10 🩸 Vertraust du mir?

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Tage vergingen. Delia Fells Ermordung rückte immer weiter in den Hintergrund und ich wiegte mich in Sicherheit. Vorerst.

In Zukunft durfte ich nicht mehr so leichtsinnig vorgehen. Das war schlampige Arbeit gewesen - kein Wunder brauchten Hope und Lizzie nicht lange um herauszufinden, dass Delia nicht durch die Hände eines Vampirs starb. Lizzie hatte mit ihren Absaugekräften meinen Illusionszauber abgesaugt, der die Bisswunde auf Delias Hals erscheinen ließ. Zu meinem Vorteil gab es viele Hexen, die die Feierlichkeiten besuchten und ich verbrachte so viel Zeit mit Hope, dass ich hoffentlich nicht auf ihrer Verdächtigenliste auftauchte.

Glücklicherweise war Lizzie eben Lizzie und so fand sie drei Tage später eine neue, viel wichtigere Beschäftigung. Der 17. Geburtstag der Zwillinge stand an und wenn sie gekonnt hätte, hätte sie den Tag vermutlich zu einem landesweiten Feiertag erklärt.

Schnell kehrte in der Schule wieder die übliche Routine ein. Ich langweilte mich wieder im Unterricht und wachte erst aus meinen Tagträumen auf, als Freya Mikaelson in ihrer Magiestunde meinen Namen nannte. ,,Hmm?", machte ich.
,,Ich habe gesagt, dass ich nach der Stunde noch etwas mit dir besprechen möchte", wiederholte Freya.

Ich spannte mich an. Was, wenn es um die Ereignisse bei Miss Mystic Falls ging? Freya war eine mächtige Hexe und könnte mir auf die Schliche gekommen sein.
Es half nichts. Nach der Stunde packte ich Zeitlupe meine Sachen ein und verließ Hope mit einem: ,,Geh schonmal vor."

Vorne am Pult saß Freya. ,,In den vergangenen Tagen haben wir viel Theorie gemacht, aber ab nächster Woche üben wir Schutzzauber. Ich würde bis dahin gerne dein Magieproblem unter Kontrolle haben."

,,Muss das sein?", rutschte mir heraus. Ich biss mir sofort auf die Zunge.

Freya nickte. ,,Schwarze Magie ist ein sehr gefährliches Gebiet der Magie. Ich möchte dir helfen."

,,Glauben Sie, dass Sie die erste sind, die mir helfen wollen?", fragte ich. ,,Sie sind alle gescheitert."

Freya wirkte nicht beeindruckt. ,,Ich wurde jahrelang von meiner Tante erzogen, die zufälligerweise sehr gut darin war, dunkle Magie zu praktizieren. Ich konnte mein Wissen an Hope weitergeben, die als erstgeborene Mikaelsonhexe eine unvorstellbar große Macht besitzt. Ich weiß wie es ist, die Kontrolle zu verlieren."

,,Ich habe es aber unter Kontrolle", behauptete ich. Das fehlte gerade noch, dass Freya meiner Magie auf die Schliche kam.

,,Das werden wir morgen nachmittag sehen. Komm nach dem Unterricht in dieses Klassenzimmer. Ich werde dich erwarten."

•••

,,Was wollte Freya von dir?" Hope wartete draußen im Flur auf mich.
,,Tu nicht so, als ob du nicht an der Tür gelauscht hättest. Ich weiß, dass Werwölfe ein ausgezeichnetes Gehör haben."
Hope grinste schuldbewusst. ,,Erwischt. Ich konnte nicht anders und... Ich weiß, dass du nicht überzeugt bist, aber meine Tante kann dir wirklich helfen. Sie ist die beste in ihrem Gebiet. Wolltest du dich nicht von Katherine lösen? Der erste Schritt wäre, einen neuen Zugang zu deiner eigenen Zauberkraft zu entdecken. Solange deine Quelle direkt aus der Hölle kommt, bist du abhängig von ihr."

Ich wollte Hope gerne glauben, aber ich vertraute Freya ebenso wenig wie ich Katherine vertraute.  Beiden konnte ich nicht unter die Augen treten. Freya belog ich und Katherine erwartete von mir die ultimative Waffe um die Tribridin zu töten (die ich natürlich immer noch nicht besaß).

,,Vielleicht hast du Recht, Miss Superpower", gab ich trotzdem klein bei.
Hope grinste. ,,Ich habe immer Recht. Mein Versprechen, dir bei Katherine zu helfen, ist immer noch gültig. Gemeinsam werden wir das schaffen."

Gemeinsam. Warum löste ihre Worte so ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper aus? Es war warm und brachte mein vor langer Zeit erstarrtes Herz zum Pochen.

,,Heißt das, du vertraust mir?", fragte ich.
Hope schüttelte den Kopf. ,,Nicht in einer Million Jahren. Aber wie heißt es noch so schön? Halte deine Freunde nah und deine Feinde noch näher."
,,Feinde? So siehst du uns?", fragte ich und gaukelte ihr echte Bestürzung vor.
Hope lachte. ,,Das auch nicht. Wir sind irgendwas dazwischen."
,,Das reicht mir", sagte ich. ,,Du kannst ruhig zugeben, dass du mich gegen deinen Willen ein bisschen lieb gewonnen hast, Miss Superpower. Ich verrate es schon keinem."

Wir nahmen in der Bibliothek Platz, die zu dieser Uhrzeit fast menschenleer war. ,,Wieso hast du mich immer noch nicht an Mr Saltzman verraten, wenn du mir nicht traust? Ich habe dir erzählt, dass Katherine Mystic Falls zerstören will. Ist das nicht Grund genug, um mich von der Schule zu werfen?"

,,Du hast mich davon abgehalten, einen riesigen Fehler zu machen. Meinetwegen wäre irgendein verrückter Höllendämon beinahe auf die Schule gejagt worden, weil ich geglaubt habe, er sei mein Vater. Würdest du mir oder jemand anderem an dieser Schule schaden wollen, hättest du schon lange die Gelegenheit dazu gehabt... Das bedeutet aber nicht, dass ich dich nicht weiterhin im Auge behalte, Liebes."

,,Drohst du damit, dass wir noch mehr Zeit miteinander verbringen müssen?", fragte ich und Hope warf ein Kissen nach mir. Lachend warf ich es zurück. Die Tribridin schickte einen magischen Lufthauch in meine Richtung, der mich kitzelte. Ich lachte.
,,Aufhören!"
,,Ist das Drohung genug?", fragte Hope.
,,Du wirst noch bereuen, dich mit mir anzulegen, Hope Andrea Mikaelson!" Immer noch kichernd erhob ich mich von meinem Sessel und kletterte zu Hope auf das Sofa. Ich brauchte keine Magie, um sie auszukitzeln. Die Tribrin wand sich vor Lachen und hörte gar nicht mehr damit auf. Irgendwann fielen wir auf den Boden und ich landete auf Hope. Sie hielt meine Hände fest. Völlig außer Atem sah ich auf sie herunter.

Die Erkenntnis traf mich unerwartet. Gleichzeitig war sie schon immer da gewesen.
Hope war wunderschön.

Es war nicht nur ihr äußeres. Es war die Art, wie sie lachte, die mich irgendwie... verzauberte.

Langsam beugte ich mich hinunter, kam ihrem Gesicht näher. Wie schmeckten wohl diese Lippen?

Denk an deine Mission.
Nur einmal kosten.
Du hast dir noch kein bisschen Mühe gegeben, sie zu töten. Katherine wird dich nie wieder zurück lassen.
Ach, halt den Mund.
Verdammte innere Stimme!

,,Cassie...", flüsterte Hope, aber ihre Stimme verlor sich.
,,Das ist eine schlechte Idee, oder?", hauchte ich.
Hope nickte. ,,Eine grauenvolle sogar."

Trotzdem rührte sich keiner von uns, als erwarteten wir von der jeweils anderen, einen Rückzieher zu machen. Nichts geschah.

,,Das machen meine treuen Diener also, wenn ich nicht hinschaue." Die verdammte Stimme in meinem Kopf gehörte niemand geringerem als Katherine Pierce. ,,Hast du die Anweisung missverstanden, die ich dir gegeben habe, kleine Cassie? Ich sagte töten, nicht küssen."

Ich wollte Katherine anschreien, dass sie einmal in ihrem Leben ihren verdammten Mund halten sollte. Aber ich konnte nicht, da sich ihre Stimme nur in meinem Kopf befand. Trotzdem war ich mir sicher, dass sie uns sah. Katherine erfuhr alles. Und ich konnte es mir nicht leisten, sie noch mehr zu verärgern.

Ich zog mich zurück. ,,Es tut mir Leid, aber wir sollten..."
,,Schon gut. Ich habe sowieso noch andere Pläne."
Ich glaubte ihr kein Wort, aber Hope rappelte sich schon hoch und stürmte aus der Bibliothek.

Das war merkwürdig gewesen. Und auf eine bestimmte Art und Weise hatte es mir gefallen.

Was passierte nur mit mir? Ich war hergekommen, um sie umzubringen. Scheiterte ich, bekam ich meine Unsterblichkeit nie wieder zurück.

Wäre das so schlimm?
Ich hasste diese hartnäckige Stimme in meinem Kopf. Von nun an durfte ich mich nicht mehr von Hope ablenken lassen.

Wenn das nur so einfach wäre...

𝘩𝘦𝘭𝘭𝘧𝘪𝘳𝘦 ʰᵒᵖᵉ ᵐⁱᵏᵃᵉˡˢᵒⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt