Tametomo.

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Lange schon hatten sich die beiden mächtigen und berühmten Familien der Taira und der Minamoto drohend gegenüber gestanden, als – um die Mitte des elften Jahrhunderts unserer Zeitrechnung – der Kampf um den Besitz der Macht in Japan zwischen ihnen zum Ausbruch kam und ein ganzes Menschenalter hindurch die blutigsten Opfer dahinraffte. So einflußreich indessen beide Familien waren, so konnten sie doch nicht daran denken, die Kaiserfamilie zu entthronen; denn das Volk hing an dieser durch alle Zeiten mit unerschütterlicher Treue und hielt an dem frommen Glauben fest, daß die Abkömmlinge und Abgesandten der Sonnengöttin Amaterasu einzig und allein zur obersten Gewalt berufen seien. Zwistigkeiten der einzelnen Glieder der Kaiserfamilie selbst waren es daher, welche zu jedem Kampfe den Vorwand lieferten.

Einer der Taira, ein berühmter Feldherr und gewaltiger Regent, Namens Kiomori, hatte sich am Hofe zu Kioto einen fast unumschränkten Einfluß zu verschaffen gewußt. Die Kaiser, welche damals regierten, waren wenig thatkräftig und zogen es meist nach kurzer Regierung vor, abzudanken und ein beschauliches Leben zu führen, und so ließen sie dem Kiomori gänzlich freie Hand; wenn aber ehrgeizige Große des Hofes sich erheben wollten, so wußte er sie mit eiserner Faust zu zügeln. Hierdurch machte er sich jedoch im Laufe der Jahre bei vielen verhaßt, und als endlich einer der früheren Kaiser, Schotoku, der freiwillig dem Throne entsagt hatte, ebenfalls sehr mißvergnügt ward und gegen allerhand Willkür des Kiomori Einspruch erhob, sammelte sich eine Menge von Vornehmen und Kriegern, namentlich aus der Familie der Minamoto, um seine Fahnen. Sie zogen an der Spitze eines stattlichen Heeres gegen Kiomori ins Feld, und es kam – im Jahre 1156 – zu einer großen Schlacht.

Der erste Führer und tapferste Krieger unter den Gegnern Kiomori's war in diesem Kampfe Tametomo, der berühmteste Bogenschütz, den Japan je gehabt, dessen Ruhm selbst den des Yorimasa weit verdunkelte. Tametomo, ein Minamoto und ein Abkömmling des Yoschiiye oder Hatschimantaro, besaß nämlich die Stärke von funfzig Männern; zugleich war sein linker Arm in Folge besonderer Gunst der Götter erheblich länger als der rechte. So war es ihm denn möglich, einen gewaltigen Bogen zu handhaben, den vier Männer nicht zu spannen vermochten, und mittels desselben Pfeile von fünf Fuß Länge mit solcher Kraft zu entsenden, daß ihnen nichts zu widerstehen vermochte. Allein alle Stärke und aller Heldenmuth half ihm nichts gegen das Kriegsglück des Kiomori; und während seine Gefährten, namentlich auch Yorimasa, Raiko und noch ein anderer Häuptling aus dem Geschlechte der Minamoto, Yorinaga, den Heldentod fanden oder im Stande waren, sich in ihr eigenes Schwert zu stürzen, ereilte den Tametomo das noch herbere Geschick, lebend in die Gewalt seiner Gegner zu fallen.

Diese wußten wohl, welch erbitterten und gefährlichen Feind sie an Tametomo hatten; allein sie wollten ihn dennoch lieber als lebenden Zeugen ihres Ruhmes behalten, als ihn tödten. So kamen sie auf den grausamen Gedanken, ihm die Sehnen der Arme zu durchschneiden, damit er nie wieder als Bogenschütz fechten könne, und ihn in einen eisernen Käfig zu sperren.

Wie lange er in diesem entsetzlichen Zustande sein Leben fristete, weiß man nicht; er ward wiederholt in diesem Käfig von einem Orte zu anderen geführt und befand sich gerade in der Provinz Idzu, im Südosten Japans, als er merkte, daß die Wunden, die man ihm an den Armen beigebracht, völlig geheilt waren, und als es ihm gelang, seinen Peinigern zu entspringen. Eine gewaltige Bestürzung ergriff seine Feinde; eifrig forschte man ihm nach und fand denn auch, daß er auf die nicht weit von der japanischen Küste entfernte Insel Oschima, deren Vulkan noch heutzutage weithin seinen Schwefelbroden verbreitet, sich begeben habe. Hier hatten die Bewohner sofort seine Heldenstärke erkannt und ihn zu ihrem Herrscher ausgerufen.

Kiomori sandte eine kleine Flotte gegen ihn und die Inselbewohner, welche unter Tametomo's Führung ihm trotzten und den üblichen Tribut zu senden verweigerten; allein diese Flotte hatte ein gar trauriges Schicksal. Tametomo, der ganz seine frühere Kraft wieder erlangt hatte, beschoß die Fahrzeuge mit seinen gewaltigen Pfeilen so lange, bis auch das letzte derselben zertrümmert und die ganze Mannschaft in die Meeresfluthen versunken war.

Nun aber schleuderte er Bogen und Pfeile von sich ins Meer, ging in sein Haus und zündete es an; denn er sah ein, daß er auf die Dauer doch dem Kiomori nicht würde widerstehen können.

Wunderbarer Weise fand er jedoch seinen Tod nicht; wie er entkommen, welche Gottheiten ihn nochmals zu großen Thaten bestimmten und sein Leben retteten, weiß man nicht. Genug, er ward noch in seinen späteren Tagen Herrscher des Reiches der Lutschu-Inseln und Ahnherr des dortigen Königshauses, indem er sich mit der Tochter eines der Vornehmen des Landes vermählte. Sein Sohn, der König Sunten, ist der Stammvater aller späteren Monarchen jener Inselgruppe.



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Japanische Götter Sagen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt