Den Rest der Mittagspause haben wir einfach nur damit verbracht, dass er mir erklärt, wie ich in Mathe vielleicht noch gerade so durchhalten kann, aber ich hatte mich nicht darauf konzentrieren können, sondern nur darauf wie seine Stimme klingt, wie er die Hände benutzt um bestimmte für ihn wichtige Dinge zu unterstreichen. Am meisten aber habe ich das Gefühl, dass er mich noch immer umarmt. Dass ich seinen Geruch in meiner Nase habe, seine Hände, die sanft über meinen Rücken über meine Wirbelsäule streicht.
Ich habe das bekommen, was ich diesem Moment an meisten gebraucht habe und er hat es mir gegeben, ohne mit der Wimper zu zucken.
Alec hat mir am Ende noch so gut es ging, erklärt, wie ich am besten meine Matheaufgaben machen kann, um sich komplett nicht dumm zu fühlen.
Ich sitze am Schreibtisch, habe die Musik, wie immer so laut gedreht, dass ich nichts um mich herum wahrnehme, geschweige denn höre und schlage mit den Bleistift auf der leere Papier vor mir, die Notizen, die Alec and ich gemacht haben, links neben mir.Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich die Aufgabe jetzt hin bekomme. Meine Konzentration ist nur gerade absolut im Arsch und ich bin mir absolut bewusst, dass ich arbeiten sollte, statt der Gedanken weiter nachzujagen oder näher darauf einzugehen, lausche ich auf die Musik und verdränge alles, was nichts mit dem, was vor mir liegt, zu tun hat.
ich sehe auf die Uhr.
16:16 Uhr
Mom müsste seit ungefähr sechs Minuten schon wieder von der Arbeit da sein. Aber wieder hoffe ich, dass sie mir Bescheid sagt, wenn sie da ist. Schließlich hat Sie mich ja heute morgen einfach ignoriert und ist ohne Wort von Zuhause verschwunden.Es wird bald irgendetwas schlimmes passieren.
Ich denke es nicht nur, ich kann es jetzt schon fühlen, geradezu....
Als hätte ich es damit heraufbeschworen, werden mir mit aller Macht meine Kopfhörer aus den Ohren gezogen.
"Sag mail, Mom, geht's dir noch gut? Die waren verdammt tuver!"Ich weiß, dass man nicht so mit seinen Eltern spricht, besonders nicht dann, wenn Sie sauer sind. Als ihr Sohn weiß ich, was sie beruhigt und noch mehr reizt, aber wieso muss ich als ihr Kind immer Rücksicht auf sie nehmen? Wann hat sie sich das Letzte Mal ernsthaft um mich gekümmert and mich vielleicht mal gefragt, wie es mir wirklich geht?
Stattdessen erwartet sie, dass ich schon aller auf die Reihe bekomme. Ich bin ja schließlich schon alt genug, oder? Ist das nicht der Spruch, den alle Kids zu hören bekommen, wenn ihre Eltern langsam merken, wie arrogant ihr Kind ist. Ich wünschte es wäre so.
Ich sitze da und drehe mich mich zu Mom um,die meine Kopfhörer in der Hand hält und mich anstarrt.
Ihre grau-blauen Auges blitzen wütend zurück.Ernsthaft? Sie ist sauer auf mich?
Sollte mein Blut nicht wie sonst auch durch die Ohren rauschen und zwar so laut, dass ich nichts anderes höre und wahrnehme als die heiße Wut, die sich in pure Kraft umwandle und ich meinen kompletten Körper deshalb anspanne?Wir haben die Rollen getauscht.
Nun entsteht eher das Eindruck, als wäre sie einem Tobsuchtanfall nahe, da erklärt sich auch meine Aggression and Impulsivität - während Ich im Vergleich dazu komplett ruhig bin.
"Dürfte ich jetzt meine Hausaufgaben weitermachen..?", frage ich betont ruhig und lehne mich entspannt zurück.In Moms Gesicht zuckt ein Muskel.
Ich blinzle langsam und setzte ein Lächeln auf, auf welches jeder Regisseur Stolz gewesen wäre."Los, sag was du sagen willst, ist unheimlich befreiend, ehrlich. Klar, am Ende bereut man natürlich so manches, aber hey, lebe im Moment."
"Sei endlich ruhig, Cole!"Sie sieht mich an, als wäre ich ein Fremder für sie.
Nicht der Junge, den Sie früher auf den Schoß über die Haare gestrichen and getröstet hat, wenn es weinend zu ihr kam. Nicht der, der bei ihr geblieben ist, wenn Dad arbeiten war, obwohl sie krank war.Was habe ich ihr angetan, dass sie mich so sehr hasst?
"Nein, ich bin nicht ruhig. Weißt du eigentlich, wie weh es tut? Warum hasst du mich so sehr? Hast du nicht angefangen mich wie ein fremder Kind zu behandeln, als ich bei dir geblieben bin, statt zu Declan und Dad zu ziehen? Du musst mir nicht auch noch zeigen, wie abstoßend und anders ich bin! Das weiß ich schon selbst!"
Ich versuche nicht wie sonst immer, meine heißen Tränen zurück zuhalten und so zu tun, als wäre ich unberührbar. Verdammt, es tut so weh, so alleine zu sein und alles von selbst auf die Beine zu liegen!
Müssten sie nicht mittlerweile stark genug sein, alles halten zu können und mich aufrecht zu erhalten? Ohne das ich Angst habe jeden weiteren Schritt, jeden verdammte Atemzug zusammen zu brechen?
„Warum hasst du dein eigenes Kind so sehr ?" Ich will sie anschreien, all diesen Schmerz auf meiner Brust rausschreien und endlich aufatmen können, aber ich bringe nur ein ersticktes, leises Schluchzen heraus.Ich rutsche von meinem Stuhl, auf dem Boden und sitze da auf den Knien und weine hemmungslos. Ich warte darauf, dass Mom zu mir hinunterbeugt und ihre warmen, weichen Hände sanft über meinen Kopf streichen und mir sagt, wie sehr sie mich liebt. Mir die Tränen aus dem Gesicht streicht und mich an sich drückt.
Ich bin echt dumm, wenn ich noch an solche Kinderfantasien glaube.
Die Realität ist anders, sie ist hart.
Ich weiß, dass Mom noch immer dort steht, wo sie es bis vor wenigen Minute noch getan hat. Ich sehe zwar nicht mehr die Innerflächen meiner Hände, aber trotzdem spüre ich ihren Blick auf mir.
Sie sagt und tut auch nichts von dem, was sie früher immer getan hat. Sie steht nur da and sieht auf mich runter. Vielleicht freut sie sich ja darüber, wie kaputt und gebrochen ich mittlerweile durch all das hier bin. Vielleicht findet sie ja langsam gefallen daran, mir wehzutun.
"Geh endlich weg" flüstere ich.
"Bleib hier und umarme mich", schreit ein früherer Teil von mir. Der Teil, der früher an das Gute geglaubt hat. Aber auch der zerbricht in tausende Scherben, als Moms Schritte einsetzen und ich höre, wie sie die Tür hinter sich schlägt, als sie das Zimmer verlässt.Ein Schmerzensschrei verlässt meinen Mund.
Ich bin alleine.
Ich rolle mich auf dem Boden zu einer kleinen Kugel zusammen und weine leise in die Stille.
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The Distance between us
RomanceIch nenne es extra Kreislauf und nicht Routine. Routinen versprechen eine Ordnung, der man gerne nachgeht. Aber ich gehe nicht gerne meinem Alltag nach. Ich stehe nicht gerne auf, weil ich genau weiß, dass alles, was passieren wird, mich wütend mach...