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Mikaela

Ein Ticken zu lange musterte ich den, leider Gottes, gut aussehenden Mann vor mir. Sein schwarzes Haar hing ihm ins Gesicht und ließen seine Augen golden leuchten. Er war groß und sein Hemd zeichnete jeden einzelnen Muskel ab. Seine schneeweißen Zähne blitzten zwischen seine wohlgeformten Lippen hervor. Das Lächeln erschien provokant, als er meinen Blick deutete.

„Ich bevorzuge den Namen Mika. In deinem Fall sollte Alpha Pierce ausreichen.", sagte ich trocken und setzte meine steinharte Miene auf. Dem würde schon das dumme Grinsen vergehen, dachte ich mir.

So standen wir da, die drei großen Rudel versammelt, in einem Kreis stehend, jedes Rudel hinter seinem Alpha. Die Blicke wanderten zu Alpha Silvers, als dieser das Wort ergriff: „Wie ihr bereits wisst, habe ich diese Versammlung einberufen, um den Frieden einzuleiten. Es gab viele Verluste, die beide Seiten zu betrauern haben. Die Mondgöttin sprach zu mir, in einem Traum. ‚Wenn die letzten Blätter fallen und der Winter naht, werden zwei Alphas geboren und sich beim letzten Vollmond vereinen und Frieden bringen.'.", lautes Gemurmel unterbrach den Alpha. „Jetzt, wo es soweit ist, ist es meine Aufgabe den Willen der Göttin auszuführen und euch beizustehen, den Frieden wieder herzustellen.", sprach er lauter und die Aufmerksamkeit gehörte wieder ihm.

Es gab keinen Grund an den Worten des Lancaster-Alphas zu zweifeln. Die Gabe die er besitzt ist selten. Nur wenige Wölfe, reinem Herzens, sind dazu in der Lage, Anweisungen der Mondgöttin zu erhalten. Wir nannten sie ‚Spirits'. Die spirituellen Wölfe.

Leider meinte die Mondgöttin mit ‚vereinen' etwas ganz anderes als Silvers denkt. Und hör auf die ganze zeit wie ein Welpe zu fiepen Snow!

Tut mir leid Mika, ich kann es nicht kontrollieren, seine Wölfin ruft mich zu sich! , wütend verdrängte ich meinen Wolf in die hinterste Ecke meines Kopfes. Ich musste mich auf das Geschehen vor mir konzentrieren. Wie konnte es sein, dass sich Snow wie ein pubertierender Rüde verhielt?

„Und wie stellt ihr euch das vor Silvers? Sie haben uns unsere Luna genommen, unseren ehemaligen Alpha! Mein Vater hat Rache geschworen, was sollte uns daran hindern, seinen Wunsch zu verwirklichen?", sagte ich mit fester Stimme und starrte den Pierce-Alpha an.

Mein Rudel stimmte mir laut zu und knurrte gefährlich. „Alpha Mika, liegt es wirklich an deinem Interesse, dich den Willen der Mondgöttin zu widersetzen? Hast du vergessen, was einst mit dem Melvis-Rudel geschah?", natürlich hatte ich es nicht vergessen. Einst war das Melvis-Rudel, das spirituellste Rudel unter uns. Eines Tages widersetzten sie sich den Willen der Göttin und sie nahm jeden ihrer Wölfe zu sich. Die nur noch die menschliche Hülle verblieb auf Erden, bis sie kurz darauf starben. Jeder einzelne. Missbilligend schaute ich in die Runde.

Alpha Jayden kam zu Wort. „Mir ist bewusst, welchen Ausmaß unsere - Auseinandersetzung hat. Ich kann nachvollziehen, dass ihr uns nicht vergeben werdet, doch genauso wenig werden wir euch, unsere Verluste vergeben!", nun stimmte sein Rudel laut zu.

„Und was willst du mit deinen Worten bezwecken?", nach Frieden klang mir diese Aussage nicht. Er ist es, der bettelnd vor mir knien müsste und um Vergebung winseln. Er ist es, der zurückgekehrt ist und seinem Rudel ein Zuhause geben will.

„Ich stimme für einen vorläufigen Waffenstillstand. Ich will euch zeigen, dass wir keinen hinterhältigen Gedanken hegen.", todernst schaute er mich an. Erneut streifte meine Haut ein kribbeln und die Härchen stellten sich auf. Verfluchter Mist! Blieb mir denn eine andere Wahl? *Es ist das beste was du für uns tun kannst, dein Vater hätte eingewilligt.*, Edens Stimme hallte durch meinem Kopf. Ich schluckte hart.

Silvers schaute mich an und wartete auf meine Antwort.

Ich ging einen Schritt auf den schwarzhaarigen zu. „Wenn auch nur einer deiner Wölfe ein Schritt zu weit geht, einen meiner Wölfe anrührt, werden wir euch Jagen und die Rache meines Vaters wird euch treffen! Und dich werde ich persönlich umbringen.", mit dem Zeigefinger deutete ich auf die Brust des Alphas und wich seinem Blick nicht aus. „Einverstanden und gleichfalls.", knurrte er mit tiefer Stimme.

Dabei erfasste ich seinen Geruch, er roch himmlisch.
Scheiße!
Ich sah zu Silvers, der zufrieden nickte. Seine Wölfe, die sich vorbereitet hatten einzugreifen, entspannten sich wieder.
„Die Versammlung ist beendet ihr könnt gehen. Auf ein gutes Miteinander!", rief er und machte Anstalten zu gehen.

Aufeinmal tauchte ein sandfarbener Wolf auf, der unbemerkt das Geschehen aus dem Wald beobachtet hatte und die Aufmerksamkeit galt ihm. Er war dünner als die üblichen Wölfe und sein Mund war gefährlich aufgerissen. Seine Zähne blitzten mir bedrohlich entgegen. Es war Sam.

„Was machst du hier Omega?", fragte ich ihn kalt. *Du bist schwach! Sie sind alle hier, wir könnten sie alle töten! Du bist nicht dafür bestimmt Alpha zu sein, du bist nur ein kleines Mädchen! Folgt mir, meine Brüder und Schwestern, wir nehmen Rache, wir töten sie alle!*, seine Stimme klang verrückt und er riss seine Augen auf. Ich fing an zu Knurren, da Vollmond war, brauchte es nicht viel bis wir die Kontrolle verloren und unsere Gestalt änderten. Er setzte zum Angriff an und meine Wut brannte durch. Ich verwandelte mich, ehe ich mich auf den Wolf vor mir stürzte.

Er wollte sich wehren und schnappte nach mir, erfolglos. Ich stieß ihn zu Boden und Silvers warnendes Knurren hielt mich ab ihn zu töten. Ich schaute zu den unter mir liegenden Omega. *Du bist nicht mehr länger ein Teil dieses Rudels, du bist Verbannt! Kommst du wieder, wirst du ohne Gnade getötet. Hast du mich verstanden?*, Ich fletsche meine Zähne und sah zu wie sich der Wolf unter mir hastig befreite und in den dunklen Wald verschwand.

Ich verwandelte mich zurück und Rio streifte mir schnell seine Jacke rüber, ehe die vielen Blicke auf mir landen konnten. Ein tiefes Knurren entkam dem Pierce-Alpha, bevor er ohne Worte mit seinem Rudel kehrt machte.

Ich sah im Anschluss Rhenas blaue Augen, die traurig zu uns schauten. Ich gab Rio per Link zu verstehen, dass er mit ihr reden konnte, wenn er wollte und er rannte zu seiner Schwester, um sich richtig zu verabschieden. Wenigstens das musste ich ihnen gewähren, denn ich fing langsam an zu verstehen, wieso Rhena uns verlassen hatte.

Unauffällig hielt ich Ausschau nach Jayden, es verlieh meinem Herzen einen Stich und ich fühlte mich wie ein Haufen Elend, als ich ihn nicht erblickte. Wieso er?, fragte ich mich. Wieso quälte die Göttin mich so sehr? Ich hasste sein Rudel, ich musste sie hassen, ich musste ihn hassen. Ich hatte mein Rudel, welches ich allein zu führen hatte, welches ich zu leiten hatte, welches ich zu lieben hatte.

Als ich zurück im Anwesen war, schmiss ich mich in mein Bett. Ich rollte mich ein, noch immer mit Rios Jacke an und atmete seinen Duft ein. Er roch gut, aber nicht so gut wie ein gewisser schwarzhaariger, mit wundervollen goldenen Augen. Ich stöhnte laut auf und hielt mir die Hände vors Gesicht. Stunden vergingen, welche ich ohne Pause, mit meinen Gedanken verbrachte und kam zu einem Entschluss.

Snow? Es tut mir leid. Ich muss das jetzt tun, wir sind für das Rudel bestimmt. Dad hat ihnen versichert, dass ich egal was kommt, zu ihnen halte. Egal was mich das kostet.

Das wagst du nicht! Das kannst du nicht machen Mika!, lautes Winseln und Betteln verbreitete sich durch meinem Kopf ehe ich die Worte aussprach.

„Alpha Jayden, ich lehne dich als meinen Mate ab.", die Stimme in meinem Kopf verstummte und ich fühlte mich das erste Mal einsam.

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1262 Wörter

Ich danke Euch für die vielen Stimmen, die Ihr meiner Geschichte gegeben habt! Es bedeutet mir wirklich sehr viel. Danke <3

xoxo

AlphablutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt