11 🩸 Ich war niemals glücklich

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,,Du bist unkonzentriert", sagte Freya vorwurfsvoll. In ihren Augen lag eine Strenge, die sie im Unterricht normalerweise selten zeigte.
,,Wir sind seit Stunden hier. Natürlich bin ich unkonzentriert", brummte ich frustriert, weil ich einfach nicht hinbekam, was sie von mir verlangte.
Der Nachhilfeunterricht in Magie erzielte keine zufriedenstellenden Ergebnisse.
Freya blieb hartnäckig. ,,Nein, das ist nicht das Problem. Du warst schon unkonzentriert als wir angefangen haben. Etwas blockiert dich. Lass die Gedanken los und kämpf nicht dagegen an."

Ich wollte aber nicht loslassen. Meine Kraftquelle für Magie war der Grund, warum ich meine gesamte Macht überhaupt erst besaß. Ohne sie war ich nichts. Bevor meine Eltern mich zwangen, meine Magie aus der Dunkelheit zu beziehen, war ich höchstens eine durchschnittliche Hexe ohne natürliche Begabgung gewesen. Ich will nicht wieder sie sein. Ich will weiterhin die gefürchtete Cassandra Crawford aus der Hölle sein.

Und dann war da Hope. Hope, der ich einerseits ein Messer zwischen die Rippen stoßen wollte, um wieder nach Hause zu können und andererseits sehnte ich mich danach, jede freie Minute mit ihr zu verbringen.

Ich schleuderte die Blumenvase, mit der wir geübt hatten, mit bloßer Gedankenkraft gegen die Wand. Das Material zerbarst in tausend Stücke.

,,Du versuchst es nicht richtig", sagte Freya. Sie streckte ihre Hand aus und bewegte sie langsam nach links. Die Scherben vernachlässigten das Gesetz der Schwerkraft und setzten sich wieder zu einer Vase zusammen. ,,Du sollst die Vase nicht zerschmettern. Forme etwas neues aus ihr. Erschaffe etwas."

,,Ich erinnere mich nicht daran, dass ich auf Sie hören muss", gab ich schnippisch zurück.
,,Wenn du weiterhin Zeit mit meiner Nichte verbringen willst, solltest du dir meine Anweisungen zu Herzen nehmen. Ich habe meinem Bruder geschworen sie vor allen Gefahren zu schützen und es gefällt mir nicht, wie du um sie herumschleichst. Erfülle meine Aufgabe oder ich sorge dafür, dass du nicht mehr in Hopes Nähe kommst."

Wut war nicht die beste Voraussetzung für einen Zauber, der auf Feinheit und Konzentration ausgerichtet war.
Trotzig konzentrierte ich mich auf die Vase und stellte mir vor, das Material zu verformen. Immer wieder drängte sich das Bedürfnis in den Vordergrund, Freya statt der Vase zu zerquetschen. Für wen hielt sie sich eigentlich? Sie würde mir nicht verbieten, Zeit mit Hope zu verbringen! Niemals.

Plötzlich schmolz die Vase in sich zusammen. Zurück blieb ein undefinierbarer Klumpen, der wie ein Stück Abfall auf den Boden knallte.

Ich wollte einen Kommentar dazu abgeben, aber Freya war schneller. Sie nahm meine Hand und schob meinen Ärmel ein Stück hoch. Das Blut in meinen Adern hatte sich pechschwarz gefärbt. Trotz meines dunklen Teints war nicht zu übersehen, dass ich verbotene Magie praktizierte.

,,Siehst du das? Eines Tages wird es dich verschlingen", sagte Freya ernst. ,,Macht kann süchtig machen und dann überschätzt man sich."

Ich zog meinen Arm zurück und verdeckte die schwarzen Adern. ,,Das geht Sie nichts an. Wann akzeptieren Sie endlich, dass ich keinen Kontakt mehr zur Erde herstellen kann?"

Freya antwortete nicht. Nachdenklich starrte sie auf ein Foto auf ihrem Schreibtisch. Es war ein Hochzeitsfoto. Die Blondine war Freya, daneben stand eine andere Braut. Ebenso entdeckte ich Hope und Rebekah und ein paar andere Personen, die ich nicht kannte.

,,Was macht dich glücklich?", fragte sie auf einmal.

Am liebsten wäre ich in Gelächter ausgebrochen. Was glaubte sie denn, was sie mit dieser Frage bezweckte? ,,Vergessen Sie es. Ich habe keine große glückliche Familie, die mich sentimental werden lässt", antwortete ich.

,,Nein. Das ist mein Glück. Was ist deines? Es hilft sich auf eine Erinnerung zu fokussieren, die einen zum Lächeln bringt."

Emotionen wie Glück existierten in der Hölle nicht. Das war immerhin Sinn der Sache. Den Seelen jedes Glück zu rauben. Mit Schmerz und Leid kannte ich mich besser aus. Warum war das nicht der Schlüssel? Meine Gedanken schweiften zu Lizzies Party. Da hatte ich zum ersten Mal losgelassen und hinterher geschworen, mir nie wieder einen solchen Fehltritt zu erlauben.

𝘩𝘦𝘭𝘭𝘧𝘪𝘳𝘦 ʰᵒᵖᵉ ᵐⁱᵏᵃᵉˡˢᵒⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt