Parallelwelten

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(Zeitgleich zu Agatheas Gegenwart)

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(Zeitgleich zu Agatheas Gegenwart)

Ich sehne mich so sehr nach Agatheas Aufmerksamkeit, nach ihrer Zuneigung und ihrem Vertrauen. Doch stattdessen fühle ich mich frustriert und enttäuscht über meine Rückkehr in ihr Leben. Alles hatte ich mir anders vorgestellt. Die Gedanken an sie und an das, was zwischen uns hätte sein können, erfüllen mich mit einer Mischung aus Sehnsucht und Verbitterung. Sie distanziert sich immer mehr von mir, gefangen in einem Spinnennetz von James unsichtbaren Fesseln der Männlichkeit.

Als ich von Alastors Zustand erfuhr, überkam mich ein Gefühl von Hilflosigkeit und Wut. Wut auf James, der mir alles verdorben hatte. Er hat sich zu sehr in Agatheas Leben eingemischt, zu viel über sie bestimmt und ihre Männer verletzt. Er hat sie verändert. Niemals würde sie einen ihrer Männer schlagen. Es stört mich zutiefst, dass dieser Teufel ihr so nahe ist. Sie verbrennt sich an ihm, ohne es zu merken. Ein unkontrollierbarer Hass gegen James beginnt in mir zu brodeln.

Entschlossen, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, beschließe ich, eigenständig zu handeln. Ich muss Agathea beschützen und mir beweisen, dass ich stark genug bin, um für sie zu kämpfen. Außerdem will ich James verletzen, ihm das gleiche Leid zufügen, das er mir angetan hat. Die Erkenntnis, dass die teuflische Frau, die hinter all dem steht, seine Mutter ist, entfacht meinen Zorn nur noch mehr. Ich verabscheue ihn dafür, dass Agathea ihn so ansieht, wie ich gerne von ihr angesehen werden möchte – so, wie sie mich einst ansah.

Es war zweifellos der dümmste Fehler meines Lebens, fortzugehen. Jedes Mal, wenn ich daran denke, bereue ich es zutiefst. Sie und ich, wir waren untrennbar verbunden. Ich liebte sie und sie liebte mich. Ich sehne mich danach, mit ihr an meiner Seite glücklich zu sein. Ihre unbeschwerte Freude, ihr herzhaftes Lachen – ich möchte es wieder erleben. Ich stelle mir vor, wie wir uns im Frühling in die weichen Tulpen legen, die uns umgeben, und gemeinsam in den Himmel blicken, die Wolken beobachten, wie sie vorbeiziehen, während wir uns aneinander festhalten. 

In diesen Momenten waren wir abgekapselt von der Hektik der Welt, wir beide gegen den Rest. Es war unsere gemeinsame Entscheidung, anderen Männern zu helfen, aber dass James jetzt diesen Platz an ihrer Seite einnimmt, erfüllt mich mit unerträglicher Eifersucht. Er ist nichts als ein Lückenbüßer, der versucht, meine Stelle einzunehmen, und ich kann es nicht ertragen, ihn neben ihr zu sehen.

~

Bei einem riskanten Alleingang schleiche ich mich noch am selben Tag, nach dem Besuch im Krankenhaus in das Gebäude ein. Entschlossen, die Strippenzieherin umzubringen, überwinde ich mich, an den Ort meiner schrecklichen Gefangenschaft zurückzukehren. Doch zu meinem Vorteil kenne ich die Umgebung wie kein anderer. Trotz der vielen vergangenen Jahre hat sich hier wenig verändert. Die grauen Betonwände umgeben mich weiterhin, die Türen knarren noch genauso wie früher, und die grausamen Stimmen hallen durch die Gänge.

All der Schmerz, den mir dieses Gebäude einst zugefügt hat, sammelt und vermischt sich erneut mit dem jetzigen Leid. Es ist, als ob die Wunden meiner Vergangenheit wieder aufgerissen werden, während ich mich durch die finsteren Korridore bewege. Doch ich bin unaufhaltsam, wie ein brodelnder Vulkan, der kurz vor seinem Ausbruch steht. Jeder Schritt bringt mich näher an meine Rache, und trotz der Flut von Erinnerungen, die mich überrollt, bleibe ich fokussiert auf mein Ziel.

Tatsächlich schaffe ich es, die Wachen zu überlisten, und sobald ich die böse alte Hexe schließlich alleine in ihrem Büro finde, bin ich bereit, sie zu töten. Nachdem ich die Tür von innen verriegelt habe, nähere ich mich ihr langsam. Ihr Gesicht ist immer noch angsteinflößend, obwohl die Jahre deutliche Spuren hinterlassen haben. Ein Gehstock schmückt wie ein Accessoire ihren zerbrechlichen Körper, als sie von ihrem Bürostuhl aufsteht, und ich kann mir ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen, als ich diesen Anblick betrachte.

Ich beschließe keine Zeit zu verlieren, zücke mein Messer und stürme auf sie zu, bevor sie auch nur eine Chance hat, sich zu verteidigen oder nach ihrer Waffe in der Schublade zu greifen. Mit voller Wucht ramme ich sie zu Boden, das Messer an ihrem Hals, bin ich bereit, all das hinter mir zu lassen. Doch merkwürdigerweise leistet sie keinen Widerstand. Es ist, als hätte sie ihren Tod kommen sehen und sich bereits darauf eingestellt. Regungslos und still liegt sie unter mir, sogar ein leichtes Lächeln spielt um ihre Lippen. Eine alte Psychopathin bis zum Schluss.

„Es ist mir ein Rätsel, wie du ihr entkommen konntest. Ich habe sie für klüger gehalten", spricht sie unerwartet mit völlig ruhiger Stimme.

„Halts Maul, alte Frau, oder sollen das deine letzten Worte vor deinem Tod sein?", keifte ich, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Mein Tod wird nichts ändern und das weißt du. Das Geschäft wird weitergehen."

„Du meinst von deinem Verräter namens Sohn weitergeführt werden?"

Kurz sehe ich so etwas wie Verwunderung in ihrem Blick. Sie hat tatsächlich keine Ahnung. Ein amüsiertes Lachen entweicht meinen Lippen, füllt den Raum, doch ich stoppe abrupt, um nicht die Aufmerksamkeit der Wachen auf uns zu lenken.

„Dein Sohn arbeitet mit dem Geheimdienst zusammen. Nun kennst du die Wahrheit und kannst mit diesem Gewissen sterben. Noch letzte Worte?"

Ihr Blick verhärtet sich, nachdem ich eine Spur von Panik darin erkenne. Sie versucht, mit unnötigem Gerede mich zu erpressen, doch es misslingt ihr. Ich lasse mich nicht darauf ein, nicht auf ihre Angebote hereinfallen. Ihr dreckiges Geld interessiert mich nicht, und als sie die Karte der Gefühle ausspielt, durchschaue ich sie sofort. Sie ahnt, dass es mir nicht nur um meine eigene Rache geht und ich Agathea nicht verachte.

„Sie fickt James, nicht wahr? ... Na  ja, wenigstens eine reiche Bitch und keine Sklavin", murmelt sie vor sich hin.

Die blanke Wut übermannt mich. Der Vulkanausbruch kann nicht mehr gestoppt werden. Ich kann nicht mehr ertragen, auch nur ein weiteres Wort aus ihrem Mund zu hören. Mein Körper übernimmt die Kontrolle über meinen Verstand. Ich drehe komplett durch, und wie eine wilde Bestie stürze ich mich auf die Mutter. Ihr Tod kommt leider zu schnell und schmerzlos. Blut spritzt überall hin und bildet eine Blutlache unter ihrem leblosen Körper. Ich springe auf und eile zum Fenster. Ich muss hier so schnell wie möglich verschwinden.

Plötzlich wird die Tür mit einem lauten Knall aufgerissen, und der Wachmann stürmt bereit zum Angriff herein. Sein Blick fällt auf die Leiche am Boden, dann wandert er zu mir hoch. Alles geschieht so schnell. Er beginnt wild um sich zu schießen, während ich aus dem Fenster springe. Zum Glück befinden wir uns im Erdgeschoss. Doch ich renne weiter, so weit meine Beine mich tragen können. Er hat mich an mehreren Stellen getroffen, aber die Schmerzen und Verletzungen sind mir in diesem Moment egal. Adrenalin durchflutet meinen Körper. Ich habe getan, was ich für richtig hielt.

Doch draußen vor dem Wald brechen meine Kräfte zusammen, und während ich am Boden liege, wird mir klar, dass dies erst der Anfang ist. Die Konsequenzen meiner Tat werden schwerwiegend sein, aber ich bin bereit, sie zu tragen, wenn ich diesen Tag überleben sollte. Mit letzter Kraft hole ich mein Handy heraus und wähle den Notruf, bevor alles vor meinen Augen schwarz wird.

Das Labyrinth der BefreiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt