Kapitel 4b

21 4 9
                                    

Heilige Schöpfer und bei ihren Mächten!

Dieser Schrei!

Es war das Brüllen aus der Kehle eines anderen Häschers, der sich gerade noch rechtzeitig zwischen das Schwert und den Hals seines Hauptmanns warf, der die Klinge blockierte, sich dabei etwas zu seitlich drehte und die Schneide nur noch in den eigenen Unterarm zu lenken vermochte.

Flordelis Waffe drang ungehindert durch die Lederpolsterung des Zirkons und fraß sich unter Schmatzen und Lechzen in das Fleisch des Mannes hinein. Ihre Schlagbewegung wurde ruckartig von den Knochen ihres Gegners gebremst, kam in der Mitte des Unterarms zum Stehen, zur Hälfte im Mark, fast auf dem Weg zur anderen Seite. Das Schwert fetzte mit einer solchen Schlagwucht in die Speiche, dass der Getroffene dem Schwung ihres Hiebs noch ein Stück hinterherstolperte, bevor die Schneide durch die Schwerkraft mit einem Fleischfetzen aus seinem Unterarm gerissen wurde. Bein splitterte unter dem Gewicht der Waffe.

Der Mann schrie.

Flordelis spürte das markerschütternde Kreischen des Zirkons als Nachhall in den Tiefen ihrer Seele und konnte sich nicht gegen die Schauergefühle wehren, die ihren Körper zur selben Zeit heiß und kalt werden ließen. Sie strauchelte einen Moment, ehe sie den Blick auf ihr Werk richtete.

Der Truppenführer stand in gut vier Schritten Entfernung hinter seinem Verteidiger, der sich unter Brüllen und Schmerzenstränen in seinen Augen gegen die Schwerkraft zu halten versuchte. Graubraunes Blut spritzte aus dem halb abgetrennten Unterarm an die Nacht und tropfte in dicken Klumpen dem Waldboden entgegen, bevor sich die Flüssigkeit an der Luft in trockenen Zirkonstaub verwandelte. Glitzernde und flirrende Partikel schwebten wie Tänzer in Ballgewändern durch die Dämmerung. Sie glitzerten im Wind, ehe sie in einer Wolke aus Spätsommernebeln zu den Füßen der Kämpfer verschwanden.

Der erdige Geruch von Zirkonblut schwängerte die Luft.

Flordelis schmeckte jede Note davon auf der Zunge, als hätten sich die Zirkonstaubpartikel binnen weniger Millisekunden überall auf dem Duellplatz verteilt, als wären sie überall und allgegenwärtig, in jeder Pore, in jedem Atemzug und auf ihren Lippen. Ein Geschmack, der ihr die Übelkeit in den Magen trieb.

Sie wollte sich am liebsten die Hände vor die Lippen halten; vielleicht auch vor die Augen, um den grässlichen Geschmack des Zirkonblutes nicht noch mit Bildern zu untermalen.

Sie hatte bereits Verstümmelungen gesehen.

Viele. Sicher keine davon harmlos.

Doch ein Teil von ihr war selbst nach drei Jahrhunderten nicht in der Lage, den Anblick von Blut gut zu ertragen. Vor allem nicht, wenn das Opfer das Grummeln in ihrer Magengegend durch solch erbarmungswürdiges Schreien verstärkte.

Der Mann sackte vor ihr auf die Knie.

Besser wäre es wohl gewesen, sie hätte seine Hand ganz abgetrennt.

Denn nun ließ der Zirkon das Schwert in seiner unversehrten Rechten in den Matsch zu ihren Füßen fallen und hielt sich mit der bewegungsfähigen Hand einen Armstumpf, an dem die zweite Hand in einem unnatürlichen Winkel in die entgegengesetzte Richtung des Unterarms zeigte. Kaum mehr als Knochensplitter hielten das Handgelenk an seinem Platz, ließen keinen Spielraum bei der Vorstellung seines Innenlebens mehr. Spiegelnde Lichter verwandelten den Anblick der Körperflüssigkeiten in Schleim. Zähflüssiges Material, das über dem Lederschutz zu einer Kruste wurde.

Blut.

So viel Blut.

Flordelis musste sich wahrlich einen Atemzug stehlen, um ihre Übelkeitsgefühle samt Magensäure wieder hinunterschlucken zu können.

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt