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Ein halbes Jahr war vergangen, seit Henry, der Herzog von Cambridge, um meine Hand angehalten hatte. Die Nachricht von unserer Verlobung hatte sich rasch verbreitet und sorgte für reichlich Gesprächsstoff in der High Society. Sowohl meine Familie als auch Constance, Henrys Mutter, zeigten sich begeistert von der bevorstehenden Hochzeit.

Seitdem verging die Zeit wie im Flug und nun stand unsere Hochzeit in weniger als vier Wochen bevor. In dieser Zeit sah ich Henry nicht so oft, da er in Cambridge residierte, während ich weiterhin in London lebte. Dennoch bemühte er sich so oft wie möglich, mich und meine Familie zu besuchen. Währenddessen kümmerte ich mich um die Hochzeitsvorbereitungen und versuchte, alles für unseren großen Tag vorzubereiten.

Heute war ein besonders schöner Tag. Die Sonne schien am blauen Himmel und ein sanfter Wind strich durch die Straßen Londons. Meine Familie beschloss, diesen Tag zu nutzen, um einen Spaziergang durch den nahegelegenen Park zu machen. Gemeinsam schlenderten wir zwischen den Bäumen hindurch. William und Victoria waren an meiner Seite.

"Kannst du glauben, dass du in wenigen Wochen verheiratet bist?", fragte Victoria mich mit einem breiten Lächeln.

"Mit dem Herzog", fügte William hinzu, während er mich mit einem neckischen Grinsen ansah.

Ich lächelte zurück und nickte. "Ja, es ist alles so aufregend und gleichzeitig surreal. Es wird traumhaft schön werden."

Es war ein wahrer Glücksfall, dass alles so gekommen war. Die Flucht, die Zeit, die ich mit Henry verbracht hatte - all das hatte sich als richtige Entscheidung erwiesen. Nun stand ich kurz davor, den Mann zu heiraten, den ich über alles liebte und dem mein Herz gehörte.

Die bevorstehende Ehe mit Henry bot mir nicht nur persönliches Glück, sondern auch die Möglichkeit, mich für diejenigen einzusetzen, die weniger privilegiert waren. Als zukünftige Herzogin von Cambridge würde ich eine Stimme haben, die gehört würde und ich wollte diese Stimme nutzen, um den Bedürftigen zu helfen. Henry war selbst einmal einer von ihnen, daher wusste ich, dass er mich in meinem Vorhaben unterstützen würde.

Während wir uns auf einer Bank im Park niederließen und meine Eltern sich mit anderen Spaziergängern unterhielten, sah mein Bruder plötzlich besorgniserregend aus.

"Sieh mal, Lizzy, Lord Collingwood ist zurück von seiner Reise", sagte er mit einem skeptischen Blick.

Ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich den Namen hörte und meine Nackenhaare stellten sich auf. Albert Collingwoods Anwesenheit bereitete mir Unbehagen. Meine Geschwister und ich waren nicht an einer Unterhaltung interessiert und standen auf, doch er kam geradewegs auf uns zu.

"Was kann ich für Sie tun, Lord Collingwood?", fragte ich mit eisiger Kälte in meiner Stimme.

Er lächelte mich auf eine unangenehme Weise an. "Wie ist es so, mit meinem ehemaligen Bediensteten verlobt zu sein?"

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus, als ich seine Worte hörte. Doch ich behielt meine Fassung und blieb ruhig. "Besser als jemals mit Ihnen, das kann ich Ihnen versichern. Wenn Sie mich und meine Geschwister nun entschuldigen würden ..."

Auf den Gesichtern meiner Geschwister bildete sich ein süffisantes Grinsen, doch der Lord ließ sich nicht davon beirren. "Ich finde, Sie schulden mir etwas."

Obwohl ich mich gerade abwenden wollte, blieb ich abrupt stehen, als Albert Collingwood diese Worte aussprach. "Ich soll Ihnen etwas schulden?", wiederholte ich ungläubig.

"So ist es", antwortete er mit einem überheblichen Grinsen. "Sie haben mir meine Chance auf eine Gattin genommen. Sie haben mir Hoffnungen gemacht, mich Ihnen den Hof machen lassen und mich gedemütigt, indem sie sich mit meinem Bediensteten angefreundet haben. Ausgenutzt haben Sie mich. Den Boxkampf wollten Sie auch nur wegen ihm sehen. Das sollten Sie nicht einfach so stehenlassen."

Mein Bruder William mischte sich ein, seine Stimme fest und rau. "Es wäre angebracht, wenn Sie jetzt gehen würden, Lord Collingwood. Und ich erinnere Sie daran, dass Sie meiner Schwester nie wieder zu nahe kommen sollten. Das haben wir schon einmal klargestellt. Und ich versichere Ihnen, Sie möchten nicht herausfinden, was passiert, wenn Sie sich nicht daran halten."

Albert schnaubte und wich einen Schritt zurück, seine Augen funkelten vor Wut. "Ich lasse mich von Ihnen nicht bedrohen, Lancaster", fauchte er. "Und glauben Sie mir, ich bin noch nicht fertig."

William trat einen Schritt näher, seine Gestalt drohend. "Dann sollten Sie besser verschwinden, bevor es noch schlimmer für Sie wird."

Albert warf mir einen letzten wütenden Blick zu, bevor er sich abrupt umdrehte und davonstürmte.

♕♕♕

Als ich den Salon unseres Anwesens betrat, sah ich Henry dort sitzen, vertieft in die Tageszeitung. Mein Herz machte einen Sprung, besonders nach der Situation im Park vorhin.

"Mein lieber Herzog, was macht Ihr denn hier?", fragte ich überrascht.

Er stand auf und trat auf mich zu, um mich mit einem höflichen Handkuss zu begrüßen. Ein warmes Gefühl durchströmte mich bei dieser Geste der Höflichkeit und Zuneigung.

"Ich habe meine Pläne geändert", erklärte er ruhig und hielt meine Hand. Es war eine kleine Geste, aber sie bedeutete mir viel. Trotz unserer Verlobung und der starken Zuneigung, die wir füreinander empfanden, war es uns wichtig, die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen zu respektieren. Dennoch konnten wir hin und wieder Momente der Nähe genießen, wenn wir alleine waren. Mein Herz schlug schneller und ich erwiderte sein Lächeln. Es war schön, ihn bei mir zu haben.

"Ihr wirkt aufgebracht. Ist alles in Ordnung?", fragte er vorsichtig und geleitete mich zum Sofa, als William und Victoria ebenfalls zu uns kamen.

"Wie schön, dass Sie uns wieder mit Ihrer Anwesenheit beehren", begrüßte meine Schwester ihren zukünftigen Schwager. Doch Henry hatte nur Augen für mich.

"Also?"

Ich überlegte kurz, sah zu meinen Geschwistern und erzählte dann von dem Auftreten des Lord Collingwoods.

"Es ist nichts, worüber ihr euch Sorgen machen müsst. Lord Collingwood war einfach wieder einmal unhöflich und unangenehm. Aber William hat die Situation im Griff gehabt", versuchte ich, die Situation herunterzuspielen, obwohl ich innerlich noch immer aufgewühlt war.

"Ich fürchte, es gibt doch Grund zur Sorge", mischte sich mein Bruder ein. "Lord Collingwood wollte eine Entschädigung für das, was er durchgemacht hat. Er behauptet, dass sein Versuch, um Elizabeths Hand anzuhalten, von ihr ausgenutzt wurde, um Kontakt zu Ihnen aufzubauen. Es tut mir leid, aber ich habe ihm noch einmal klargemacht, dass er keine Ansprüche stellen darf. Das, was Albert getan hat, ist unverzeihlich."

Henry runzelte die Stirn und ballte die Fäuste vor Wut. "Das ist in der Tat unverzeihlich. Ich werde sicherstellen, dass Albert weiß, dass er sich nicht mehr in unsere Angelegenheiten einzumischen hat. Niemand sollte versuchen, auf diese Weise Einfluss auf uns zu nehmen."

William nickte zustimmend. "Ich habe ihm klargemacht, dass er sich von euch fernhalten soll. Ich hoffe, er hat verstanden."

"Ich werde ihm einen Besuch abstatten und persönlich mit ihm sprechen", erklärte Henry. Doch in dem Moment, als er seine Worte aussprach, spürte ich ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen aufsteigen. Alles, was ich wollte, war, die ganze Sache einfach zu vergessen und mich auf die bevorstehende Hochzeit zu freuen.

"Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich mitkomme?", fragte William und blickte abwechselnd zwischen Henry und mir. Henry stimmte sofort zu. "Nicht im Geringsten. Es geht um die Ehre Eurer Schwester, Lord Lancaster. Ich würde es sogar sehr begrüßen."

Bevor meine Schwester und ich auch nur reagieren konnten, hatten die beiden Männer sich bereits auf den Weg gemacht.

Royal Escape (ONC 2024)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt