Kapitel 2 - Teil 13

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„Na dann, hereinspaziert.", lädt Naomasa mich ein und schließt die Tür auf.
Dann wollen wir mal.

Er zieht sich Schuhe und Jacke aus und führt mich ins Wohnzimmer, welches direkt mit der Küche verbunden ist. Da ich immer noch im Schlafanzug – und barfuß – bin, tapse ich ihm einfach so hinterher. „Also-", setzt Naomasa an,
„Ich schlage vor, dass wir jetzt etwas essen und dann direkt ins Bett gehen. Es war ein anstrengender Tag und du bist sicher genauso erschöpft wie ich. Ähm, du kannst das Gästezimmer beziehen. Zahnbürste und Haarbürste habe ich für dich, Klamotten sehen allerdings rar aus.
Zum Glück hat meine Nichte hier ein paar Klamotten gebunkert, da sie hier des Öfteren übernachtet. Die werden dir zwar ein bisschen zu weit sein, aber für heut wird's gehen. Morgen besorgen wir dir dann neue Sachen."

Einwände habe ich gegen diesen Vorschlag sicher nicht. Nur eine Sache gibt mir zu denken. „Okay, so können wir es gerne machen, aber... ich hab gar kein Geld für neue Klamotten oder andere Dinge, die ich brauchen werde."
Hilflos sehe ich Naomasa an. „Ach, mach dir darüber mal keinen Kopf. Ich werde die Kosten übernehmen und vielleicht zahlt mir die UA was zurück. Wir werden sehen. Aber selbst, wenn nicht, ist das kein Problem für mich."

„Vielen Dank!" Ich verbeuge mich leicht vor ihm, doch er winkt ab.
„So, dann gebe ich dir jetzt was anderes zum Anziehen und zeige dir das Bad."
Mit diesen Worten und einem zufriedenen Gesichtsausdruck dreht er sich um und bedeutet mir zu folgen.

Er gibt mir einige Klamotten -darunter ein Schlafanzug, der meinem gar nicht so unähnlich ist- und lässt mich dann im Bad alleine. Diese friedlichen Minuten in denen ich meiner gewohnten Routine folgen kann, beruhigen mich ungemein.
Der Tag war viel zu aufregend und voller lebensgefährlicher Situationen, da tut ein bisschen Gewohnheit einfach gut. Vor allem in dieser mir so fremden und zugleich so bekannten Welt.

Doch dieser Frieden währt nicht lange. Scheiße! Die Gewohnheit führt meine Hand an mein rechtes Handgelenk, doch anders als sonst, finde ich dort nichts.
Erneute Panik macht sich in mir breit. Dieses Mal ist jedoch nicht mein Leben in Gefahr, sondern etwas anderes.
Er ist weg! Nein, das kann nicht sein! Wo ist er?! Hab ich ihn etwa verloren? Nein! Nein!!!

Hektisch wühle ich in meinen zu Boden geworfenen Klamotten, auf einer inständigen Suche. Nach kurzer Zeit atme ich erleichtert aus.
Wie einen Schatz drücke ich meinen fast verloren geglaubten Haargummi an meine Brust. Meine Finger verkrampfen sich sogar ein wenig, so sehr hat mich der Gedanke an einen Verlust geängstigt.

Denn dieser Haargummi ist mit Abstand mein wichtigstes Besitztum. Er ist das Einzige, das ich noch von meinen leiblichen Eltern habe. Er ist ein Andenken an die Menschen, die ich nie kennengelernt habe. Zumindest nicht, dass ich mich erinnern würde.
Durch ihn fühle ich mich mit meinen Eltern verbunden.

Außerdem ist er wunderschön. Denn das filigrane schwarze Band wird von zwei niedlichen kleinen Anhängern geschmückt. Einem Flügel und einer Feder. Beide sind in ein bezauberndes Blütenweiß getaucht.

Wenn ich einsam bin, habe ich mir immer vorgestellt, wie meine Eltern die Anhänger liebevoll und mit größter Sorgfalt für mich ausgewählt haben.
Ich habe mir vorgestellt, dass ich gewollt war und sie keine andere Möglichkeit hatten, als mich zu verlassen. Mich zurück zu lassen. Dass sie mich lieben. Immer noch.

Und damals wie heute beruhigt mich diese Vorstellung. Sie lässt mich runterkommen und die schmerzliche Realität ein klein wenig vergessen.
Doch sie weckt auch die Sehnsucht, mit richtigen Eltern aufwachsen zu können. Eltern, die mein Blut teilen.

Kurzerhand binde ich mir einen Pferdeschwanz und gehe dann wieder zu Naomasa, den ich in der Küche finde. Diese verströmt einen vielversprechenden Geruch. „Mmh. Das reicht aber lecker.", seufze ich sehnsüchtig.
Erst bei diesem Duft wird mir klar, wie schrecklich leer sich mein Magen doch anfühlt. Essen ist jetzt genau das Richtige!
„Ist auch gleich fertig. Magst du die Teller und Besteck schnell auf dem Tisch verteilen?", fragt er mich.
„Gerne doch." Freudige Erwartung macht sich in mir breit.

Nachdem wir das köstliche Mahl gegessen haben und sich mein Bauch wohlig-prall gefüllt anfühlt, zeigt Naomasa mir das Gästezimmer. Sein Zimmer befindet sich auch im zweiten Stock, jedoch um die Ecke.

Das mir zugeteilte Zimmer ist recht schlicht eingerichtet, aber mit allem ausgestattet, was man benötigt. Es hat ein Bett, einen Schrank und auch einen Schreibtisch samt Stuhl.
Ein großes Fenster gibt direkt über dem Bett Ausblick nach draußen. Momentan ist dieser jedoch von Vorhängen verdeckt. Wie weit man bei Tag wohl kucken kann?

Schließlich wünsche ich Naomasa noch eine gute Nacht und husche dann im dunklen in mein Bett. Die Matratze fühlt sich so weich an, dass mich die Müdigkeit jetzt endgültig übermannt.
So lang hat sich ein Tag noch nie angefühlt.

Mann, bin ich müde!
Schläfrig gähne ich noch ein letztes Mal, dann sinke ich in meinenwohlverdienten Schlaf.

MHA FF - Zwei Geschwister (OC x Shoto)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt