Mein Wecker klingelte, wie jeden Morgen pünktlich, um 4:30 Uhr. Verschlafen stand ich auf. Es war der Montag nach meinem ersten Turnier gegen Zala. Wie ich es immer getan hatte, zog ich mir eine teure schwarze Reithose und ein genauso teures T-Shirt an. Darüber eine einfache Stalljacke. Ich betrat den Stall und holte mein Pferd für das Training an diesem Tag. Der vertraute Geruch von Pferd, Heu, Stroh und Pferdeäpfeln, sowie ein undefinierbarer aber stets in der Luft hängende Geruch strömte als eine Mischung in meine Nase und ließ mich aufseufzen. Nur unter der Woche durfte ich den Stall betreten und dies auch nur morgens, um mein Pferd zu holen. Niemand war außer mir im Stall gewesen. Automatisch hatte ich den Strick gelöst und nahm dem pechschwarzen Hengst das Halfter ab, auf diesem stand in goldenen Buchstaben: Diavolo II. Ohne weiter darauf zu achten, was ich vielleicht hätte tun sollen, trenste ich gekonnt und schnell. Mit Hilfe der Zügel führte ich ihn auf den Sandplatz.
Meine Mutter stand in der Mitte und meine Entspanntheit verschwand augenblicklich. „Was hat das so lange gedauert?! Komm in die Gänge! Reiten den Wassergraben an, da hast du beim letzten Ritt geschwächelt und gezögert." Eine Antwort erwartete sie nicht. Ich zögerte oder zuckte keine Sekunde. Ohne ein Wort zu sagen, schwang ich mich in den Sattel und ließ Diavolo eine Runde Schritt gehen, bis ich ein knallendes Geräusch hörte. Erschrocken galoppierte der Hengst an. Vorwurfsvoll und erschrocken sah ich über meine Schüler. Teuflisch grinsend stand sie da und ihr Blick sprach mehr als tausend Worte: Ich bin hier die die den Ton angibt und du tust, was ich sage! Die Peitsche in der erhobenen Hand stachelte sie den verängstigenden Hengst an, bis er schließlich durch ging und ich Mühe hatte mich auf den Wassergraben zu konzentrieren. Kurz vor dem Wassergraben stieg er. So steil, dass es fast senkrecht war.
Da erinnerte ich mich, dass Diavolo nicht irgendein Pferd war, er war das Pferd! Er hasste Wassergräben, hatte panische Angst vor ihnen und hatte schon die besten Reiter runter geschmissen und sogar schon Reiter so schwer verletzt, dass diese nicht mehr reiten konnte. Deswegen war er unbrauchbar für den Springsport. Wage erinnerte ich sich mein 11-jähriges Ich daran, dass er verkauft werden sollte. Diavolo stammte nicht aus unserer eigenen Zucht. Er war damals mit 7 Jahren bei uns in Beritt gestellt worden, als letzte Hoffnung, dass meine Eltern ihn wieder hinbekamen. Sie hatten es nicht geschafft. Nach 17 Jahren intensivem Training wurde er aufgeben und von guten Freunden gekauft, die den Tick nach einem Monat beseitigt hatten, aber zu spät. Mit seinen 24 Jahren war er unbrauchbar und auch in der Zucht nicht vielversprechend einsetzbar. Aber ich schweife wieder ab.
Überrascht riss ich die Zügel hoch, dies machte das nur noch schlimmer und dann flog ich in den Sand. Mein heutiger Partner raste auf meine Mutter zu, aber diese blieb unberührt und eiskalt. Ohne auch nur zu blinzeln oder sonst Regung zu zeigen, griff sie beherzt nach den Zügeln. Sofort blieb er wie angewurzelt stehen. „Nochmal" wies sie mich an, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich sagte nichts, ging einfach zu den beiden und stieg wieder in den Sattel. Wieder und wieder landete ich im Sand. Meine Mutter gab Mir dabei natürlich keine Tipps, das tat sie nie. Ihre Methode war: Alles, was das Pferd betrifft, soll er selbst lernen. Ich bin nur hier, um zu sagen, was er tun soll und um seine miserable Haltung zu korrigieren.
Mit jedem Abwurf, so hatte ich das Gefühl, wurde es schlimmer, er unberechenbarer und wilder. „Das reicht, geh zur Schule." Josephine stand am Zaun und als ich abstieg kam sie und nahm mir Diavolo II ab. So dass ich zur Schule konnte. Mein gesamter Körper schmerzte und da ich weder gebracht wurde noch Fahrrad fahren wollte entschied ich mich dafür zu laufen.
Pünktlich um 8 Uhr saß ich auf meinem Stuhl. Wie schon damals wurde ich von Mädchen aus meiner Stufe belagert, vor allem die Reiter unter ihnen zeigten Interesse. Allen warf ich einen nervtötenden Blick zu. Es brachte nichts, natürlich nicht, dass tat es nie. Das Stimmengewirr lernte ich mit der Zeit zu überhören. Wenn ich damals mit 7 Jahren Noch alles hörte und mich unterhielt, so war ich bereits mit 11 Jahren dazu im Stande alles weitestgehend zu überhören und ging kaum noch drauf ein. Mit 14 Jahren nahm ich dann gar nichts mehr war und unterhielt mich nie mehr. Einen anderen Weg gab es nicht. Erst als der Lehrer kam und seufzend zu Mir sah, löste sich die Traube Mädchen. So war es jeden Morgen gewesen, immer der gleiche Ablauf, jeden einzelnen Tag. Herr Minzhof, mein ehemaliger Mathe- und Sportlehrer würdigte mich danach keines weiteren Blickes. Zwar war ich kein allzu schlechter Schüler, aber in Mathe war ich einfach schon immer unterirdisch schlecht gewesen. Das Einzige, was mich damals vor dem Sitzenbleiben zurückgehalten hatte, waren meine Sportnote und das ich in den anderen Fächern auch ganz okay war. Minzhof hasste mich in Mathe, aber genauso sehr hatte er mich in Sport geliebt. So reichte meine Mathenote stets grade so, um in die nächste Stufe zu kommen. Bis ich 16 war, war das ganze so, danach ließ ich mich kaum noch in der Schule blicken, kam nur noch zu wichtigen Terminen und ansonsten war ich nie da, so dass ich die Zulassung für das Abitur nicht schaffte, und zwar war es meinen Eltern egal, sie fänden es besser, wenn ich bei ihnen eine Ausbildung zum Bereiter machte, aber das wollte ich nicht. So wiederholte ich die 10 und schaffte die Zulassung.
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Kai der Springreiter
Aventura"Kai der Springreiter" Aufgewachsen auf dem ehrwürdigen Zuchtgestüt der Lilienbergs, ist Kai von Kindheit an von einem Traum erfüllt - ein erfolgreicher Springreiter zu werden. Doch die Reiterwelt verbirgt dunkle Geheimnisse hinter den glänzenden Me...