Eine einzige positive Sache hat mein Zusammenstoß mit dem Schönling; ich bin WACH. Die Müdigkeit, von der ich eigentlich immer den ganzen Tag etwas habe, wenn ich viel zu viel getrunken habe, ist komplett verschwunden. Stattdessen ist da so eine... abgeschottete Seite an der Oberhand . Und das macht mir mehr Angst als jeglicher Wutausbruch.
Im Unterricht muss ich irgendeinen Typen nach einen Blatt fragen. Keine große Sache für andere, für mich ist es so, als müsste ich um sonst was bitten. Ich bin halt nicht normal. Es regt mich auf andere um Hilfe zu bitten, oder sie auch nur im Entferntesten angeboten zu bekommen. Es gibt mir mehr als alles andere das Gefühl, so klein zwischen den anderen zu sein, mehr Probleme zu haben. Ich weiß doch selber, dass etwas nicht mit mir stimmt, aber müssen mir ihre mitleidigen Blicken das auch noch bestätigen?
Nett, dass ihr mir helfen wollt, aber mir kann man nicht mehr helfen, schon lange nicht mehr. Solltest du jetzt Mitleid haben, tu mir den Gefallen, guck in den Spiegel und sei froh, dass du halbwegs normal bist.
*
Als ich im Unterricht sitze, döse ich zwar nicht weg, wie sonst immer, aber beteiligen tu ich mich trotzdem nicht. Okay ich gebe zu, dass ich mich eigentlich in allen Fächern nicht wirklich melde, sondern höchstens physisch anwesend bin und nur ab und zu den Mund aufmache und so tue, als hätte ich irgendwas im Hirn. Die erwarten Dinge, die sie selbst gar nicht mehr können unduns deshalb bitten, es ihnen besser zu erklären. Sollen die sich das selber beibringen.
Wie erwartet ist Luis in der Pause zur dritten Stunde da, ich sehe ihn jedoch nur kurz, weil die nächste Stunde schon bald anfängt, er muss sich also beeilen, wenn er nicht zu spät kommen will. Eine der Voraussetzungen, problemlos schwänzen zu können, ist einfach: Man darf nicht auffallen. Weder durch's Aussehen, oder durch irgendwelche Verhaltensweisen, die aus der Menge hervorstechen. Die Lehrer sehen über dich hinweg, wenn du weder alle Antworten auf alles weißt, noch durch zu lautes Reden oder Schnarchen auffällt. Verschmelzen mit der Masse, das ist das beste, was sie kann. Klar, es macht vielleicht den ein oder anderen einsam, aber ich bin nicht der Typ, der so auf enge Beziehung steht oder Regeln, die unausgeschrieben in der Luft hängen und unverzeihlich sind, wenn man sie bricht. Einer der Gründe, warum ich bis jetzt noch nie mit einem Mädchen zusammen gewesen bin. Zu sehen, wie sich manche von ihnen an die wJungs, die irgendwie auffallen, kleben, nur damit sie andere auch bemerken, sollte es nicht mit dem klappen. Es gibt ja nicht genügend auf der Welt.
Wenn ich erst anfange, ich über etwas aufzuregen, steigere ich mich dann immer so sehr da rein, dass ich nicht mehr aufhören kann. Als sich auch noch das Gesicht diese verdammten Jungen dazwischenschiebt, platzt mir endgültig der Kragen.
Der Lehrer weiß wahrscheinlich gar nicht, dass er nicht nur mich, sondern auch sich selbst und die anderen vor meiner Wut rettet.
Wenn ich wütend bin, sehe ich nichts, ich höre nichts und weiß auch nicht mehr, was richtig und falsch ist und mich später wieder einholt.
Sobald ich so unauffällig wie möglich die Klasse verlasse, sprinte ich davon, nach unten zu dem einzigen Korridor, wo außerhalb der Pausen niemand rumlungert. Besser für sie.
Ich lasse die Stirn gegen das kühle Metall der Spindtüren sinken.
Meine Hände zittern.
Lass es.
Wie von selbst hebe ich den Kopf und lasse ihn mit einem lauten Krachen gegen die Tür fallen. Das Geräusch hallt vom den weißen, kahlen Wänden wider. So komisch es sich auch anhört, es beruhigt mich. Ich bin vielleicht aggressiv, aber wenn es sich vermeiden lässt, bleibt diese Wut bei mir.
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The Distance between us
RomanceIch nenne es extra Kreislauf und nicht Routine. Routinen versprechen eine Ordnung, der man gerne nachgeht. Aber ich gehe nicht gerne meinem Alltag nach. Ich stehe nicht gerne auf, weil ich genau weiß, dass alles, was passieren wird, mich wütend mach...