Nervös zog ich den Vorhang des kleinen Fenster zur Seite, um einen Blick aus der Kutsche werfen zu können.
Überall, wo ich hinsehen konnte, war die Landschaft von einer weißen, pulverigen Schicht überzogen. Obwohl ich einen dicken Mantel mit Fellbesatz und darunter ein ebenso dick gefüttertes Kleid trug, ließ mich dieser Anblick innerlich frösteln.
Wahrscheinlich lag es aber auch an der Tatsache, dass ich wusste, was mir in wenigen Minuten bevorstehen würde.
"Wir wurden eingeladen - direkt an seinen Hof. Das ist unsere Chance."
Die euphorische Stimme meiner Mutter hallte mir im Kopf wider und natürlich ihr breites, siegessichere Lächeln materialisierte sich vor meinem inneren Auge.
Wir.
Abschätzig verzog ich meine Lippen.
Wenn es ein Wir geben würde, dann würde ich jetzt nicht alleine eine tagelange Reise antreten, um an seinen Hof zu gelangen, um mit dem König über eine mögliche Allianz zu verhandeln.
Statt mich zu unterstützen, ist meine Mutter mit meinem Vater erstmal in die wärmere Region abgereist und will dort mit ihm gemütliche freie Tage verbringen - während ich mich in eines der kältesten Regionen begab und sicherlich meine komplette Sommerbräune verlieren würde.
"Fera, du weißt, was deine Aufgabe als Zweitgeborene ist."
Auch dieser Satz meiner Mutter drehte endlos in meinen Gedanken seine Schleifen.
Anders als meine drei Jahre ältere Schwester Ferin sollte ich nicht so wie sie heiraten - ich sollte mich zusammen mit meinem Vater um Verhandlungen kümmern. Den Hof stützen und irgendwann, wenn mein Vater nicht mehr an der Macht sein würde, genug Wissen haben, um meine Schwester, die zukünftige Königin, zu beraten.
Bisher hatte ich mich darüber auch nicht beklagt, ganz im Gegenteil.
Ich konnte Einladungen zu irgendwelchen Bällen ausschlagen, munter auf einem Pferd durch die Landschaft reiten, genoss eine umfassende Kampfausbildung und wurde in den Wissenschaften ausführlich und genauestens ausgebildet.
Meine Schwester hingegen wurde schon bis ins Detail vorbereitet Königin und Ehefrau zu werden. Während ich mich nur ab und zu durch Sittsamkeitseinheiten mit Miss Elenor quälen musste, so hatte sie das jeden verdammten Tag auf ihrem Stundenplan. Einladungen zu Bällen mussten stets angenommen werden und so weiter und sofort.
Allerdings hatte meine Freiheit in manchen Sachen auch ihre Nachteile. Laut meines Vates stellte ich mich mittlerweile so gut an, dass er mich ohne Sorgen in ferne Königreiche schickte, um sich dort um neue Verbindungen und möglicherweise auch Allianzen zu kümmern.
Ablehnen durfte ich nicht.
Ich hatte in diesem Bereich zu funktionieren - dafür wurde und werde ich die ganze Zeit ausgebildet.
Deshalb befand ich mich also nun in einem Reich, das wir bisher noch nicht wirklich kannten oder erst recht besucht hatten - jedoch hörten wir seit geraumer Zeit, dass dieses Reich von Tag zu Tag machtvoller wurde. Natürlich bescherrte das meinem Vater nicht nur eine leichte Unruhe, sondern regelrechtes Herzflattern.
Er hat Angst, dass alles, was in unserer gesamten Familiengeschichte aufgebaut wurde, nun vielleicht zerstört werden könnte. Wir waren nicht das größte Königreich, dafür aber eines der stabilsten und reichsten, nicht zu vergessen der Schutz, den wir von den umliegenden Königreichen genießen durften.
Auch das könnte sich mit einem Schlag ändern - und um dies zu verhindern, hoffte mein Vater, Theobald von Faragoth, dass wir uns mit dem neuen König verbünden könnten.

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Fallen Kings
RomanceIhr seid Gast an unserem Hof. Euer Willen zählt hier nicht und Eure Entscheidungskraft ist ausgesetzt. Drei Könige. Ein Königreich. Eine Prinzessin. Nichts scheint mehr voraussehbar. Fera von Faragoth gerät ungewollt in etwas, dass sie niemals erwa...