5.Kapitel:

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Aufwachen tat ich das nächste Mal um knapp sechzehn Uhr und dennoch fühlte ich mich noch immer wie gerädert. Müde war ich und irgendwie kam ich auch nicht richtig hoch. Plötzlich klopfte es. „Young Lady, darf ich herein kommen?“ „Komm herein“, rief ich, ehe ich mein Gesicht zurück in die Kissen drückte. Amanda betrat mein Zimmer, sah sich kurz etwas verloren um und trat dann an mein Bett heran. Ich verfolgte ihr Handeln aus dem Augenwinkel, während ich noch immer nicht richtig hoch kam. „Ihr seid nicht richtig wach? Hab ich Euch geweckt?“ Sie wirkte erschrocken und leicht panisch. „Nein, hast du nicht. Ich war bereits wach, ich komme nur nicht richtig hoch, das ist alles.“ „Da bin ich aber beruhigt“, lachte meine Zofe und ich warf ihr ein freundliches Lächeln zu. Langsam setzte ich mich auf, während mein Körper noch immer schlafen wollte. „Was gibt es?“ „Der Hausherr wollte wissen, ob Ihr bereits wach seid.“ „Einigermaßen, wieso?“ „Das Mittagessen ist in etwa einer halben Stunde bereit, und die Frage ist, ob Ihr mitessen wollt?“ „Wieder nur mit Milo?“ „Soweit ich weiß schon.“ Mir graute es ein wenig davor. Seine Nähe gestern Abend, beim Abendessen, hatte ich wirklich genossen, aber dann war es plötzlich so komisch geworden. Ich wollte das nicht. Ich wollte, dass es so blieb, wie es gestern in der Bibliothek gewesen war. Trotzdem... „Ja, sehr gerne würde ich mit ihm essen.“ Amanda nickte und ließ mich danach wieder allein. So langsam wurde ich wacher und schaffte es aufzustehen. Meine Kleidung fiel heute auf ein weißes Hemd, welches weite Ärmel hatte, welche erst wieder am Handgelenk eng anlagen. Darüber zog ich erneut eine schwarze Anzugweste und schließlich zog ich den schwarzen Rock wieder an. Meine blonden, lockigen Haare ließ ich offen und bürstete sie nur einmal durch. Anschließend verließ ich mein Zimmer und fing an umher zu laufen. Ganz die Orientierung hatte ich noch immer nicht und so lief ich eher auf gut Glück durch die Gegend. Schließlich blieb ich stehen. Ich befand mich in einem Gang, dessen Wände mit Gemälden geschmückt waren. Sie sahen alle sehr wertvoll und vor alledem schön aus. Darunter entdeckte ich auch den einen oder anderen bekannten Künstler, welcher mir vom Namen her sehr wohl bekannt war. „Verlaufen?“ Ich zuckte heftig zusammen, als ich plötzlich Milos Stimme direkt neben meinem Ohr vernahm. Weit kam ich nicht, da Milo direkt hinter mir stand und seine Hände auf meine Schultern gelegt hatte. Ich merkte erneut unseren Größenunterschied, wobei Milo etwa eineinhalb Köpfe größer war als ich. „Allerdings, eigentlich wollte ich zum Speisesaal.“ „Dachte ich mir. Jedoch führt dieser Gang tatsächlich zu meinem Büro, aus welchem ich gerade kommen. Hast du mich wirklich nicht gehört?“ Sein Gesicht war meinem so nahe, sodass ich erneut die Röte spüren konnte. Dazu kam, dass ich ein starkes Kribbeln fühlen konnte, welches dort entstand, wo seine Hände meine Schultern berührten. „Nein, ich hab dich nicht gehört. Ich war wohl zu sehr in das Bild vertieft.“ „Verstehe.“ Milo ließ mich los, jedoch kam das so plötzlich, dass ich seufzen musste. Konnte er mich nicht weiter festhalten? Moment? Was dachte ich da! Milo sah mich verwirrt an, so hatte er mein Seufzen klar und deutlich gehört. Jedoch hatte er seine Gesichtszüge fast sofort wieder im Griff. „Dann“, fing er an. „Lass uns mal gehen, das Essen müsste bereits fertig sein.“ Er lief voraus und ich folgte ihm. Nach einigen, wenigen Sekunden, lief ich schließlich direkt neben ihm und begutachtete weiter die Wände. Meine Gedanken hingen jedoch bereits schon lange nicht mehr an den Gemälden. Insgeheim hatte ich gehofft, das Milo mir wieder seinen Arm hinhalten würde, damit ich mich bei ihm einhaken konnte oder das er vielleicht sogar meine Hand ergreifen würde. Was war ich nur für eine Träumerin! „Geht es dir gut, Mi Amore?“ Verwirrt blinzelte ich einige Male, ehe ich zu Milo sah. „Was? Oh, natürlich. Ich war nur in Gedanken.“ Milo lächelte mich wieder an. „Hab ich gemerkt.“ Er schien es mir nicht böse zu nehmen. Das Mittagessen an sich, welches eigentlich irgendwie mein Frühstück war, verlief ohne Zwischenfälle. Milo und ich redeten über verschiedenes und irgendwann gelangten wir dann zur Kriminalliteratur, mit welcher wir beide etwas anfangen konnte und für welche wir beide eine gewisse Schwäche hatten. Nach dem Mittagessen stand Milo plötzlich auf. „Du gehst?“ Die Enttäuschung in meiner Stimme überraschte mich selber, während ich mich gleichzeitig dafür hasste. Es war sogut hörbar gewesen, dass Milo es niemals überhört hatte. Und nun ja, Spoiler Warnung, hatte er auch nicht. „Die Arbeit ruft mich, immerhin gibt es einiges zu tun. Wie ich es dir gestern gesagt habe. Aber sei nicht enttäuscht. Mein gesamter Abend gehört ganz dir und ich freue mich schon darauf. Deine Stimme ist das angenehmste was ich im Moment nur hören könnte.“ Natürlich lief ich rot an. Ich hasste es so sehr, wie mein Körper und meine Gefühle auf Milo reagierten. Konnte ich mich wirklich so schlecht selber beherrschen? Eigentlich nicht. Eigentlich war ich verdammt gut da drinnen, mich zu verstellen und mir nichts anmerken zu lassen... Nur bei Milo schaffte ich es nicht.

Die Zeit nach dem Mittagessen verstrich quälend langsam, so sehr freute ich mich auf heute Abend und gegen zwanzig Uhr war es soweit. Amanda hatte mir Bescheid gegeben, dass Milo Feierabend gemacht hätte und in der Bibliothek auf mich warten würde. Sofort war ich aufgesprungen und zur Bibliothek geeilt. Dort angekommen wartete Milo bereits tatsächlich auf mich. Er hatte das Feuer im Kamin bereits entfacht und stand nun vor diesem. Beim Eintreten erkannte ich sofort, dass er noch mehr getan hatte. Er hatte Wasser und Tee bereit gestellt und dazu lag eine Decke auf meinem Sessel. Als ich erneut zu Milo sah fiel mir auf, dass er sein Jackett ausgezogen hatte. Außerdem hatte er die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt. Er sah mich direkt an. „Guten Abend, Verehrteste.“ Er lächelte mich an und ich erwiderte, ehe wir uns setzten und ich dort anfing weiterzulesen, wo ich gestern aufgehört hatte. Milo hörte mir erneut einfach nur zu, während ich ihm immer mehr ansah, wie er sich entspannte. Mit jedem Satz den ich vorlas, schien er sich mehr zu entspannen und mir gefiel dieser Anblick ausgesprochen gut. So verging die Zeit. Minute um Minute. Stunde um Stunde. Tag um Tag. Und schließlich waren es zwei Wochen gewesen, welche vergangen waren. Seither traf ich mich jeden Abend mit Milo in der Bibliothek und las ihm vor. Zuerst die Schöne und das Biest, dann Peter Pan und dann Alice im Wunderland.

Am ersten Tag der dritten Woche, kam ich Abends erneut in die Bibliothek. Alice im Wunderland hatte ich gestern fertig gelesen und damit hatte ich ihm alle Märchen vorgelesen, welche ich liebte. Er hatte mir gesagt, dass er nur diese hören wollte und nun fragte ich mich, was heute geschehen würde. Es gab keine Märchen mehr, an welchen er noch Interesse hatte. Solange ich sie nicht liebte, wollte er sie nicht hören. Und während ich leider zugeben musste, dass ich wirklich keine anderen Märchen besonders liebte, hatte ich gleichzeitig davor Angst, dass ich Milo nun nicht mehr jeden Abend sehen würde. Mir gefiel unsere Zweisamkeit am Abend und ich wollte sie irgendwie so beibehalten. Was dachte ich da schon wieder? Milo und ich waren kein Paar! Aber...? Hätte ich es gerne so? Hatte ich mich etwa...? War ich wirklich in Milo Moriarty verliebt?

Mi Amore (Deranged Detectiv FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt