Das Essen mit Richy verlief ganz gewöhnlich. Wir unterhielten uns viel und er erzählte mir ein paar Geschichten aus der Gruppe. Er selbst war erst seit zwei Jahren in der Freundesgruppe. Erst als er Jessy eingestellt hatte, brachte sie ihn in die Gruppe. Vorher war er eher ein Einzelgänger gewesen.
„Wie lange kennen sich denn die anderen schon?", fragte ich ihn.
„Oh, schwer zu sagen. Zuerst waren Hannah und Cleo befreundet. Schon als kleine Kinder. Die kennen sich bestimmt schon um die zwanzig Jahre. Lilly war meistens dabei, wenn sie sich getroffen haben und kam dadurch halt dazu. Hannah und Thomas haben sich glaube mit 14 oder 15 angefreundet. Das war durch die Schule. Irgendwann sind sie dann ein Paar geworden. Frag mich aber bitte nicht wann. Das hat mich nie wirklich Interessiert.", sagte er grinsend und fuhr fort.
„Dan war mit Thomas befreundet und kam so zu der Gruppe. Damals waren Jessy und Dan ein Paar gewesen. Als sie sich getrennt hatten, ist Jessy aber trotzdem in der Gruppe geblieben. Ja, also genau, so haben die sich alle kennengelernt. Wie gesagt, ich bin erst vor zwei Jahren dazu gekommen."
„Wow, Jessy und Dan waren mal ein Paar?", ich schaute ihn mit großen Augen an.
„Jaaa, kaum zu glauben. Ich verrate dir aber mal ein Geheimnis. Dan mag Jessy immer noch ziemlich und ganz ehrlich? Jessy hat auch noch Gefühle für ihn. Das hast du aber nicht von mir.", er zwinkerte mir zu.
„Naja, vielleicht kann man den beiden ja einen Schubs in die richtige Richtung geben. Aber ehrlich gesagt.. ich dachte, dass du auch was für sie empfindest.", irgendwie war mir das unangenehm, dass Thema in diese Richtung zu lenken.
„Ich? Was? Nein, nein.", er musste lachen.
„Ehrlich, Ilka. Ich weiß auch immer noch nicht was vorhin mit mir los war. Darf ich dir was anvertrauen?"
„Natürlich.", mich verwirrte sein Verhalten.
„Ich bin schwul, Ilka.", er musste schmunzeln. Mir blieb der Mund offen stehen. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.
„Und das vorhin.. ich weiß auch nicht, wie ich das erklären soll. Du standest da, so wunderschön und doch so unsicher. Ich wollte dir nur nah sein und dir zeigen wie schön du doch bist. Im Nachhinein weiß ich, dass das völlig dumm von mir war und wie das für dich ausgesehen haben muss.", er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
„Damit hatte ich jetzt gar nicht gerechnet. Ich dachte wirklich, das du mich vorhin küssen wolltest.", ich schaute ihn verwirrt an.
„Mir ist das mittlerweile auch klar, wie das für dich rübergekommen ist. Das tut mir auch wirklich Leid."
„Entschuldigung angenommen.", ich grinste ihn an. „Aber warte mal, wissen die anderen davon?"
„Mhh, nein, ich hab es noch niemanden von ihnen erzählt. Irgendwie ist das nie zur Sprache gekommen und irgendwann war der Zeitpunkt vorbei. In den zwei Jahren, in denen ich in ihrer Gruppe bin, hatte ich auch keinen Freund."
Ich nickte verstehend.
Wir aßen und unterhielten uns die ganze Zeit. Die komische Stimmung von vorhin war nun völlig verschwunden. Darüber war ich auch echt froh.
Als es um das Bezahlen ging, winkte Richy mich ab, als ich zu meinem Portmonee greifen wollte. Ich schenkte ihm ein lächeln und bedankte mich bei ihm.
Bevor wir aufstanden, griff ich nochmal zu meinem Handy und schaute ob ich neue Nachrichten bekommen hatte. Ja, von Matze.
Matze: Sorry, mein Schatz. Konnte dir nicht eher schreiben. Grünes Licht. Alles unauffällig.
Ilka: Danke.
Ilka: Ahja, Matzi? Wenn du noch Hilfe brauchst, schick es mir aber bitte rüber. Du musst das nicht alles alleine machen.
Er kam nicht online. Ich steckte also mein Handy wieder zurück und stand auf. Gemeinsam mit Richy verließ ich das Restaurant. Draussen angekommen, merkte ich das es ziemlich frisch geworden war und schloss meine Jacke. Das Gefühl beobachtet zu werden blieb weiterhin.
Die Aurora war ein paar Minuten von hier entfernt. Wir beide zündeten uns eine Zigarette an und gingen schweigend los. Die Aufregung stieg. Eine Person zu treffen war ja noch okay, aber gleich eine ganze Gruppe? Das war absolut nichts für mich. Trotzdem wollte ich sie alle kennenlernen.
Plötzlich standen wir vor der Aurora. Ich hatte sie mir genau so vorgestellt. Es war von aussen einfach eine typische Bar.
Richy hielt mir schon die Tür auf und wir gingen hinein. Ich war überrascht. Die Aurora war größer und gemütlicher, wie erwartet. Rechts war eine lange Theke mit Barhockern davor und die gesamte linke Seite war mit Tischen und gemütlichen Ledersofas ausgestattet. Vor Kopf war eine kleine Bühne und davor eine Tanzfläche. Dort würde man mich aber niemals finden werden. Ich musste grinsen, als ich mir das vorstellte.
Die Bar war um diese Uhrzeit überraschend voll und Richy führte mich zu einer der hinteren Sitzecken, an denen schon Leute saßen. Es waren schon alle dort.
„Ehm, hi?", sagte ich, als wir bei ihnen angekommen waren. Alle drehten sich zu uns und starrten mich an.
Jessy löste sich als erste aus ihrer Starre, sprang auf und umarmte mich stürmisch.
„Ilka!!!! Du bist ja wirklich da. Ich fasse es nicht!!!", sie lies mich los und auch die anderen standen auf um mich zu begrüßen.
Es war wirklich sehr schön, alle mal kennen zu lernen. Wir unterhielten uns eine Weile, bis ich aufstand.
„Hey, ich geh mal kurz raus eine Rauchen. Komme gleich wieder.", sagte ich zu den anderen und als ich sah, das sich auch Richy erheben wollte, wand ich mich an ihn. „Sorry, könnte ich kurz alleine rausgehen? Ich muss mal kurz durchschnauben. Alles ein wenig viel heute."
Er nickte mir zu und ich schlängelte mich durch die Bar in Richtung Ausgang.
Draussen angekommen, atmete ich einmal tief durch und setzte mich seitlich auf eine Mauer und zündete mir eine Zigarette an. Im Augenwinkel sah ich eine Person in einem Hauseingang stehen, fast verschlungen von der Dunkelheit. Fast. Und da machte es bei mir Klick. Ich musste etwas testen und holte mein Handy heraus.
Ilka: Wir müssen reden.
Mein Plan ging auf. Die Person holte sein Handy hervor. Ich tippte wieder.
Ilka: Persönlich wäre mir lieber.
Ich schaute nun in seine Richtung. Er verstand anscheinend und ging auf mich zu. Seine Kapuze tief in sein Gesicht gezogen. Er war groß und anscheinend auch sehr sportlich. Mehr konnte man in der Dunkelheit nicht erkennen.
Er lehnte sich hinter mich an die Mauer, auf der ich saß. Mit dem Rücken zu mir, was ich absolut akzeptierte. Sein Aussehen war ein Geheimnis und das respektierte ich total.
„Hey Jake."
„Hey Ilka."
Ich fiel fast Rückwärts von der Mauer. Seine Stimme.. tief und doch ganz weich. Ich bekam sofort eine Gänsehaut am ganzen Körper und Blitze durchzuckten meinen Körper. Alleine wie er meinen Namen aussprach machte mich fertig. Ich versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen.
„Du hast mich also den ganzen Tag verfolgt. Das hatte ich mir also doch nicht eingebildet."
„Tut mir Leid. Ich versuche nur dich zu beschützen."
Ich atmete den Rauch aus und hörte wie er sich nun auch eine anzündete.
„Ist dir bisher gelungen.", sagte ich lächelnd.
„Nicht ganz. Was hat der Mechaniker gemacht?", seine Stimme war jetzt eher knurrend.
Ich seufzte und machte die Zigarette aus.
„Jake, bitte, nicht jetzt. Ich habe es mit Richy geklärt, das war ein riesiges Missverständnis. Soll unser erstes richtiges Gespräch so ablaufen?"
„Nein, entschuldige, das sollte es absolut nicht.", er seufzte tief und nahm noch einen Zug.
„Du verstehst dich gut mit der Gruppe. Hast du denn einen schönen Abend?", redete er weiter.
Es überraschte mich. Von seiner vorherigen Position konnte er das nicht mitbekommen haben. Ich schloss die Augen. Er hatte anscheinend zugehört.
„Seit wann ist mein Mikrofon schon an? Ah nein, ich will es gar nicht wissen. Ist okay. Vorerst. Mach es nur später bitte aus. Ich will nicht beim schlafen abgehört werden.", ich seufzte tief und musste aber dann doch grinsen. Es war so typisch Jake.
„Es tut mir Leid?"
„Schon okay, wenn Matze noch auf mein Handy zugreifen könnte, hätte er es wahrscheinlich genauso getan. Aber um zu deiner Frage zurück zu kommen. Jaaaa, ah, keine Ahnung. Es ist seltsam. Ich kenne sie überhaupt nicht und doch ist es so vertraut mit ihnen."
„Das freut mich.", er lächelte anscheinend dabei.
„Du fehlst.", sagte ich dann und ich meinte es auch so. Ich hätte ihn gerne dabei.
„Das geht nicht. Du weißt das, Ilka."
„Jaaaa, ich weiß. Leider. Ich muss dann auch wieder rein. Die anderen wundern sich bestimmt schon. Danke, Jake. Danke, dass du zu mir gekommen bist und nicht abgehauen bist. Ich schreibe dir später nochmal.", ich war verunsichert, ob Jake jetzt einfach abhauen würde. Stattdessen griff er aber nach meiner Hand, die neben mir auf der Mauer lag, hob sie an und drückte mir einen Kuss auf diese. "Du siehst heute Abend wunderschön aus." Und verschwand in die Dunkelheit. Da ich immer noch in die andere Richtung schaute, öffnete ich verwundert den Mund. Danach brach das reinste Chaos in mir aus. Tausende Schmetterlinge hatten sich in meinem Bauch versammelt.
Diese kleine Geste von Jake und der anschließende Satz hatten mich komplett umgehauen. Irgendwie hatte es dieser Tag komplett in sich. Ich atmete noch einmal tief ein und aus und ging wieder in die Bar. Als Entschuldigung, das ich so lange verschwunden war, ging ich an die Bar und wollte neues Bier bestellen. Während des wartens sah ich mich noch einmal um.
„Hallo hübsche Frau, was kann ich dir denn für ein Getränk machen?", wurde ich von der Theke aus gefragt.
Ich drehte mich zu der Stimme um und erstarrte. Längere dunkle Haare, ein Tattoo am Hals und an den Armen, groß und schlank.. „Phil...", flüsterte ich schon fast. Ich hatte ihn vorher noch nicht gesehen gehabt und war mir gar nicht sicher gewesen, ob er heute überhaupt da war.
Er starrte mich genauso an und war anscheinend sprachlos. Er räusperte sich, machte seinen Mund auf und schloss ihn wieder, als doch keine Worte seinen Mund verließen.
„Oh wow, ich glaube mich hat noch nie jemand sprachlos gemacht. Oha, scheiße, bist du es wirklich, Ilka? Was zur Hölle? Warte kurz.", er ging um die Theke herum und hielt vor mir an.
„Ilka..", brachte er heraus und schaute mich nochmal von oben bis unten an. Er kam mit großen Schritten auf mich zu und schloss mich in seine Arme.
„Hey Phil, wie geht's?", ich musste grinsen, als er mich los lies.
„Du bist es wirklich. Ich fasse es nicht. Wow, wow, wow. Wegen dir bin ich so schnell aus dem Knast wieder raus gekommen. Ilka! Wooow."
„Ich war das nicht, Phil. Du musst dich da eher bei Jake bedanken.", sagte ich zwinkernd.
„Jaja, ohne dich hätte er dem Gericht aber nicht den Tipp mit den Überwachungskameras gegeben, wo man gesehen hat, das ich bei der Tat nicht mal in der Stadt war. Die hätten mich sonst noch da drin vergammeln lassen.", sagte er und ging wieder hinter die Theke.
Da bekam ich eine neue Nachricht und schaute kurz auf mein Handy.
Jake: Hätte ich ihn mal da drin vergammeln lassen.
Ilka: Jake, bitte.Diese Eifersucht war schon echt hartnäckig. Trotzdem musste ich schmunzeln.
„Was darf ich denn jetzt der hübschesten Frau in Duskwood anbieten?", fragte mich Phil und riss mich aus meinen Gedanken.
„Ähm, ehh, ich wollte eigentlich eine Runde Bier für unseren Tisch holen und einen Whiskey für Dan natürlich."
„Bringe ich dich in Verlegenheit? Du bist verdammt süß, wenn du rot wirst, Ilka.", er zwinkerte mir zu und ich brachte kein Wort mehr raus.
„Ich bringe es euch gleich an den Tisch und setze mich dann kurz zu euch. Das geht auf's Haus."
„Danke.", nuschelte ich, drehte mich um und ging wieder in die Richtung der anderen. Dabei schaute ich aber nochmal auf mein Handy, welches ich immer noch geöffnet hatte.
Jake: Wenn er so weiter macht...
Ilka: Was dann? Du brauchst nicht eifersüchtig sein.
Jake: Doch, Ilka. Doch, ich bin es. Schon den ganzen verdammten Tag. Alle können in deiner Nähe sein, dich umarmen und sich mit dir unterhalten und auch flirten. Und ich? Schleiche dir den halben Tag hinterher und darf mir von weitem anschauen wie dich jeder Kerl anschmachtet und bin verdammt hilflos dabei. Weißt du wie sich das anfühlt? Verdammt beschissen. Und dann habe ich endlich die Gelegenheit mit dir zu sprechen und muss mich dabei trotzdem verstecken.
Ilka: Jake...
Ich ging kurz zu unserem Tisch, damit sich die anderen keine Sorgen machten und ging nun Richtung Toiletten. Ich versicherte mich, dass niemand sonst anwesend war und sprach dann in mein Handy.
„Jake.. bitte. Weißt du, was das schönste an dem heutigen Tag war? Du. Mit dir zu sprechen. Deine Stimme zu hören. Einfach in deiner Nähe zu sein. Wow, das war wirklich unglaublich und damit hatte ich heute wirklich nicht gerechnet. Ich interessiere mich nicht für Richy oder für Phil. Klar, sie bringen mich aus dem Konzept und auch in Verlegenheit, aber hey, Jake, ich hänge sonst den halben Tag hinter einem Computer, habe kaum Kontakt zur Aussenwelt und bin so viel Aufmerksam überhaupt nicht gewohnt. Bitte, Jake. Solltest du das nicht eigentlich am besten verstehen? Vertrau mir einfach ein wenig mehr. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwer es mir viel, mich nicht einfach zu dir umzudrehen, dir die Kapuze vom Kopf zu ziehen und verdammt, wie gerne hätte ich eine Umarmung von dir bekommen? Die Zeit wird kommen, Jake. Wir finden einen Weg, darauf hoffe ich sehr.", ich seufzte tief und wischte mir ein paar Tränen weg.
Jake: Es tut mir Leid. Bitte weine jetzt nicht wegen mir. Bitte.
„Du hast mich heute mit deinem Verhalten ziemlich verletzt und vor allem auf die Palme gebracht. Trotzdem musste ich den ganzen Tag an dich denken, Jake. Und verdammt nochmal. Wie gerne hätte ich jetzt gerade eine Umarmung von dir!", das ich ihn am liebsten geküsst hätte, erwähnte ich lieber nicht.
Jake: Bald, Ilka. Bald. Ich werde es möglich machen.
Jake: Danke für deine Worte. Und jetzt geh wieder zu den anderen, du verbringst den halben Abend ja nur mit mir. ;)
„Am liebsten den ganzen Abend..."
Jake: :)
Jake ist offline.

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Duskwood - Schatten der Vergangenheit
Mystery / ThrillerIn Duskwood ist eine Frau verschwunden. Was hatte dies aber alles mit Ilka zu tun? Oder war die verschwundene Frau nur Mittel zum Zweck? War der Entführer hinter etwas ganz anderem her? ⚠️ TW GEWALT ⚠️ In späteren Kapiteln kommt Gewalt vor. Diese s...