Als das Licht der Sterne und das Donnern der Kanonen sie nicht mehr erreichte, entzündete Damasia eine Laterne.
Bald schon flachte der Pfad vor ihnen ab und sie schritten durch einen Korridor.
»Sieh nur«, meinte Numantia und deutete auf dem Boden, wo ein großer Hundertfüßer über den Boden krabbelte. Die Segmente seines Körpers schimmerten in mehreren Farben. »Er sieht aus wie eine Kette von Perlen!«
»Es scheint hier Lebewesen zu geben, die es sonst nirgendwo gibt.«
»Ich bin gespannt wie viele schöne Tiere wir noch sehen werden!«
»Lass dich nicht ablenken! Wir haben einen Grund hier zu sein!«
Sie schritten voran. Steintrümmer lagen auf dem Weg und erschwerten das Vorankommen. In den Erdwänden um sie herum tauchten derweil Symbole von Spiralen und Kreisen auf. Waren dies Überbleibsel ihrer Vorfahren, besonders kreative Würmer oder die Sprache von Urd selbst?
Sie fanden eine leicht schiefe Wendeltreppe und folgten dieser weiter nach unten. Sie erreichten Katakomben, wo die Skelette von Elfen in Nischen und offenen Särgen lagen. Spinnen mit weißen Körpern und schwarzen Beinen krochen vor dem Licht davon.
Für mindestens zwei Stunden drangen sie tiefer und tiefer in die verbotene Zone vor. Sie fanden Tonscherben, grüne Pilze die zu schweben begannen, wenn man sie auch nur leicht berührte und ein silbernes Breitschwert, was in einer Truhe steckte.
Was genau suchten sie gerade?
Woher würden sie wissen, wenn sie am Ziel angekommen waren?
Wann würde der Zorn der Götter über hereinbrechen, nun wo sie das große Tabu gebrochen hatten?
Irgendwann begannen die Wände aus gebrannten Ziegeln zu bestehen und schließlich blanker, schwarzer Granit.
Als sie schon glaubten, dass ein Großteil des Wurzelwerkes von Urd über ihnen lag, sahen sie vor sich ein blaues Leuchten.
Sie erreichten einen vergrabenen Tempel, dessen Ausmaße sie sprachlos ließ.
Hundert Meter über ihnen war eine gewaltige Kuppel, wo aus Rissen Stalaktiten und Wurzelenden herabhingen und blaue, magische Steine den Sternenhimmel abbildeten und so für das Licht sorgten.
Der Boden selbst war uneben, erdig und es wuchsen hier blaue und weiße Blumen überall. Kleine Teiche lagen ruhig zwischen den Pflanzen und beherbergten rote Quallen, die selbst leicht glimmerten.
Und in der Mitte dieser gewaltigen Halle drehten sich dünne Steinringe frei in der Luft schwebend ineinander. Ihre Zahl schien sich stetig zu verändern, genauso wie ihr Durchmesser. An ihren Außenrändern glühten Symbole.
Die beiden Elfinnen traten zu dem diesem Schauspiel, sprachlos und ergriffen von der Schönheit dieser heiligen Magie.
Die Ringe hielten kurze inne, so als bemerkten sie die Besucher. Nach einigen Sekunden dehnte sich dann der Äußerste immer weiter aus, bis sein Orbit schließlich nur wenige Meter vor den Elfinnen endete. So konnten sie die Schrift lesen.
Ein Zeitalter folgt dem anderen, stand dort, die Ära der Elfen war nie für die Ewigkeit bestimmt. Das Schicksal der Welt sollte niemals für alle Zeiten in euren Händen liegen.
»Doch wieso sind die Menschen dann sterblich und wir nicht?«, fragte Damasia.
Die Schrift verformte sich. Stahl kann euch töten. Schießpulver. Pfeile. Alter mag euch nicht dahinraffen, aber doch seid ihr nun an der Grenze der Vernichtung, während die Menschen hoffnungsvoll auf ein goldenes Zeitalter blicken.
»Es war also vorherbestimmt?«, wollte Numantia wissen. »Das Zeitalter der Elfen muss enden, damit das Zeitalter der Menschen beginnen kann?«
So ist es. Eine weitere Herrschaft der Elfen hätte Stagnation bedeutet. Es braucht nun die Kurzlebigkeit der Menschen, um der Welt neue Formen zu geben.
»Können sie dies nicht tun und uns dabei in Ruhe lassen?«, meinte Damasia. »Können sie uns nicht hier in Galea in Frieden lassen?«
»Ach, das wäre schön«, stimmte Numantia zu. »Dann können wir zusehen, was die Menschen, Zwerge und vielleicht sogar Orks so alles errichten.«
Nein. Die vergangenen Taten eures Volkes tragen nun Früchte. Die Menschen werden nicht verzeihen und nicht aufhören.
»Gibt es denn keine Hoffnung mehr?«, fragte Damasia.
Natürlich gibt es Hoffnung. Immerhin wurdet ihr hierher gerufen. Ihr sollt diesen Ort mit einem alten Zauberspruch verlassen, der eurem Volk eine Zukunft sichern soll.
»Aber wieso wir?«, wandte Numantia ein.
Die Steinringe kreisten etwas schneller und die Schriftzeichen verwischten etwas, bevor sie sich neu bildeten.
Weil keiner von euch beiden jemals um die Vernichtung des Menschengeschlechts gebetet hat.
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Die Grenzen des Waldes
FantastikSeit über zweitausend Jahren befinden sich die Elfen, die einst den ganzen Kontinent beherrscht haben und die Menschen im Konflikt. Der Krieg hat nun die letzte Zuflucht der Elfen erreicht: Den heiligen Wald Galea. Die Lage erscheint hoffnungslos u...