7. Mai 1739

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Warnung: Der folgende Teil enthält Darstellungen von sexueller Belästigung und Gewalt und könnte, obwohl diese Darstellungen sich noch auf dem Niveau einer Vorabendserie bewegen, für bestimmte Lesergruppen nicht geeignet sein.
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Stündlich wächst meine Verzweiflung! Was soll ich nur tun? Wie soll ich mich noch aus meiner Lage befreien?

Bevor ich jedoch erkläre, wie ich das meine, möchte ich zuerst den Bericht über das fortsetzen, was sich gestern am Neuheimer Weiher zugetragen hat (Sonst wäre das ein allzu großer Gedankensprung, den später jemand, der diese Zeilen einmal liest, nicht nachvollziehen kann): Kaum dass der Baron und ich die Petite Maison verlassen und auf den Pfad zum Neuheimer Weiher abgebogen waren, fing der Baron auch schon an, mir den Hof zu machen: „Meine liebe Gräfin, ich weiß, eigentlich wollten wir noch ein wenig warten... Aber wissen Sie, ich bin mit dem Alter ein ungeduldiger Mensch geworden, und ich würde bestimmte Dinge lieber heute als morgen regeln. Deshalb frage ich Sie hier und jetzt, ob Sie..."

Ich ließ ihn gar nicht ausreden, sondern rief gleich entschieden: „Nein!"

„Aber bedenken Sie doch, dass Ihr Vater..."

„Nein! Ich kann mir eine Zukunft mit Ihnen nicht vorstellen, und ich werde Sie bestimmt nicht heiraten! Was ist daran so schwer zu verstehen?", wiederholte ich und wirkte hoffentlich so wütend, wie ich mich in jenem Moment fühlte.

Nun schien Max von Piepstein seine Strategie zu ändern. „Ich würde wirklich gern wissen, was ich Ihnen getan habe. Seit wir uns kennen, haben Sie mir immer nur die kalte Schulter gezeigt und mir freche Antworten gegeben", warf er mir vor.

„Haben Sie schon einmal über Ihr Verhalten mir gegenüber nachgedacht?", fragte ich ihn.  

„Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen je einen Grund zur Klage gegeben hätte. Außerdem habe ich Sie vor meiner Abreise sogar gefragt, ob ich Sie verärgert hätte, weil ich das Gefühl hatte, dass Sie mir bewusst aus dem Weg gehen. Da meinten Sie nur, alles sei in Ordnung."

„Wirklich? Da bin ich anderer Meinung", erwiderte ich. „Wie Sie an Silvester erklärt haben, sind Sie weniger auf der Suche nach einer Frau, die Sie aufrichtig liebt, als nach einer Mutter für Anna und Ihre Kinder!"

„Wissen Sie, Sie haben wirklich großes Glück, dass Ihre Eltern und ich sehr tolerante und geduldige Menschen sind. Ich kenne viele Leute, die sich einen Ton wie den Ihrigen nicht gefallen lassen würden", entgegnete er daraufhin.

Das stimmte natürlich. Trotzdem ging es hier um mich und meine Zukunft, weshalb es mir gleichgültig war, was er gerade von mir dachte. Was Papa und Maman betraf, so hoffte ich, dass sie sich irgendwann damit würden abfinden können, dass ich ihn nicht zum Mann nehmen wollte. Zumal es ohnehin unfair war, dass er sich seine Braut aussuchen durfte, dasselbe aber nicht für mich gelten sollte. „Wenn Sie mein Verhalten jetzt schon dermaßen stört, sollten Sie erst recht darauf verzichten, mich zu heiraten! Was denken Sie nämlich, wie ich mich erst verhalten werde, wenn ich mit Ihnen verheiratet bin?"

„Sie geben also zu, dass Sie Sich absichtlich schlecht verhalten?"

„Das habe ich nicht gesagt", meinte ich, da seine Frage offenkundig eine Fangfrage war.

„Haben Sie etwa einen Liebhaber, von dem Ihre Familie nichts weiß?", fragte er plötzlich, und sein durchdringender Blick ließ mich sofort vermuten, dass Anna geplaudert hatte.

„Wie können Sie es wagen, meinen unbefleckten Ruf in Frage zu stellen!", rief ich entrüstet aus und holte aus, um ihn zu ohrfeigen. Dass sich dies für eine feine Dame nicht schickte, war mir in diesem Moment herzlich egal.   

Sophies Tagebuch (ONC 2024)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt