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Nuria

Laute Musik schallte durch das gesamte Haus, weswegen ich mir am liebsten die Ohren abreißen würde. Warum musste diese verdammte Party nochmal bei uns stattfinden?

Genervt hockte ich in meinem Zimmer und hoffte, dass die Zeit endlich schneller verging. Ich konnte diese Musik, die schon seit zwei Stunden das Haus beschallte, langsam nicht mehr ertragen.

Es wunderte mich, dass Alice mich noch nicht zwang, zu der Party zu stoßen. Ich hatte mich seit Beginn der Party nicht mehr vom Fleck gerührt. Außerdem ignorierte ich das enge Kleid, das Alice mir auf mein Bett gelegt hatte, gekonnt. Eigentlich brauchten wir als Vampire kein Bett, da wir ja nie schlafen, aber es gab mir noch das Gefühl von Normalität.

Früher hatte ich es geliebt, nach einem anstrengenden Tag erstmal einen Powernap zu machen, aber das war nun nicht mehr möglich. Gewiss hatte es auch seine Vorteile, nie schlafen zu müssen, aber irgendwie vermisste ich es doch, den Kopf mithilfe des Schlafens ausschalten zu können.

»Wo bleibst du denn? Die Party ist schon in vollem Gange.« Alice stürmte in mein Zimmer und sah mich verdattert an. »Du hast versprochen, dass du mitfeiern würdest.«

»Ich hab's mir anders überlegt«, erwiderte ich trocken.

»Oh nein, Fräulein«, sagte Alice bestimmt, »du ziehst jetzt dieses Kleid an und kommst mit mir runter zu den anderen.«

Ich ignorierte sie. Ich wollte nicht zu den anderen gehen. Ich roch das Menschenblut bis in mein Zimmer und merkte, wie sich das Gift in meinem Mund sammelte. Gequält hielt ich die Luft an, um weniger davon riechen zu müssen. Noch eine der positiven Eigenschaften an dem Vampir-Dasein: Man musste nie Luft holen, nie atmen. Wir taten es alle nur aus Gewohnheit.

»Du wirst definitiv Kontaktlinsen brauchen«, murmelte Alice, bevor sie schnell aus meinem Zimmer huschte. Vermutlich, um die besagten Kontaktlinsen zu holen.

Ich hasste Kontaktlinsen. Sie waren verdammt unbequem, und durch das Vampirgift, das sich in unserem Körper sammelte, lösten sie sich nach wenigen Stunden im Auge auf.

Als Alice mit den Dingern wieder in mein Zimmer kam, wäre ich am liebsten weggelaufen.

»Muss das wirklich sein?« murrte ich.

»Definitiv. Deine Augen sind fast schwarz. Wenn du einen normalen Eindruck machen willst, wird kein Weg an den Kontaktlinsen vorbeiführen.«

Nachdem Alice mir die Kontaktlinsen ins Auge gemacht hatte, zog ich ihr Kleid an und frischte mein Make-up auf. Ich würde es Alice nie sagen, aber tatsächlich gab ich mir dabei sogar Mühe, da ich wirklich nervös war, wieder unter so viele Leute zu kommen.

Das letzte Mal, als ich feiern war, ist nun schon über ein Jahr her und damals war ich noch normal. Ich war einer von diesen Menschen, die dicht aneinander gedrängt tanzten und Spaß hatten.

Nun war ich ein Vampir, der sich nach dem Blut dieser Menschen sehnte. Wie sich das Blatt doch wenden konnte.

Als ich also fertig war, hakte Alice sich bei mir ein und führte mich nach unten. Was nach außen hin wie eine liebevolle Geste wirkte, war eigentlich eine reine Sicherheitsmaßnahme. Falls mich der Durst überwältigen sollte.

Unten angekommen, zog sie mich gleich weiter zu unseren Geschwistern, die alle zusammen in einem Kreis standen. Rosalie und Emmett tanzten leicht zu der Musik, während mein Bruder Jasper daneben stand und seine Freundin, Alice, verliebt anlächelte, als diese auf ihn zukam. Mein anderer Bruder, Edward, stand ebenfalls im Kreis, allerdings war er allein.

»Hat Alice dich doch runtergeschleift?« witzelte er.

»Scheinbar schon. Wo ist Bella?«

Bella ist Edwards Freundin, allerdings ist sie ein Mensch. Die beiden waren schon eine Weile zusammen, länger als ich zur Familie gehörte. Von Alice wusste ich, dass die beiden schon mal getrennt waren und dies dann so ausgegangen ist, dass Edward sich umbringen wollte. Wie verrückt einen Liebe doch machen kann.

Edward, der die Fähigkeit hat, Gedanken zu lesen, musste über meinen letzten Gedanken schmunzeln. Allerdings wirkte das eher verbittert.

»Ich weiß es nicht, vermutlich ist sie bei Jacob.« Diesen Namen spie Edward geradezu aus.

Es war kein Geheimnis, dass er Jacob Black hasste. Dieser war ein Werwolf und wollte irgendwie auch etwas von Bella, was bei Edward nicht so gut ankam.

Ich hatte Jacob noch nie kennengelernt, überhaupt hatte ich noch keinen der Werwölfe kennengelernt. Vermutlich hatte meine Familie mir das bisher auch noch nicht zugetraut. Ob es jetzt wirklich die beste Idee war, das auf einer Party, in Beisein von vielen Menschen, zu tun, sei mal dahingestellt.

»Dann suchen wir jetzt Jacob«, schlug Alice vor, die sich gerade aus Jaspers Umarmung befreite. »Schließlich drängen die Werwölfe darauf, unser neues Mitglied endlich kennenzulernen.«

»Juhu, ich lerne die Werwölfe kennen«, brummte ich, als Alice sich abermals bei mir unterhakte und mich in den Eingangsbereich des Hauses führte. Edward lief brav neben uns her, hielt aber dennoch Ausschau nach seiner Freundin.

»Was stinkt denn hier so fürchterlich?« fragte ich, während ich angewidert die Nase rümpfte.

Alice setzte zum Reden an, wurde aber von einer männlichen Stimme hinter uns unterbrochen.

»Das Gleiche könnte ich dich auch fragen, Cullen.«

Als ich mich umdrehte, sah ich direkt in die braunen Augen eines vermeintlich Fremden.

Aber irgendwie war alles ganz komisch, als ich in seine Augen sah. Ich spürte ein merkwürdiges Kribbeln in meinem Körper. Und anhand des Gesichtsausdrucks meines Gegenübers wusste ich, dass gerade irgendwas passiert war.

Allerdings wusste ich noch nicht, was nun auf mich zukommen würde.

Maybe in another life ║ Paul LahoteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt