Richy führte mich aus dem Bahnhof raus direkt zu seinem Auto.
"Bevor wir fahren, muss ich gerade mal schnell einem Freund Bescheid sagen, dass ich gut angekommen bin. Wenn ich das vergesse, macht er sich sonst zu viele Sorgen."
"Ja, kein Ding. Dein fester Freund?", fragte Richy und ließ mich los.
"Nein, nein.", ich fragte mich langsam echt, was alle so an dieser Frage interessierte, während ich nach meinem Handy griff.
Ilka: Hey Matzi, bin gut angekommen. Richy hat mich gerade vom Bahnhof abgeholt.
Matze ist online
Matze: Okay, meine Süße. Deine Dateien sind auch angekommen und schon getestet. Perfekte Arbeit.
Ilka: Das beruhigt mich.
Matze: Ist sonst alles gut?
Ilka: Ja, ich muss jetzt auch los.. Melde mich später.
Matze: Okay..
Matze ist offline
Ich stecke mein Handy wieder in die Tasche. Hoffentlich hat Matze die Nachricht auch verstanden.
"Rauchst du eigentlich?", und hielt mir seine Schachtel hin.
"Ja, danke. Ich wusste gar nicht, dass du rauchst. Dann erfüllst du ja jedes Klischee damit.", meinte ich grinsend zu ihm und nahm mir eine Zigarette und zündete sie an.
"Wie meinst du das denn?"
"Naja, dass Mechaniker alle rauchen würden.", mittlerweile musste ich mir schon fast das Lachen verkneifen.
"Ohja, in der Hinsicht erfülle ich da wirklich einige Klischees, Ilka."
Wir mussten jetzt beide darüber lachen.
"Nagut, dann wollen wir mal los. Sonst wird es später verdammt knapp werden."
Wir fuhren los und unterhielten uns die ganze Fahrt über. Mit Richy kam ich wirklich sehr gut zurecht. Das Gespräch war absolut nicht gezwungen und sehr angenehm. Er erzählt von seiner Firma und dass es zur Zeit nicht so gut läuft. Das tat mir ein wenig leid, denn verstehen konnte ich es absolut nicht. Nach 10 Minuten waren wir auch schon bei ihm angekommen. Er hatte ein eigenes kleines Haus mit einem kleinen Vorgarten. Dahinter war wohl noch ein kleiner Garten, der direkt an den Wald angrenzte.
"Und was sagst du?", fragte er mich schüchtern.
"Wow, sehr schön. Ich wusste gar nicht, dass du ein eigenes Haus besitzt, Richy."
"Jaa, das habe ich von meiner Oma geerbt. Sie hat hier vorher drin gelebt und als sie vor zwei Jahren verstorben ist, habe ich es übernommen. Seitdem mache ich nach und nach alle Zimmer neu. Fertig ist das Haus noch lange nicht. Dafür verbringe ich einfach zu viel Zeit auf dem Autofriedhof."
Wir gingen hinein und er zeigte mir grob, wo alles war. Alle fertigen Zimmer waren sehr modern und gemütlich eingerichtet. Ich war echt überwältigt, das habe ich Richy gar nicht zugetraut. Aber was hatte ich mir überhaupt vorgestellt? Wohl eher, das er in einer kleinen Wohnung lebt und nur minimal eingerichtet ist. Typisch Junggeselle eben.
"Es ist wirklich sehr schön hier. Danke, dass du mich die Nacht aufnimmst."
"Keine Ursache. Freut mich, dass es dir gefällt. Willst du dich vielleicht ein wenig frisch machen? Wir müssten dann auch bald los."
"Ja klar, gib mir 15 Minuten und wir können los.", sagte ich grinsend. Ich nahm mir ein paar Klamotten aus meinem Koffer und ging in das große Bad.
Es war wirklich schön hier. Im Badezimmer gab es eine Dusche und eine Wanne. Ich entschied mich für eine schnelle Dusche, nach der langen Fahrt.
Als ich damit fertig war, zog ich mich schnell an und widmete mich meinen Haaren. Sie gingen mir ein wenig über die Schultern und waren leicht gewellt. Ich schaute mich im Bad um und fand auch nach was ich gesucht hatte. Einen Föhn. Ich föhnte mir schnell die Haare und entschied, sie für heute offen zu lassen. Make Up brauchte ich nicht. Es war nicht so, dass ich eine Naturschönheit war. Nein, dass fand ich selbst absolut nicht. Ich hatte schlichtweg nur absolut keine Ahnung davon. Für wen sollte ich mich auch schminken? Die meiste Zeit verbrachte ich eh bei mir zu Hause am Computer.
Noch ein letzter Blick in den Spiegel und ich war mit meinem Aussehen zufrieden. Ich hatte mich für ein Knielanges bordeauxrotes Kleid entschieden.
Bevor ich das Bad verlassen konnte, gab mein Handy ein Signalton. Eine Nachricht von Jake.
Jake: Bist du angekommen?
Ich dachte er wäre sauer auf mich.
Ilka: Ja, bin ich. Richy hat mich vom Bahnhof abgeholt und wir sind jetzt bei ihm.
Jake: Was habt ihr noch vor?
Ich verdrehte die Augen. Wollte er mich kontrollieren? Er wusste doch sonst immer alles.
Ilka: Richy führt mich gleich zum Essen aus und danach treffen wir uns mit den anderen in der Aurora.
Ich formulierte es extra so, als ob mich Richy mit dem Essen gehen auf ein Date eingeladen hätte. Ich selbst empfinde es in keinster Weise so.
Jake ist offline.
War das jetzt wirklich sein Ernst?
Ilka: Jake??? Ernsthaft?
Doch er blieb wirklich offline. Ich atmete einmal tief durch und verließ jetzt wirklich das Badezimmer und schaute wo Richy war.
Ich fand ihn in seinem Wohnzimmer. Er hatte sich auch nochmal umgezogen und hatte jetzt eine schwarze Jeanshose und ein weißes Hemd an. Er sah wirklich gut darin aus.
"Hey, ich bin fertig. Wir können los."
Richy drehte sich zu mir um und starrte mich erst einmal an. Er öffnete seinen Mund, aber sagte nichts. Mir war das irgendwie unangenehm und ich schaute auf den Boden.
Schritte näherten sich und mein Kinn wurde nach oben gedrückt. Richy stand jetzt genau vor mir und schaute mir tief in die Augen. Ich wurde rot wie eine Tomate und versuchte irgendwie aus dieser absurden Situation rauszukommen.
"Richy... nein." Er hielt immer noch mein Kinn fest und schaute mir in die Augen.
"Nein.", wiederholte ich noch einmal laut.
Rückzug war das einzige was mir blieb, also setzte ich einen Fuß nach hinten und sofort ließ mich Richy los.
"Entschuldige, Ilka. Ich weiß nicht was gerade mit mir los war. Das wollte ich nicht. Du siehst nur so gut aus und ich weiß auch nicht, was da gerade in mich gefahren ist.", stotterte Richy und hob die Hände dabei hoch.
Ich glaubte ihm, irgendwie. Ich wollte nicht, dass es jetzt komisch zwischen uns wird. Deswegen entschied ich mich dazu so normal wie möglich zu antworten.
"Schon gut, ist ja nichts passiert. Wollen wir dann los? Wohin eigentlich?"
"Sorry, wirklich. Das ist sonst gar nicht meine Art."
"Richy, alles gut. Schon vergessen. Also, wo geht's jetzt hin?", fragte ich noch einmal.
"Ich hab einen Tisch im Black Swan reserviert. Hast du davon schon was gehört?"
"Oh, ja, Jessy hat mir davon erzählt. Das ist doch dieser Nobel Schuppen, oder etwa nicht?", fragte ich grinsend.
Richy wurde rot und nickte.
"Na, dann los."
Ich schnappte mir meine Lederjacke und meine Handtasche, steckte mein Handy noch hinein und zog mir meine schwarzen Boots an.
In Richy kam jetzt auch endlich wieder Bewegung und er zog sich auch schnell seine Schuhe an und schnappte sich eine Jacke, die er sich aber nicht anzog.
Wir gingen den Weg zu Fuß. Richy erklärte mir, dass hier in der Regel alles gut zu Fuß erreichbar wäre und wir nur 10 Minuten ins Black Swan benötigen.
Seit wir sein Haus verlassen haben, fühlte ich mich wieder beobachtet. Ich kramte mein Handy heraus und schaute ob Matze mir geschrieben hatte. Leider nicht. Hatte er meine versteckte Botschaft nicht verstanden? Sollte ich lieber Jake schreiben?
"Was überlegst du?"
Ich erschreckte mich über die plötzliche Frage.
"Ähm, nichts. Alles gut. Bin nur ein wenig aufgeregt, dass ich später alle kennenlernen werde. Das ist alles noch so unwirklich, dass ich jetzt wirklich hier bin.", redete ich mich raus.
"Du wirst sie mögen und anders herum auch. Ilka, du bist eine von uns.", sagte er grinsend. Ich lächelte zurück.
Mein Handy immer noch in der Hand, entschied ich mich trotzdem dazu Jake noch eine Nachricht zu schreiben. Obwohl er ja eh schon am abdrehen war. Schlimmer konnte es aber kaum werden.
Ilka: Jake, wir laufen gerade zum Black Swan. Ich fühle mich beobachtet. Vorhin am Bahnhof auch schon.
Jake ist online
Jake: Richy ist doch bei dir. Da kann dir doch gar nichts passieren.
War das jetzt sarkastisch gemeint?
Ilka: Dann halt nicht.
Jake: Entschuldige, ich werde schauen ob ich was verdächtiges finden kann.
Ilka: Danke, Jake.
Jake: Ist sonst alles okay bei dir?
Ilka: Ich melde mich gleich wieder. Sind gerade im Black Swan angekommen.
Das Restaurant sah schon von außen sehr edel aus. Ich kam mir sofort fehl am Platz vor. So ein Laden passte nicht zu mir.
Richy führte mich durch die Tür und sprach mit einer Kellnerin, die uns zu unserem Tisch führte. Es war ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen und einer Kerze in der Mitte. Richy schaute mich verlegen an, als wir uns setzten.
"Entschuldige, ich muss nur noch kurz auf die Toilette. ", nuschelte ich, stand auf und zog mein Handy erneut heraus.
Ilka: Ja, alles okay.
Jake: Irgendwie glaube ich dir das nicht.
Ilka: Raste jetzt nicht aus.
Jake: Ilka???
Ilka: Richy, er.. Ich weiß auch nicht. Er kam mir vorhin ein wenig zu nah. Ich habe aber alles schon geklärt. Bleib bitte ruhig, Jake.
Warum erzählte ich ihm das überhaupt? Er reagierte ja eh schon die ganze Zeit total über.
Ilka: Jake?
Jake: Hat er dich angefasst?
Ilka: Ja... Nein... ich hätte dir das nicht erzählen dürfen.
Jake: Du wirst nicht bei ihm übernachten.
Ilka: Doch, Jake. Wir haben das geklärt. Es ist alles in Ordnung. Ausserdem sind meine ganzen Sachen noch bei ihm. Es tut ihm auch echt leid.
Jake ist offline
Oh man, das er einfach offline geht, wird ja langsam zur Gewohnheit.
Ich ging wieder zurück zu unserem Tisch. Langsam war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob das hier wirklich kein Date war.

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Duskwood - Schatten der Vergangenheit
Mystery / ThrillerIn Duskwood ist eine Frau verschwunden. Was hatte dies aber alles mit Ilka zu tun? Oder war die verschwundene Frau nur Mittel zum Zweck? War der Entführer hinter etwas ganz anderem her? ⚠️ TW GEWALT ⚠️ In späteren Kapiteln kommt Gewalt vor. Diese s...