Wohl keine der Sagen aus der Götterwelt ist so eng mit dem japanischen Volke verwachsen, wie es die Sagen von den sieben Glücksgöttern sind. Diese Gottheiten spielen eine so große Rolle, daß selten ein Tag vergeht, ohne daß sie in das Leben und Treiben des Volkes eingriffen. Ueberall sieht man ihre Bildnisse, an vielen Orten haben sie Tempel oder Kapellen; von den Palästen der Vornehmen und Reichen bis in die geringste Hütte hinab findet sich wenigstens der eine oder der andere von ihnen im Bilde vertreten und bringt, so meint man, als guter Geist dem Hause Gedeihen und Segen. Fast ist es, als ob alle sieben Glücksgötter thatsächlich unter dem Volke lebten, und eine hergebrachte Sitte ist es, von ihnen zu sprechen gleich als ob sie leibhaftige Menschen wären, welche Glück und Sorge mit uns theilen.
Freilich spricht man auch viel von einem Glücksschiffe, das mit besonderen zauberhaften Dingen beladen ist und ebenfalls den Sterblichen Glück und Segen bringt. Dieses Schiff – so erzählt man – wird durch eine ihm innewohnende Götterkraft gelenkt und kommt mit geblähtem Segel, wie von starkem Winde getrieben, daher. Seine Schätze sind ein Glücksseckel, der nie leer wird, ein Korallenzweig, der ähnlich einer Wünschelruthe alle verborgenen Schätze und besonders die des Meeres finden hilft; ferner bringt das Schiff einen Schlüssel, der alle Schlösser öffnet, Gewichtstücke, deren Besitz steten Gewinn bringt, Gewürznelken, welche beständige Gesundheit verleihen, auch wohl Edelsteine, welche Fluth und Ebbe des Meeres zu regeln vermögen, vor allen Dingen aber den unsichtbar machenden Hut und Mantel. Wer von dem Schiff und diesen Zauberdingen in der zweiten Nacht des Jahres träumt, hat in dem Jahre ganz besonderes Glück. So oft man aber auch von diesem Glücksschiff redet, und so fest man an seine glückbringenden Zauberdinge glaubt, so kann es sich doch nicht mit den sieben Glücksgöttern messen, deren Bedeutung eine weit größere ist. Es ist auch keineswegs jenes Glücksschiff, in welchem – wie man dies auf vielen Abbildungen findet – die sieben Glücksgötter oft zusammen über das Meer fahren und sich belustigen.
Diese sieben fröhlichen Gestalten sind nun sechs Götter und eine Göttin, und alle haben ihre besonderen Attribute und Verrichtungen zum Heile der Menschheit.
Zunächst ist unter ihnen Yebizu zu nennen – derselbe Gott, welcher als wenig versprechender Sohn unter dem Namen Hiruko von Isanagi und Isanami in einem Schifflein ausgesetzt ward. Er ging nicht zu Grunde, ward vielmehr der Schutzpatron der Fischer, der gute Fang und überhaupt die tägliche Nahrung verleiht. Er ist ein alter, würdiger Mann, der stets mit einem Fisch – gewöhnlich mit einem Tai oder rothen Seebrassen – abgebildet wird und mit Angelgeräth ausgerüstet ist. Yebizu leistete dem ersten Herrscher Japans, Jimmu, dem Abkömmling der Sonnengöttin, sehr gute Dienste, als derselbe in den noch unkultivirten Norden kam. Er brachte dem Jimmu Pfeile und gab ihm Rathschläge, wie die Barbaren – von den Japanern Yebizu genannt – zu unterwerfen seien, und deshalb nennt man ihn den Yebizu-Gott und verehrt ihn zu Settsu in einem eigenen Tempel.
Der zweite aus der Schaar der sieben Glücksgötter ist Daikoku. Sein Name ist dem Chinesischen entnommen, dennoch ist er einer der alten japanischen Stammgötter, der unter der Oberleitung der großen Göttin von Inari dem Reisbau vorsteht, und daher sitzt er auch stets in allen Abbildungen auf einem Reisballen, dessen Umhüllung gar zierlich aus Stroh geflochten ist. Auf dem Kopfe trägt der freundliche alte Herr stets eine flache Mütze und in der Hand schwingt er als Zeichen seiner Macht einen Hammer – das ist das Attribut der Donnergottheiten, die hier in Japan wie überall in der Welt dem Ackerbau hold sind. Neben diesem Attribute aber gesellt sich zu ihm noch die Ratte, die deshalb auch von den Japanern geehrt, ja heilig gehalten wird. Freilich frißt die Ratte auf den Feldern und in den Speichern die köstlichen Reiskörner, doch schadet das nichts; dafür hält sie Wache gegen alle bösen Geister, welche bei den Japanern Oni heißen. Einstmals, so erzählt man, wollten die bösen Oni den guten Daikoku, der ihnen verhaßt war, im Schlafe überfallen und umbringen. Die treuen Ratten aber, die in großer Anzahl da waren, bemerkten sie alsogleich und beschützten ihren Herrn; rasch ergriffen sie Stechpalmenblätter und hielten die Oni so lange fern, bis sie den Daikoku erweckt hatten, der dann alsbald dem Spuk ein Ende machte. Seit der Zeit liebt Daikoku die Ratten sehr, und wo er weilt und seinen Reichthum austheilt, da sind auch die Ratten zahlreich vorhanden.