»Die Menschen sind ein mickriges und unstetes Volk«, begann Prinz Taranis seine Rede vor den zwanzigtausend Elfenkriegern, die heute ausziehen würden. »Ihre Lebensspanne ist zu kurz, um Meisterschaft in irgendeine Disziplin zu erlangen. Sie sind unfähig lanfristige Entscheidungen zu treffen, die Ereignisse beeinflussen können, die Jahrhunderte in der Zukunft liegen. Niemals können sie erhoffen unsere Größe zu erreichen, weswegen sie sich in Alchemie und anderen Schnickschnack verlieren. Niemals können sie hoffen so vortrefflich mit dem Bogen zu schießen, wie wir, weswegen sie das verflucht Schießpulver erfanden. Niemals können sie hoffen so schöne und geschwinde Schiffe wie die unsrigen zu bauen, weswegen sie diese hässlichen Schildkrötenschiffe schmiedeten. In ihrer jämmerlichen Kurzsichtigkeit können sie nicht verstehen, was es bedeutet uns zu vernichten. Wir Elfen sind die größte und vortrefflichste Rasse der Welt und keine noch so kümmerliche Erfindung aus der Hand der Sterblichen wird jemals etwas daran ändern. Ohne uns wird der Kontinent ein Ort ohne Schönheit und Perfektion. Deswegen müssen wir...«
»Sollen wir wirklich mitziehen?«, flüsterte Numantia in Damasias Ohr. »Ich finde, wir sollten stattdessen versuchen in die verbotene Zone einzudringen und gucken, was die Göttin dort für uns bereithält.«
»Und unsere Hinrichtung riskieren?«, entgegnete die rothaarige Bogenschützin. »Die Eingänge werden noch immer bewacht. Wenn man uns erwischt, gibt es niemanden mehr, der von dem Geheimnis weiß.«
»Sollten wir es dann nicht doch jemanden sagen?«
»Wem vertraust du denn hier? Lieber würden die meisten hier mit einem Menschen schlafen, als die verbotene Zone zu betreten...«
»Was sollen wir denn dann machen?«
»Wir ziehen erstmal mit. Wer weiß, vielleicht können wir die nächste Schlacht gewinnen und so etwas Zeit gewinnen...«
Keine der beiden hörte mehr zu, während der Prinz immer weiterredete und das Volk der Elfen preiste und lobte. Mit keinem Wort erwähnte er, wie es denn zu der momentanen Lage gekommen war und was sie tun konnten, um ihren Untergang zu verhindern, außer weiter an ihre Überlegenheit zu glauben.
Derweil gingen an der Front die Scharmützel weiter. Präfekt Tiberius hatte die Hälfte seines Heeres in kleinere Einheit aufgeteilt, die nun die Menschen so gut es ging mit Nadelstichangriffen verlangsamten.
Zu einer dieser Kompanien war allerdings der Kontakt abgebrochen. Paladin Hextus wurde ausgeschickt, um auszukundschaften, was geschehen war.
»Verstärkungen der Menschen sollten inzwischen eingetroffen sein«, meinte er, während er und seine dreißig Krieger durch den dichten Morgennebel auf die Lichtung vorrückten, wo das Gefecht stattgefunden haben musste. »Wurden sie eingekreist? Hat die Überzahl sie erdrückt?«
»Besteht denn noch Hoffnung, Herr, sie lebend zu finden?«
»Hörst du denn Kampfgeräusche?«, stellte er trocken als Antwort fest.
Die milchigen Schwaden waren so dicht, dass selbst seine geübten Augen kaum etwas vor sich ausmachen konnten. Zum Glück bedeutete dies aber umgekehrt auch, dass die Menschen ihn auch nicht sehen würden.
Sie erreichten die Lichtung. Langes Gras und wilde Sträucher leckten an ihren Panzerungen. Angestrengt schaute er nach vorne, doch da war nichts als Nebel. Ob die Menschen noch immer hier waren?
Neben ihm erklang plötzlich ein Knacken und ein helles Klingen ertönte.
»Was zum...?«
»Eine Falle«, meinte eine jüngeren Elfin aus der Gruppe mit zittriger Stimme und zog ihre Fuß aus einem verborgenen Loch. »Das ist eine kleine Glocke und...«
Sie wurde nach hinten gerissen. Beinahe so, als ob eine Kanonenkugel sie getroffen hätte. Doch da war kein Donnern einer Explosion gewesen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Hextus ein Schemen, der die Nebelschwaden durcheinanderwirbelte.
Er schaute hinab auf die Leiche. Ein Loch war in ihrer linken Gesichtshälfte. Das Leben verschwand gerade aus ihren Augen.
Weitere Mitglieder seiner Einheit fielen um ihn herum nieder. Dann kam ein Schwarm Bolzen.
Hextus wich so gut aus, wie er konnte, doch eines der Projektile bohrte sich in seinen rechten Oberschenkel.
»Verdammt«, murmelte er und zog sein Schwert.
Derweil öffnete sich über ihn der Himmel und etwas schwaches Sonnenlicht kämpfte sich durch den Nebel. Der Paladin traute seinen Augen nicht.
»Sind das Bäume?«, fragte er verwundert.
Anstatt einer leeren Lichtung war vor ihm eine dichte Mauer aus langen, astlosen Stämmen, die weit nach oben ragten.
Eine Trommel ertönte und ein heiserer Ruf.
Etwas bohrte sich in die Brust von Hextus. Kein weiterer Bolzen von einer Armbrust. Nein, etwas anderes.
Ohne ihre Kontrahenten auch nur gesehen zu haben, fiel die gesamte Elfeneinheit auf der Lichtung.
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Die Grenzen des Waldes
FantasySeit über zweitausend Jahren befinden sich die Elfen, die einst den ganzen Kontinent beherrscht haben und die Menschen im Konflikt. Der Krieg hat nun die letzte Zuflucht der Elfen erreicht: Den heiligen Wald Galea. Die Lage erscheint hoffnungslos u...