4.Kapitel:

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Es waren mittlerweile bestimmt mehrere Stunden vergangen und ich war fast durch mit dem Buch. Es musste bestimmt mittlerweile Mitten in der Nacht sein, jedoch störte es mich nicht. Das Buch war gut, die Atmosphäre gemütlich und ich fühlte mich auf seltsame Weise wohl. Langsam legte ich das Buch zur Seite, um ein Stück Holz in den Kamin zu legen. Die Flamme verschlang das Holz und loderte danach stärker auf. Anschließend setze ich mich wieder in den Sessel, zog eine kuschelige Decke enger um mich und las weiter. Plötzlich konnte ich hören, wie die Türen zur Bibliothek geöffnet wurden. Die Türen fielen wieder zu und anschließend konnte ich Schritte hören, welche sich mir näherten. „Winter? Bist du es?“, fragte ich in die Stille hinein. Milo trat um die Ecke und sah mich direkt an. „Nicht ganz, aber ich hoffe, dass meine Anwesenheit auch in Ordnung für dich ist.“ Er lächelte mich feixend an, woraus ich schloss, dass er es witzig gemeint hatte. Ich lächelte leicht. Milo trat zu mir in den Raum und setzte sich auf den anderen Sessel. „Mir wurde bereits erzählt, dass mein Geschwisterkind bereits bei dir war und ihr zusammen das Anwesen unsicher gemacht habt.“ „So würde ich das nicht nennen.“ Erneut klappte ich das Buch zu und legte es dieses Mal auf meinen Schoss. Milo schien wieder bessere Laune zu haben und um ehrlich zu sein, gefiel mir das fiel mehr. Vorhin war alles so seltsam gewesen, aber wenn er das nicht ansprechend wollte, dann würde ich es auch nicht tun. Im Moment wirkte er mir nämlich viel vertrauter, als die gesamte Woche zuvor. „Was liest du da?“ Er sah interessiert zu mir herüber. „Die Schöne und das Biest.“ „Ach, ein Märchen also? Ich weiß vieles über dich, aber das du Märchen magst, wusste ich tatsächlich nicht.“ Hörte ich da einen leichten Ärger? Das Milo bereits so gut wie alles über mich wusste, war mir mehr als bewusst und dennoch störte es mich weniger, als es sollte. Und nun? Ärgerte er sich darüber, dass er etwas nicht über mich wusste? „Na ja, ganz so kann man das nicht sagen“, fing ich an. „Märchen sind jetzt nicht wirklich mein Lieblingsgenre. Es gibt nur sehr wenige, welche ich wirklich mag. Um ehrlich zu sein begrenzen sie sich auf drei.“ „Welche?“ Milo lehnte sich zurück, stütze seinen Ellenbogen auf der Armlehne ab und stützte sein Gesicht in seine Handfläche. „Die Schöne und das Biest, Peter Pan und Alice im Wunderland.“ „Aha und warum?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Dafür gibt es eigentlich keinen speziellen Grund.“ Milo nickte und sah verträumt in der Gegend herum. Ich ließ die Stille eine Weile so stehen, jedoch hielt ich es nicht lange aus. „Und du?“ Er sah wieder zu mir. „Was meinst du?“ „Magst du Märchen?“ „Ich hab noch nie eines gehört.“ „Was?!“ Schockiert sah ich zu ihm, was ihn zum lachen brachte. „Dafür war in meinem bisherigen Leben einfach kein Platz“, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. „Das muss geändert werden.“ Die Entschlossenheit in meiner Stimme überraschte sowohl mich als auch ihn, so schien es zumindest. „Mein Alltag ist relativ stressig, immerhin habe ich viel zu tun. Nur Abends, beziehungsweise Nachts, kann ich zur Ruhe kommen.“ Erneut war ich überrascht. War Milo ehrlich zu mir? Ich glaube schon. „Wenn du möchtest“, ich musste mich räuspern, als meine Stimme mir den Dienst versagte. „Ich kann dir vorlesen, dann kannst du runter kommen und dich entspannen.“ „Das würdest du tun?“ Ich nickte und hielt das Buch, in meinen Händen, hoch. „Die Schöne und das Biest?“ Er lächelte erneut und ich konnte schwören, dass es ein ehrliches lächeln war. Es gab da nämlich einen Unterschied. Ich erinnerte mich an dem Tag, wo ich in seinem Büro aufgewacht war und er gerade einen Menschen erschossen hatte. Die Art wie er mich danach begrüßt hatte und das Lächeln, welches an diesem Tag auf seinem Gesicht gewesen war, war gespielt gewesen. Aufgesetzt, zusammen mit einer Maske, welche ihn schützen sollte. Ich konnte es ihm ansehen, immerhin kannte ich mich mit so etwas aus. Wenn man sein gesamtes Leben über eine Maske trägt, ein Lächeln in sein Gesicht malt und so tut als wäre alles in Ordnung, während man innerlich schreckliche Qualen litt. Jedoch konnte man diese Maske nicht ablegen, denn dann würde jeder sehen, wie verletzlich man doch war und dann würde man angreifbar werden. Dieses Lächeln jetzt war anders. Ich konnte es nicht erklären, aber ich sah es ihm an und wusste es einfach. Wusste, dass dieses Lächeln wirklich echt war. Ich schlug das Buch erneut auf und blätterte zum Anfang. Fing erneut von vorne an, jedoch las ich dieses Mal laut vor. Zwischendurch schielte ich rüber zu Milo, jedoch hatte dieser seine Augen geschlossen. Ich wusste, dass er nicht schlief und ebenso wusste ich, dass er mir ganz genau zuhörte. Er schien diesen Moment zu genießen und sich tatsächlich zu entspannen. Nachdem ich fünf Kapitel gelesen hatte, machte ich eine Pause. Erneut sah ich zu Milo, welcher noch immer die Augen geschlossen hatte. Schlief er jetzt doch? Ich nutze den Moment und betrachtete ihn genauer. Mir vielen erneut seine blonden Locken auf, welche ihm perfekt standen. Auch sein Gesicht fand ich sehr interessant und auch wenn ich seine Augen im Moment nicht sehen konnte, so standen sie mir klar im Gedächtnis. Golden und wunderschön. Alles in allem war er wirklich sehr schön und besonders attraktiv. Plötzlich schlug mein Gegenüber seine Augen auf. Er sah mich direkt an und, aus irgendeinem Grund, zuckte ich dabei zusammen. „Nicht erschrecken“, sagte er. Dabei wirkte er irgendwie müde. „Ich hab mich nicht erschreckt.“ „Ach nein?“ „Es kam nur unerwartet.“ Milo fing an sich zu strecken. „Dann ist ja gut.“ Er stand auf und steckte die Hände in die Hosentaschen, während er zu mir sah. „Willst du gehen?“ Milo sah mich einen Moment verwirrt an, fing dann aber zu grinsen an. „Mi Amore, die Sonne geht bereits auf.“ „Wie?!“ Ich sprang beinahe aus dem Sessel und starrte zu dem kleinen Fenster, welches sich in diesem Raum befand. „Ich war die gesamte Nacht über wach? Und noch viel mehr, ich hab dich so lange wach gehalten, obwohl du doch so müde warst.“ Milo lief an mir vorbei und öffnete das Fenster. Frische Luft drang sofort ein und meine Haare wehten leicht mit dem Wind mit. „Du hast mich nicht wach gehalten.“ Milo trat zum Kamin und löschte das Feuer, während ich die Decke zusammenlegte und sie zurück in den Korb tat, aus welchem ich sie ursprünglich genommen hatte. Milo griff nach „die Schöne und das Biest“ und legte es auf den kleinen Tisch, welcher zwischen den Hocker stand. In der Zeit sah ich zur Uhr und stellte fest, dass es bereits halb fünf Uhr morgens war. „Würdest du mir später, also heute Abend, weiter vorlesen?“ Zunächst war ich verwirrt, jedoch spürte ich dann, wie ich mich anfing zu freuen. „Natürlich.“ Milo lächelte erneut und es war echt, weswegen ich nicht anders konnte, als ebenfalls aufrichtig zu lächeln. „Soll ich dich zurück in dein Zimmer bringen?“ Ich nickte. „Ja gerne. So gut kenne ich mich hier immerhin noch nicht aus.“ „Ach, dass wird schon noch kommen.“ Milo reichte mir seinen Arm und ich hackte mich bei ihm ein. Keine Ahnung warum er das getan hatte, aber ich würde es bestimmt nicht ablehne, denn aus irgendeinem Grund genoss ich seine Nähe. Zusammen verließen wir die Bibliothek und Milo führte mich zurück in mein Zimmer. Als wir bei meiner Zimmertür ankamen, zog ich meinen Arm wieder zu mir, jedoch fing Milo meine Hand ab und hielt diese nun in seiner. „Wirst du jetzt schlafen?“ Ich konnte ein leichtes Gähnen nicht unterdrücken. „Wohl ja, ich bin wirklich müde. Und du?“ „Man wird sehen.“ Milo küsste meinen Handrücken und ließ danach meine Hand los. „Schlaf gut, Mi Amore.“ Er wandte sich ab und während er davon ging, steckte er die Hände in die Hosentaschen. Ich hingegen konnte spüren wie ich rot anlief. „Du hoffentlich auch, Milo.“

Mi Amore (Deranged Detectiv FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt