Duskwood - Schatten der Vergangenheit

XXI. Wartebereich.

POV Jake

Mittlerweile war schon eine Stunde vergangen. Ilka war jetzt im OP, dass hatte uns eine Schwester mitgeteilt. Mehr wussten wir nicht.

Wir saßen in einem kleinen Wartebereich, der extra für den OP-Bereich war. Phil telefonierte schon seit einer halben Stunde mit Jessica. Das Gespräch hatte ich für den nächsten Tag auch noch vor mir.

„Jake?", ich schreckte hoch.

„Mhh?"

„Du solltest Matze informieren.", sagte Richy zu mir.

Scheiße, dass hatte ich total vergessen. Er hatte Recht, dass wusste ich. Ich hatte mein Versprechen Matze gegenüber gebrochen. Er hat sie erwischt und ich kam zu spät.

„Ich weiß."

„Mach es jetzt. Morgen sitzt er im Flieger und ist nicht erreichbar. Er sollte es wissen.", ich nickte und holte mein Handy raus.

Jake: Matze, bist du da?

Matze kam sofort online.

Matze: Ja, was ist los? Ich kann Ilka nicht erreichen. Weißt du wo sie ist?

Jake: Darüber müssen wir sprechen.

Matze: WAS IST PASSIERT????

Jake: Sie ist im Krankenhaus und wird gerade operiert. Es tut mir Leid. Ich konnte mein Versprechen nicht halten.

Matze: Was ist passiert? Alles.

Jake: Wir haben vom Mann ohne Gesicht eine Nummer zugeschickt bekommen. Es stellte sich als Büchereinummer heraus. Ilka wollte mit Jessica das Buch holen. Phil sollte mitkommen, damit die beiden nicht alleine sind. Jessica hat Phil aber nicht Bescheid gesagt und ist dann auch noch ohne Ilka in die Bücherei rein gegangen.

Matze: Weiter.

Jake: Ilka hat mir geschrieben, dass sie nicht mit rein ist und Phil nicht da wäre. Ich habe sofort ihr Mikro und GPS angemacht und hab mich sofort auf den Weg gemacht. Der Mann ohne Gesicht war aber schon vor Ort und hat sie verfolgt.

Matze: Was hat er gemacht?

Jake: Er hat brutal auf sie eingeschlagen und getreten. Ich habe allen Bescheid gegeben. Wir waren alle zu spät da.

Matze: Sie ist im OP?

Jake: Ja, wir wissen noch nichts genaueres.

Matze: Ich komme um 19:30 Uhr in Duskwood an. Mich soll jemand um 20 Uhr an der Ferienwohnung abholen. Ausserdem informierst du mich über jede Kleinigkeit.

Jake: Natürlich.

Matze: Du hast dein Versprechen gebrochen.

Jake: Das ist mir bewusst.

Matze: Bist du selbst im Krankenhaus?

Jake: Ja.

Matze: Ist noch wer da?

Jake: Richy und Phil.

Matze: Du hast deine Deckung aufgegeben?

Jake: Ja.

Matze: Bleibst du dort?

Jake: Natürlich.

Matze: Bleibst du auch dort, wenn sie kommen?

Jake: Ich werde das Krankenhaus nur verlassen, wenn sie mich hier mit 10 Mann raus tragen oder Ilka mich darum bittet zu gehen.

Matze ist offline.

Am liebsten hätte ich jetzt irgendwas kaputt gehauen.

Ich schaute zu Richy rüber, der einfach nur vor sich hin starrte.

„Hey, hol dir mal was zu trinken, Richy.", er hob den Kopf und schüttelte ihn.

„Ich hätte auf sie aufpassen müssen. Wir hätten damit rechnen müssen. Er hat uns gewarnt. Wäre ich einfach selbst mitgegangen. Das verdammte Auto hätte noch warten können."

Ich seufzte tief.

„Mach dir keine Vorwürfe."

„Wie hat Matze reagiert?"

„Viel zu ruhig. Er möchte um 20 Uhr morgen Abend an seiner Ferienwohnung abgeholt werden und hier her gebracht werden.", informierte ich ihn.

„Das kann ich machen.", er fuhr sich durch die Haare.

„Richy? Was läuft da zwischen dir und Ilka? Ich verstehe es einfach nicht. Ihr wirkt wie ein Paar für mich.", ich musste es jetzt einfach von ihm wissen.

„Nichts läuft da zwischen uns, Jake. Absolut gar nichts. Ich kann das verstehen, auch die anderen glauben, dass da was zwischen uns läuft. Das stimmt aber definitiv nicht.", er zerzauste sich weiter die Haare.

„Ich war die letzten Tage für sie da. Ihr ging es absolut nicht gut, seit sie die erste Nachricht bekommen hat. Sie macht sich nicht nur Sorgen um sich selbst, sondern vor allem um die anderen. Jede Nacht hat sie Alpträume und schreckt immer wieder auf."

Ich stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Also stimmt es, dass ihr in einem Bett schlaft?"

„Sie hat es dir nicht erzählt, oder?", fragte mich Richy stattdessen.

„Was meinst du?"

„Sie hat dir also nicht erzählt, dass ich schwul bin?", ich starrte ihn mit großen Augen an.

„Ich bin absolut keine Gefahr für dich, Jake.", er grinste mich schief an. "Das wäre ich aber auch nicht, wenn ich nicht schwul wäre."

"Was meinst du damit?"

Auch Phil drehte sich zu uns. Mittlerweile hatte er das Gespräch mit Jessica beendet.

"Bist du wirklich so blind, Jake?", ich sah Phil verständnislos an.

„Jake, was empfindest du für Ilka?", fragte er stattdessen.

Ich war überrascht. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Auch nicht, wie mich jetzt beide ansahen.

„Sie ist alles für mich. Für sie habe ich heute ohne zu zögern meine Deckung aufgegeben und würde das auch immer wieder machen. Ich war jahrelang auf der Flucht, habe ein Leben im Untergrund geführt und es war immer in Ordnung für mich gewesen.", ich stoppte kurz.

„Ich liebe sie. So sehr, wie ich noch nie jemanden geliebt habe. Ilka bringt mich zum lachen, zum verzweifeln und auch zum weinen. All diese Gefühle hatte ich hinter einer dicken Mauer versteckt. Auf der Flucht brauchte ich einen klaren Verstand, Gefühle haben dabei nichts zu suchen. Dann kam sie. Diese Nummer von Hannah. Ich habe mit ihr geschrieben und die Mauer zerbrach mit jedem Gespräch immer mehr.", ich setzte mich wieder hin und sah zu den beiden.

„Sie heute so zu sehen.. oh mein Gott. Es zerreißt mich. Ich habe alles mit angehört. Sie hat mir kurz vorher gesagt, dass sie alleine ist und ich habe an ihrem Handy das Mikrofon angestellt. Ihre Verzweiflung, ihr weinen, ihren Schmerz. Alles. Ich konnte ihr nicht rechtzeitig helfen."

Richy setzte sich zu mir auf einen Stuhl und legte mir eine Hand auf den Arm.

„Jake, hey, das wird jetzt sicherlich nicht einfach werden. Aber sie braucht uns jetzt. Sie braucht dich. Verstehst du das? Wir müssen jetzt für sie da sein. Vor allem du solltest jetzt für sie da sein. Bitte."

„Aber.."

„Kein aber. Du liebst sie doch. Verstehst du es denn immer noch nicht? Wie kann man nur so schlau sein und doch das offensichtlichste übersehen?", er ließ meinen Arm los und musste leicht schmunzeln.

„Ich versteh nicht was du meinst."

„Finde es heraus. Und jetzt kannst du auch endlich aufhören uns so böse Blicke zuzuwerfen. Weder Phil noch ich sind auf romantischer Ebene an Ilka interessiert.", er verdrehte die Augen.

„Aber..", erneut unterbrach er mich.

„Nein. Einfach nur nein.", sagte Richy und Phil lachte.

„Wie vorhin schon erwähnt, Ilka und ich sind einfach nur befreundet. Nichts weiter. Keine romantischen Gefühle.", er grinste und deutete auf Richy.

„Und der da hat in seinem Leben noch nie Interesse an einer Frau gehabt. Aber, dass muss ich zugeben, auch ich habe kurzzeitig daran gezweifelt, obwohl ich von Richys Sexualität Bescheid weiß."

Richy hob grinsend die Hände hoch. In diesem Moment kam die Krankenschwester von vorhin aus dem OP-Bereich auf uns zu. Sofort verschwand bei jedem die fröhliche Stimmung, als wir ihren Gesichtsausdruck sahen.