tränen über die Wange, die sich erneut in ihr aufgestaut haben. Schnell wischt sie diese weg. Levi stimmt ihr zu. „Du solltest dich ausruhen", gibt er zu bedenken und verlässt das Zimmer.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 13, 2023 ⏰

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Peace in your violence - Frieden in deiner Gewalt (LevixOc)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt