Phillis will kein Gott sein

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Die After-Party war wild.

Es war vermutlich keine gute Idee gewesen, die irischen und amerikanischen Fans zu vermischen, denn sie beide fühlten sehr viel für dieses einfache Spiel und Phillis war sich noch nicht sicher, in welche Richtung der Abend letztendlich eskalieren würde: In einem Trinkgelage oder einer Prügelei. So oder so, sie wäre nicht überrascht, einen Teilaspekt von Dionysos zwischen den Leuten zu erblicken.

Sie selbst nippte nur hin und wieder an ihrer eigenen Wasserflasche und versuchte so auszusehen, als würde sie die Umgebung voll Politiker, Reporter und hochrangiger Fans genießen.

Lyall machte es besser.

Remus war ihm in dieser Hinsicht sehr ähnlich, denn er hatte die Fähigkeit, Phillis vergessen zu lassen, wie nervös sie große Mengen machten und sie immer in irgendwelche Gespräche zu verwickeln, die nie in eine Richtung gingen, über die Phillis nicht sprechen wollte.

Deswegen hatte Lyall wahrscheinlich noch mit keinem Wort das Spiel selbst erwähnt. Er hatte ihr zu ihrem Sieg gratuliert, aber nur in einem kurzen Satz und ganz simpel, als hätte er gespürt, wie sehr sie dieses Spiel eigentlich mitgenommen hatte.

Es war ein wenig wie in Trance gewesen. Sie hatte gewusst, dass die Amerikaner harte Gegner werden würden, die sich nicht vor Gewalt scheuten. Warum hatte sie dann gleich mit Gewalt reagiert? Es war ein wenig so gewesen, als hätte sie kein Quidditch-Match gespielt, sondern eine Schlacht angeführt und dieses Gefühl hatte sie schon immer beim Quidditch gehabt, aber dieses Mal war es irgendwie anders gewesen. Erst vor wenigen Tagen hatte sie Houdini gesagt, dass sie sich davor fürchtete, wie sehr sich ihre göttlichen Fähigkeiten verstärkten und wie sehr sie das Gefühl hatte, sie würde viel zu sehr in göttliche Angelegenheiten eingreifen. Aber bei diesem Spiel hatte sie einen Spieler einfach so hart mit dem Quaffel getroffen, dass es ihn vom Besen geworfen hatte. Sie hatte ihre göttlichen Kräfte nicht nur nicht unterdrückt, sondern sie auch noch offen gezeigt, vor einem riesigen Publikum. Und klar, sie hatte auch schon andere Dinge während Spielen getan, die an Wunder grenzten und deswegen war sie auch als die beste Spielerin seit Anbeginn der Aufzeichnungen bekannt, aber trotzdem fühlte Phillis sich schuldig.

Sie hätte sich zusammenreißen sollen, sich zurückhalten. Aber sie hatte es einfach satt, sich verstecken zu müssen – nicht nur ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten, sondern auch ihren Ehemann, ihr Privatleben, ihr eigenes Heim. Jahre des Krieges hatten sie zu einer Person gemacht, die kaum jemand wirklich kannte und langsam tröpfelte hin und wieder ein wenig von ihr selbst heraus und die Leute waren überrascht, vielleicht sogar geschockt.

Phillis war von sich selbst geschockt, als sie bemerkt hatte, dass sie es genossen hatte, ihre göttlichen Kräfte zu benutzen – einfach nur, um anzugeben. Sie hätte das Spiel auch ohne gewinnen können und ein großer Teil von diesem Spiel hatten sie wahrscheinlich gewonnen, weil Phillis ein – nach Houdini – taktisches Genie war. Aber dieses Mal waren es auch ihre Fähigkeiten gewesen und Phillis wusste nicht, wie sie sich damit fühlen sollte.

Also genoss sie Lyalls Anwesenheit, der vielleicht ähnliche Gedanken hatte und sie später darauf ansprechen würde, aber jetzt noch nicht.

Er wusste, wer Phillis war.

Remus und sie hatten es ihm erst nach ihrer Hochzeit – ein oder zwei Jahre danach – erzählt und zuerst hatte er ihnen nicht geglaubt. Dann hatte er so getan, als würde er ihnen glauben, aber man konnte Phillis nicht anlügen und deswegen hatte sie gewusst, dass er ihnen noch immer nicht wirklich glaubte, aber ihnen zuliebe einfach so tat. Dann hatte er angefangen zu glauben, wollte es aber noch nicht glauben. Und dann hatte er es schließlich akzeptiert.

Und Phillis hatte nicht jede Gelegenheit mit ihm genutzt, um ihm zu beweisen, dass sie von einem waschechten Gott abstammte. Er hatte diese Hinweise von ganz allein gesehen – mit den Jahren war Phillis nämlich ihrem Vater immer ähnlicher geworden und jeder andere hätte sich vielleicht gefragt, was genau nicht mit ihr stimmte, aber Lyall hatte schon eine Antwort für seine Fragen gehabt und hatte die Indizien nur noch verbinden müssen.

Achilles | Remus Lupin [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt