Kapitel 18 - James

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Konzentriert kaute James an seinem kleinen Finger. Seine Zähne zogen über die Knöchel und bissen in die weiche Haut. Der Nagel hatte sich nach drei Minuten schon verabschiedet.

Er kannte das Bild, das Philip ihm vorgelegt hatte. Er kannte es irgendwoher. Da war es sich sicher. Die Frage war nur: woher? 

Seine Zähne fixierten sich zwischen zwei Knöcheln. Er saugte an dem Finger, wie er es mit einer Salzstange machen würde. Seine Zunge wanderte in langsamen Kreisen über die Kuppe.

Denk nach, hauchte er in Gedanken. Denk nach. Du kennst den Ort.

Faktencheck. Was hatte er bisher zusammengetragen?

Das Bild zeigte Berge - schneelose Berge. Das Klima war also unwahrscheinlich kalt.

Pflanzen waren wenig vorhanden. Vielleicht etwas Unkraut, aber nichts, das Steinböcke und der gleichen auf Dauer ernähren könnte.

Sonnenuntergang hatte gerade erst eingesetzt, ergo gab es keine Sternbilder zu analysieren. Die Bekanntheit musste also von anderswo kommen.

Nebensächlich, doch der Eingang zur Höhle erinnerte ihn ein wenig an die Eingänge, die er sich immer für Tartarus vorgestellt hatte. Tief, abbrechend und spitz. Nicht das der Strafort der Unterwelt tatsächlich Tartarus hieß, doch es war ein passenderer Name als Hölle.

Was noch? Vögel. Ja, Vögel. Nicht einer nistete auf den Bergen. 

Vielleicht waren es aber auch keine Berge, sondern Klippen. Obwohl, die Steine wirkten schon eher trocken und keine Gewässer zeigten sich auf der Abbildung.

So oder so, er war sich sicher, diesen Ort schon einmal gesehen zu haben. Philip hatte sich diesmal wirklich selbst übertroffen. Wenn James nur herausfinden könnte, woher er den Ort kannte, dann würde er-

Die Tür hinter ihm wurde schlagartig aufgerissen. Und nein, James zuckte daraufhin weder zusammen, noch quietschte er in seine Hand. Na ja, vielleicht doch ein wenig. Um ehrlich zu sein, war es ein Wunder, dass er nicht aus seinem Stuhl kippte.

Seine Magie prickelte warnend unter seiner Haut - Theo! - doch als er sich umdrehte, stand da nur Rhyllis im Türrahmen.

Seufzend ließ er sich zurück in den Stuhl sinken. "Ma chérie, du bist es nur."

Augenrollend drückte sie sich von der Tür ab.

"Wer sollte es sonst sein?" Ihr Körper schmiegte sich an seinen Rücken. Ihre Hände warm auf seinen Schultern. "Das ist mein Zimmer. Inkubusmagie. Unerwünschte", sie hauchte einen Kuss auf die Wange, "würden schon nach einem Schritt auf dem Parkett um Erleichterung winseln."

Mit festem Druck presste sie ihre Finger in seinen Nacken. Stöhnend drückte sich James ihr entgegen. Dämliche Inkuben und ihre Affinität für alles Fleischliche. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, wie sehr der Schreibtisch gegen seinen Körper arbeitete. Nach fast sechzehn Stunden auf ihm jedoch kein Wunder.

"Du bist steif", stellte sie fest, obwohl ihr Ton es mehr wie eine Mahnung klingen ließ. "Was ist mit den zweistündigen Dehnübungen?"

"Keine Zeit. Gestern auch schon nicht." Und er hasste es. Oh, wie er es hasste. Doch er hatte einfach keine Zeit. Denken und Dehnen ließen sich nicht gerade mischen. Zur Hölle, er hatte nur damit angefangen, weil es seine Gedanken zum Stillstand brachte. Etwas, das er gerade mehr als nötig hätte.

"Harold?", zupfte sie den Elefanten im Raum an. Wie immer traf sie genau ins Schwarze.

"Theo", korrigierte James beinahe automatisch.

Rhyllis schüttelte den Kopf. "Nicht für mich. Er würde mich dafür glatt umbringen."

"Darf er nicht", entgegnete James. Er würde es nicht zulassen. Rhyllis war, sie war die Beste. Er kannte kaum jemanden so gut wie sie. Fühlte sich mit niemanden so sicher als mit ihr an seiner Seite. Nicht ein Geheimnis stand zwischen ihnen. Nicht eines. Sie wusste, wer er war, und er wusste, wer sie war. Von vergangenen Namen zu versteckten Ängsten. Auch wenn sie damals mit der Situation besser umgehen hätten können. Das ungläubige Gelächter hätten sie sich zumindest sparen können.

Dreams of GreedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt