"Niemand traut Euch hier - und Ihr solltet Euch hüten, auch nur eine Sekunde jemanden von uns zu vertrauen."
Die Worte von Sir Gilian lagen mir so schwer im Magen, als hätte man mir diese Nacht dort einen Felsstein eingenäht.
Demzufolge verspürte ich auch keinen Hunger, obwohl ich mich gestern Nacht ernsthaft auf ein Frühstück gefreut hatte, dass ich nicht in diesen vier Wänden mit mir alleine abhalten musste. Um ehrlich zu sein, war mir auch nicht nach Gesellschaft.
Mein Schädel brummte, weil ich kaum ein Auge zu bekommen hatte und weil ich mir ständig Fragen über Fragen gestellt hatte - die ich mir natürlich nicht selbst beantworten konnte.
Also legte ich meine Motivation dahingehend, dass mir einige meiner Fragen sicherlich beim Frühstück beantwortet werden könnten - wenn nicht, dann würde ich Sir Gilian in einer ruhigen Minute ausquetschen. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass er mich wahrscheinlich zum Frühstück abholen würde.
Mit einer etwas besseren Laune ließ ich es also zu, dass Karina die letzten kleinen Überbleibsel meiner Wunde versorgte, ehe Sierra um mich herumwirbelte und mich leider Gottes in ein Kleid steckte statt in Hosen. Es war schlicht und ehrlich gesagt sehr schön. Die Farbe, ein schönes glänzendes Dunkelblau, gefiel mir sehr gut unf auch, dass der Stoff wunderschön an meinem Körper herunterfiel.
Als Sierra mir dann auch noch die Haare machen wollte, nachdem sie mir in das Kleid hineingeholfen hatte, wehrte ich das betont freundlich und höflich ab.
Prinzessin hin oder her - manche Sachen machte ich lieber gern allein. Ich musste mir nicht den ganzen Tag den Hintern putzen lassen.
Daher verschwand Sierra mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen, nachdem sie mir sagte, dass ich in einer halben Stunde tatsächlich von Sir Gilian abgeholt und zum Speisesaal gebracht werde.
In dieser halben Stunde flocht ich mir meine langen karamellbraunen Haare zu einem dicken Zopf und sprach mir Mut zu.
Schließlich klopfte es an der Tür.
Beherzt ging ich auf sie zu und öffnete sie. Wie erwartet positionierte sich Sir Gilian vor ihr, die gespenstischen Augen scannten mich einmal von oben bis unten skeptisch ab.
"Was?", platzte es aus mir heraus. "Denkt Ihr etwa, ich greife Euch jeden Augenblick an?"
Sein Mundiwnkel zuckte. "Auch einen schönen guten Morgen. Und um auf Eure Frage zurückzukommen - ich bin mir bei Euch mit gar nichts sicher. Wer weiß, was Ihr außer einem Brett noch so zur Waffe machen wollt. Demnach bin ich mir nicht sicher, was Ihr da noch so versteckt habt in Eurem Kämmerlein."
"Wahrscheinlich wird mein Kämmerlein gleich, wenn ich den Speisesaal betreten habe, eh bis in den kleinsten Winkel abgesucht. Dann könnt Ihr euch erst recht sicher sein, dass ich über keinerlei Waffen verfüge."
Leider.
Sir Gilian sah nichr recht überzeugt aus, wandte sich dann jedoch von mir ab und geleitete mir den Weg durch die Gänge der Festung.
Als wir aus dem Flügel heraustreten, in dem ich untergebracht war, schienen die Gemäuer ausnahmsweise mal zum Leben erweckt zu sein. Bedienstete huschten mit gesenkten Köpfen an uns vorbei, allerdings merkte ich dennoch, wie sie hinter meinem Rücken die Köpfe hoben und sich neugierig nach mir umdrehten.
Das Prickeln in meinem Nacken verriet es mir.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich vor einer doppelflügigen Tür Halt machten in einem Bereich der Festung, der mir noch nicht so bekannt erschien.
Wir hatten nicht miteinander geredet und da mir dann doch irgendwie nicht nach einem gezwungenem Gespräch war, versuchte ich mir lieber hinter Sir Gilians Rücken einen weiteren Überblick über meine Umgebung zu verschaffen.
Viel Neues, außer die Bediensteten, fiel mir leider nicht auf und außerdem war Sir Gilian so die Gänge und Treppe entlanggehechtet, dass mir nicht viel Zeit zum Betrachten anderer Dinge übrig geblieben ist.
Wahrscheinlich hatte er mit Absicht sein Lauftempo angezogen.
Ich biss grimmig die Zähne aufeinander.
Verdammt, wieso fiel es mir so schwer hier meine Tarnung aufrecht zu halten? In allen anderen Allianzen hatte ich nie Probleme gehabt, wurde immer als das unschuldige Anhängsel meines Bruders gesehen.
Und hier?
Hier lag ihre Skepsis schon in ihren unnatürlichen Augen fest gegenüber mir verankert.
Die Wächter, die links und rechts vom Speisessaal positioniert standen, machten uns die Türen auf.
Der Geruch nahchgebratenem Speck und Ei schwängerte die Luft. Ein süßer Duft nach herrlichem Hefeteig mischte sich mit unter und tatsächlich begann mein Magen doch zu knurren.
Vor uns lag ein riesiger Saal. Banner mit dem Königslogo hingen wie im Thronsaal von der Decke und ließen den Saal edel wirken. Es gab keine Fenster, dennoch strahlte der Raum in einem warmen Licht. Unzählige Kerze brannten an Wandvorrichtungen und auf den Kronleuchtern, die von der hohen Decke hingen. Mehrere lange Holztafeln standen im Raum, unzählige Stühle standen um sie herum angeordnet. Die Holztafeln waren zu einem großen U formiert. An der Kopfseite des U's war die lange Holztafel gedeckt und auf den Stühlen saßen Leute, die angeregt und schallend lachend miteinander erzählten. Zu meiner Überraschung - das erkannte ich an der Kleidung - handelte es sich hierbei auch um Wächter.
Von Zuhause wusste ich, dass mein Vater niemals mit seinen Wächtern an einem Tisch sitzen würde. Die Wächter sollten für ihn allzeit bereit sein und nicht ewig und lange mit ihm zusammen essen.
Mir gefiel das Konzept hier besser - ich hasste diese Unterschiede zwischen den Gesellschaften und hatte schon oft genug gegen ihn geredet. Er war jedoch wie eine Wand. Kritik hagelte auf ihn nieder und setzte in diesem Fall nichts um.
Das schien hier anders zu sein - die Könige schienen auf eine andere Art von Beziehung Wert zu legen.
Neugierig saugte ich alles weiter in mich ein.
In der Mitte an der Tafel standen drei große verzierte Stühle. Natürlich war es offentsichtlich, wem sie gehörten. Allerdings waren sie nicht komplett besetzt.
Lediglich Junis hatte auf einen der verzierten aufffälligen Stühle Platz genommen, Ovaris und Auris konnte ich nirgendwo erblicken.
Auch ohne diesen aufwendig verzierten Stuhl stach er aus der Menge als Anführer heraus. Er saß zwar nicht aufrecht, doch die Art, wie er sich mit dem Unterarm lässig auf der Tischplatte abstützte und sich unter halb gesenkten Lidern eine Weintraube zu den Lippen führte, sprachen von Selbstsicherheit und gleichzeitiger Überwachung seiner Umgebung.
Er trug wieder seine komplette Kampfmontur. So, als würde er sich jede Minute erheben und sich dann auf zu den Stallungen machen, um in die nächste Schlacht zu ziehen.
Seine hellen platinblonden Haare stachen in einem krassen Kontrast zu seiner dunklen Ausrüstung hervor - ich war mir sicher, dass man diesen Mann in keiner Schlacht der Welt übersehen würde.
Sei es auch nur Arroganz, die ihn am Ende strahlen lässt.
Sein Adamsapfel bewegte sich, als er die Reste seiner Weintraube herunter schluckte - und dann plötzlich innehielt. Einige kurze Haarsträhnen fielen ihm auf die Stirn, als er den Kopf bewegte und seine Augen dann zu mir wanderten.
Sein Blick war stechend und kalt und nahm mich direkt in die Mangel.
Angestrengt konzentrierte ich mich darauf, mir meine aufkommende Nervösität nicht anmerken zu lassen und weiterhin selbstsicher neben Sir Gilian auf die Tafel zuzuschreiten.
Immer mehr Köpfe drehten sich zu mir um und nach und nach verstummten die Gespräche, sodass es in dem großen Saal letztendlich mucksmäusschenstill wurde.
Wie... unangenehm.
Es war so, als würden alle auf etwas warten, während sie mich von oben bis unten teilweise interessiert, teilweise auch argwöhnisch musterten.
Nur... auf was warteten sie?
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Fallen Kings
Storie d'amoreIhr seid Gast an unserem Hof. Euer Willen zählt hier nicht und Eure Entscheidungskraft ist ausgesetzt. Drei Könige. Ein Königreich. Eine Prinzessin. Nichts scheint mehr voraussehbar. Fera von Faragoth gerät ungewollt in etwas, dass sie niemals erwa...