Kapitel 13a

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Lysander Marell

Rückblickend betrachtet erschien ihm alles wie ein bunt zusammengewürfelter Fiebertraum. Sowohl die Begegnung mit der Juwelendiebin im Wegehaus von Rabenwalde als auch die Berührung, die all die anderen Ereignisse und Unglücksfälle nach sich gezogen hatte. Von den Nahtoderfahrungen im Kampf mit der Vasennatruppe über die Gefangennahme durch die Rotkuttenrebellen bis hin zu den Beben, die als todbringende Schuttlawinen durch die Tempelanlage gedonnert waren. Selbst die letzten Minuten fühlten sich wie ein schlechter Zusammenschnitt aus all dem an, was eine Krankheit aus seinem geistig benebelten Zustand bereits hervorgekitzelt hatte.

Nur, dass es die Realität war.

Eine irre, verquere Realität.

In seinen Gedanken zog die Nacht an ihm vorüber.

Eindrücke von der Flucht. Flordelis. Mo. Erinnerungen, in denen er sich durch das rumorende Unterwerk der Steine gekämpft hatte. Orangeleuchtendes Licht aus den verwinkelten Flursystemen, fliegende Lohenfunken und eine dichte Rauchwand vor seinen Augen, die es ihm fast unmöglich machte, den Boden unter seinen eigenen Füßen nach einem sicheren Tritt abzusuchen. Der Qualm biss sich wie ein Höllenbrand in jeden einzelnen seiner Atemzüge, erfüllte den gesamten Raum über ihren Köpfen mit einer todbringenden Wolke, die sich immer weiter, immer gefräßiger unter den Steinbögen auszubreiten begann. Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie sein Körper überhaupt durch die schwarzen Nebelschlieren hindurchnavigierte, wie er trotz der schlechten Sichtverhältnisse noch den Pfad vor sich erkannt haben sollte.

Er war einfach gelaufen. Ohne Orientierung. Ohne Richtung. Geklammert an den Schatten der Rebellin, die sie durch die verwinkelten Mauern führte.

Glück?

So wollte er es nicht nennen.

Nicht in Anbetracht der Tatsachenlage, dass er sich irgendwo zwischen Kerker und Ausgang fast die halbe Lunge aus dem Leib gehustet zu haben glaubte.

Feuer.

Er hatte sie gesehen, die Flammen.

Glut und Funken, die durch die Dunkelheit tanzten.

Jeder Lichtpunkt schürte die Panik in seinen Augen, das Gefühl, nun doch noch von dem gefräßigen Lodern eingeholt zu werden. Das Gefühl, er müsste nun endgültig den Preis für die Berührung im Wegehaus bezahlen.

Glühende Asche hatte sich auf seine Haut gelegt. Der brennende Stiefel erschien ihm im Vergleich zu den Ausmaßen des Tempelbrands wie ein lächerlicher Wink des Schicksals. Noch immer tanzten die Lohen wie Glühwürmchen vor den dunklen Erinnerungen umher, kreiselten heiß und flammengeschwängert durch die Luft.

Dabei war es vorüber. Es war längst vorbei, das Feuer hinter ihm.

Nur ein Fiebertraum, wenn man so wollte.

Wofür er den Schöpfern jedoch dankbar war? Die Realität unterschied sich zumindest in einem Punkt von einem Fiebertraum. Sie hatte kein schlechtes Ende genommen.

Zumindest noch nicht.

Lysander lehnte mit dem Oberkörper an einem mächtigen Kiefernstamm, der ihm gerade genug erschien, um der Erschöpfung in seinen Gliedern auf irgendeine Weise standzuhalten. Der Atem rasselte wie ein altes Mühlwerk aus seinem Brustkorb hinauf in die Kehle und schnürte ihm den Hals zusammen, sodass er am liebsten jeden der Spiegelseen auf dem Kronland ausgesoffen hätte, um bloß dieses unerträgliche Empfinden wieder loszuwerden. Mochte ja sein, dass die Lungen eines Ewigen auf den Qualm nicht derart empfindlich reagierten wie die eines Menschen ... doch allein die Ausmaße des Brandes reichten aus, um seinen Körper an den Rand der erträglichen Kapazitäten zu bringen.

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt