4. "Bin ich irgendeine dumme Antiquität, die zerfällt?" - Evelyn

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Offenbar wollte Gott mich verspotten. Erst warf ich ein Auge auf ein Mädchen, während ich mit einem Jungen in einer Beziehung war und dann musste gerade dieses Mädchen Krebs haben. Offenbar spielte da ein großer bärtiger Mann im Himmel, drehte Däumchen und erfreute sich an meiner Misere. Erst als Charles sich räusperte, bemerkte ich, dass ich Catherine die gesamte Zeit angesehen hatte. Ich sah verlegen auf und wurde rot, als ich bemerkte, wie sehr ich sie angestarrt hatte. Ich hatte mir jede Kurve ihres Körpers eingeprägt und jetzt leuchtete das Bild hinter meinen Augenlidern, als hätte ich in grelles Licht gestarrt. "Seit wann hat sie es?", fragte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte. Maxwell sah auf und mit einem Mal sah er wirklich aus, als würde er nie wieder glücklich werden. Er fuhr sich mit zittriger Hand durch die raspelkurzen Haare. "Seit sie vier ist." Alice sah ihn ängstlich an, bevor sie fragte: "Und woher willst du das wissen? Hattet ihr Tests?" Als Maxwell Charles' Mutter ansah, konnte ich verstehen, warum er der Vater von Charles war. Ich konnte deutlich erkennen, dass seine Augen begannen zu leuchten, als er Alice ansah. "Ja. Und Operationen. Die Metastasen konnten entfernt werden, aber nicht der Haupttumor. Zum Glück wächst er nicht mehr so schnell wie damals, aber älter als 40 wird sie es nicht schaffen." Ich registrierte, dass Alice auf Maxwells zuckende Hände sah. Er hielt seine Finger mit der jeweils anderen Hand fest umklammert, aber das Zittern ließ sich nicht dämpfen. "Max...?", fragte Alice zögernd und leicht besorgt. Ich erkannte, dass Alice noch immer nicht über ihn hinweg war. Vermutlich würde sie das auch nie sein. Aber wenn ich sah, auf welche Weise Alice und Maxwell sich ansahen, wusste ich, dass es etwas wie die große Liebe wirklich gab. Versteht mich nicht falsch, ich mochte Charles wirklich sehr gern. Ich war froh, ihn als Freund haben zu können, aber das Leben ging weiter. Und so gern ich Charles auch mochte, ich konnte mir nicht vorstellen, mit ihm den Rest meines Lebens zusammen zu sein, nicht nachdem ich Catherine kennen gelernt hatte. Verdammt! Ich hatte nichts mit ihr zu tun! Was tat sie nur mit mir?


Maxwell nickte leicht. "Schon gut. Passt alles." Alice jedoch sah noch immer nicht überzeugt aus. Maxwell zog leicht die Mundwinkel nach oben, woraufhin Alice errötete und zu Boden sah. "Mir geht es gut.", sagte er wieder und wandte den Blick von Alice ab. Jedoch sah ich einen Schatten über seine Augen huschen, der mir zeigte, dass nicht alles okay war. Bevor ich nachfragte, nahm ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Ich sah hin und sofort verhakten sich meine Augen mit den leuchtend grünen von Catherine. Ich wusste nicht, wie lange wir uns ansahen, aber keiner von uns konnte beiseite sehen. Ich hielt ihrem Blick noch stand, es war mir egal, dass Charles sich mehrmals demonstrativ räusperte. "Sind wir im Museum? Angucken, aber nicht anfassen? Bin ich irdengeine dumme Antiquität, die zerfällt?" Ich zuckte zusammen, als ich die scharfen Worte aus dem wunderschönen Mund vernahm. Dann endlich konnte ich den Blick von ihr wenden. Und sah hinauf in Charles' Gesicht, welches mich finster anblickte. Ein entschuldigendes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Maxwell stürmte sofort auf seine Tochter zu, um sie mit Fragen zu überhäufen. Diese jedoch winkte mehrmals genervt ab. "Alles ist okay, Dad. Ich habe keine Schmerzen, wirklich nicht!", wehrte sie ihn ab. Ich zuckte zusammen, als ich eine große Hand auf meinem Rücken spürte. "Evy, ich muss mit dir reden...", hörte ich im nächsten Moment eine bekannte Stimme. Ich atmete auf. Charles. Ich nickte. "Dann rede doch einfach.", gab ich grinsend zurück. Er verdrehte leicht grinsend die Augen. "Kommst du mit nach oben?", fragte er leise und ich nickte. Wir gingen also hoch und Charles fragte sofort: "Was findest du an Catherine?" Darum ging es also. Ich könnte ihm alles mögliche an den Kopf klatschen. Ich mochte ziemlich viel an ihr, schon jetzt. Sie war attraktiv, hatte eine angenehme Stimme, die nicht so affektiert und hoch war wie alle anderen hier in London. "Sie ist neu hier.", gab ich zurück. Damit sah er mich geschockt an. "Neu, ja? Mal was anderes als diese Monotonie hier in London? Ein Abenteuer? Evelyn, das Mädchen hat Krebs! Was kann sie dir geben? Ein paar aufregende Jahre? Verdammt, sie ist auf dem besten Weg zu sterben, sie kann dich nicht glücklich machen!" Ich schüttelte den Kopf. Warum war er plötzlich so? "Wer sagt, dass ich sie überhaupt will?" Er lehnte sich seitlich gegen die Wand. "Du. In jeder einzelnen Sekunde, die ich dich sehe. Du reibst es mir regelrecht unter die Nase. Was findest du an ihr?" Ich öffnete verwirrt den Mund. "Charles, das ist nicht wahr! Ich liebe dich!", gab ich entrüstet zurück. "Wie kommst du auf sowas? Catherine ist noch keinen ganzen Tag hier und du redest voll eifersüchtig, dass ich irgendetwas von ihr wollen würde? Charles, ich bin auch nicht sofort eifersüchtig, wenn du ein anderes Mädchen als mich ansiehst. Vertrau mir doch einfach mal!", herrschte ich ihn sauer an. Er zuckte zusammen. "Evelyn, so war das doch gar nicht gemeint!", setzte er an, doch ich stieß ihn gegen die Brust. Tränen sammelten sich in meinen Augen. "Wie kannst du nur so von mir denken?", schrie ich. Seine Augen weiteten sich erschrocken. "Evy, hör doch mal zu!" Ich schüttelte den Kopf, mein Gesicht brannte. "Ich habe dir lange genug zugehört!" Er blinzelte verwirrt. "Evy, ich will doch nur nicht, dass du dich zu sehr auf sie konzentrierst. Verdammt, sie ist sterbenskrank! Und sie schmeißt sich an dich ran!" Er rümpfte angewidert die Nase. Da ging dann der Charles hassende Teil mit mir durch. "Ist das gerade dein Ernst?", brüllte ich. "Du bist Homophobist?" Das konnte doch nicht wahr sein! "Was? So war das doch gar nicht gemeint! Der Punkt ist, dass du meine Freundin bist!" Ich schüttelte den Kopf. "Das hat doch damit nichts zu tun! Nur weil ich deine Freundin sein soll, kann mich doch trotzdem jeder ansehen, wie er möchte!" Charles' Gesicht wurde knallrot. "Aber ich möchte nicht, dass du so angesehen wirst!", brüllte er. Ich hasste es, wenn ich angebrüllt wurde. Ob von Charles, meiner Mutter oder sonst irgendwem. "Wenn du das nicht willst, solltest du die Sache mit uns beenden.", sagte ich nüchtern, obwohl ich das Zittern in meiner Stimme hörte und die Tränen spürte, die über meine Wangen liefen. "Gut!", gab er zurück. Vermutlich wusste er nicht mal, was er da redete. Charles sprach in Rage. Und obwohl mir das klar war, verletzte es mich, mit welcher Verachtung er mir dieses Wort entgegenspuckte. Ich nickte leicht. "Okay...", flüsterte ich und drehte ihm den Rücken zu. Dann ging ich wie betäubt die Treppe herunter.

Unten sah Catherine auf. Sie saß noch immer auf der Couch, hatte aber eine dampfende Teetasse in den Händen. "Dein Schatzi scheint im Bett ziemlich aggressiv zu sein...", bemerkte sie, ein leichter Sarkasmus in ihrer Stimme. Normalerweise hätte ich nur leicht verlegen gegrinst, aber jetzt schleuderte ich ihr einen finsteren Blick zu. "Spars dir, er ist nicht mein Schatzi.", murmelte ich und schleppte mich aus dem Haus. Catherine hatte Unrecht. Sie war keine Antiquität, die bei jedem kleinen Luftzug zerfallen könnte. Sie nicht. Nur mein Leben. Catherine war der Tropfen, der Charles zum Überlaufen brachte. Catherine war der Grund, warum mein Leben implodiert war.

Ich wusste damals noch gar nicht, dass das der Auslöser einer verdammten Kettenreaktion sein würde.


Soo! Da isses! Erstmal danke an SaphiraMorgenstern fürs diktieren. Auch wenn laut dir Evys Leben nicht implodiert, sondern impotent war. Bitte lasst Kommentare da, ich möchte gerne Verbesserungsvorschläge haben. Dankeschön

XOXOXO Nelly

My Boyfriend's SisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt