Phillis ist alt

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Phillis hasste es, im Ritz zu frühstücken. Dafür war sie aber ziemlich oft dort und fand sich immer am selben Tisch mit immer derselben Gesellschaft, sodass es unter den Kellnern und Kellnerinnen schon Gerüchte darüber gab, wer sie war.

Es war nicht schwer, in der Muggel-Welt etwas über ihre Gesellschaft herauszufinden. Er war unter gewissen Kreisen berühmt – besonders unter den Mitarbeitern des Ritz. Einmal hatte er ihr erzählt, dass es im Ballett für den Mann darum ging, nicht aufzufallen, nicht erwähnt zu werden. Er war dazu da, die weibliche Tänzerin so elegant und hübsch wie möglich aussehen zu lassen, mit diversen Hebefiguren und scheinbar federleichten Berührungen mit alles französischen Namen, die Phillis nie aussprechen oder sich merken konnte. Wenn der männliche Tänzer in Ballettstücken erwähnt wurde, war dies meist (oder eher bisher immer) negativ, denn das bedeutete, dass er so schlecht gewesen war, dass es sogar einer Kritik würdig gewesen war. Am besten war es, wenn man als männlicher Tänzer überhaupt nicht erwähnt wurde.

Er hatte es einmal in eine Kritik geschafft, in der er mit seinen blonden (in der Kritik als golden beschrieben) Haaren und majestätischen Figur der perfekte Romeo in Romeo und Julia gewesen war.

Letztendlich hatte er sich die letzten Jahre überhaupt nicht verändert – jedenfalls in Phillis' Augen nicht. Noch immer war er dieselbe Person, nur ein wenig älter und nicht mehr in der Pubertät.

Die blonden Haare trug er nun bis knapp unter den Ohren. Wenn er gerade von einem Training kam, waren sie noch ein wenig zerzaust von einem Stirnband, dass er dann bevorzugt trug. Wenn man ihn auf der Bühne sah, saßen seine Haare perfekt und bewegten sich vor lauter Haarspray kaum, trotz der Bewegungen auf der Bühne.

Er war eindeutig in die Höhe geschossen und überragte Phillis. Einmal hatte er sich darüber beschwert, dass er mit seinen ein Meter neunzig beinahe zu groß fürs Ballett war, aber eigentlich hatte sich noch nie jemand (außer er) sich darüber beschwert.

Seine Statur war die eines Tänzers – elegant, sehnig muskulös und definiert, wie er gerne beschrieben wird. Phillis erinnerte sich gerne daran, wie er früher in seiner Schule dafür ausgelacht worden war, während des Tanzens hautenge Kleidung getragen zu haben. Wenn er nun während eines Training schnell mit Phillis auf einen Espresso wohin ging und sich nicht umziehen wollte, blickten viele Leute zweimal hin, um sein ganzes gutes Aussehen aufnehmen zu können und mehr als einmal war er von Baristas auf den Kaffee eingeladen worden – natürlich hatten diese mit ihm geflirtet, aber er hatte dies immer ignoriert oder – was Phillis für wahrscheinlicher hielt – einfach nicht verstanden, mit den Gedanken einfach woanders.

Normalerweise kannte man Balletttänzer (besonders die männlichen) kaum beim Namen und noch weniger hätten einen von ihnen auf der Straße wiedererkannt, aber unter einem bestimmten Kreis von Künstlern, Tänzern und natürlich Sängern war er schon bekannt – besonders für seine Partys, die er gerne in seiner großen Wohnung in London abhielt.

Neben einem Vollzeit (-und darüber)-job beim Royal Ballett in London nutzte er seine Freizeit gerne dafür, Bücher zu schreiben oder in der Universität in Oxford als Assistenz-Professor zu unterrichten, hatte nebenbei ein paar Doktortitel erlangt und bildete sich immer weiter, sodass Phillis manchmal das Gefühl hatte, zwischen jedem ihrer Treffen wären mehrere Jahre vergangen, obwohl es nur wenige Tage oder höchsten Wochen gewesen waren.

Phillis hatte keine Ahnung, wie er all das schaffte – besonders, weil auch er nur einen vierundzwanzig-Stunden-Tag hatte, aber so war er wohl schon immer gewesen.

Letztendlich hatte Houdini sich nicht verändert.

Seine Kleidung war natürlich noch immer perfekt – jederzeit. Aber statt nur Anzughose und gebügeltes Hemd fand man ihn mittlerweile niemals ohne eine passende Anzugweste und einer Anzugjacke dazu, sowie einem schwarzen Regenschirm, den er immer bei sich hatte, auch dann, wenn es in England ausnahmsweise einmal nicht regnete.

Achilles | Remus Lupin [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt