Kapitel 12

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Auch wenn ich mir ein anderes Leben wünschte, es ging ja nicht und ich war mir immer noch sicher, es gab Situationen auf der Welt, die durchaus um einiges schlimmer waren. Jeden Tag fiel mir der junge Mann auf den Feldern auf. Er arbeitete hart und wir schafften noch nicht einmal die Hälfte am Tag von dem was er schaffte. Ich bewunderte ihn immer wieder und auch seine damalige Aktion, den alten Krüppel in den Griff zu kriegen schätzte ich sehr an ihm. Zudem, musste ich gestehen, fand ich ihn verdammt attraktiv! Ich liebte seine Ausstrahlung, welche er trotz dieser Umstände zum Vorschein brachte, sein verschmitztes Lächeln und seine freche Art, welche mir ohne ihn zu kennen auffiel. Ich sprach ihn an, einfach so und fragte nach wie es ihm ginge. Natürlich war das eine ziemlich dumme Frage von mir, aber wie hätte ich ihn sonst in ein Gespräch verwickeln sollen?! Wir redeten länger als ich mir erhofft hatte, bis er mir schließlich zeigte wo seine Hütte stand, damit ich abends noch vorbei schauen konnte. Ich war über sein offenes Verhalten und sein perfektionistisches Deutsch sehr überrascht. Abends schlich ich langsam um seine Hütte. Er hatte mich wohl schon bemerkt, denn schnell öffnete sich die Tür. Er musste ein sehr wohlhabender Mann sein, denn diese Hütte stach von den anderen besonders heraus. Er führte mich hinein, gleich durch in sein abgetrenntes Zimmer. Es war kalt und ziemlich herzlos belebt. „Hier, setz dich ruhig hin. Möchtest du etwas trinken? Einen Tee vielleicht?", fragte er mich. „Gerne, Danke!", gab ich ihm in leichten Worten zur Antwort. Er kam nach fünf Minuten mit zwei Tassen Tee zurück und setzte sich neben mich. Er fragte mich über mein Leben aus und irgendwie hatte ich den Drang dazu ihm alles zu erzählen, als wäre schon eine vertraute Bindung zwischen uns. Also platzte es aus mir raus, ich war kaum noch zu halten, aber er folgte mir und lauschte jedem einzelnen Wort. Er wirkte bedrückt, aber es schien ihn nicht sonderlich zu nerven, dass ich immer weiter erzählte, obwohl ich sah dass es ihm dabei nicht gerade gut ging. Ich wusste nicht warum ich das tat, aber ich hatte im Gefühl, dass er mir wirklich zuhörte und mich verstand. Und das tat er auch, tief in ihm drin rührte es ihn sehr, denn seine Augen füllten sich mit dicken Tränen. Ein Mensch der mitfühlte, der anderen Menschen ein Teil deren Last abnahm. Als ich dann still wurde sagte er diese Worte, die mich bis heute zu berühren: „Ich liebe dich! Auch wenn du nichts mehr hast, hast du immer noch mich, deinen großen Halbbruder Arman Hassan!" Ich hielt den Atem für kurze Zeit an, dass bedeutete also, auf Grund seiner dunklen Hautfarbe musste unsere Mutter noch einen dritten Mann vor unserem Vater gehabt haben, welcher ebenfalls dunkel war! Wie viele Geheimnisse steckten vielleicht noch in dieser Reise hier? Was wird mich morgen erwarten? An diesem Abend dachte ich einige Zeit nach.

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