...es ist ein Duett.

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Clueso
Charite Berlin
Im Zimmer der Intensivstation
18:07 Uhr


Seite an Seite schafften Lotte und ich eine untrennbare Symbiose. Wie von Zauberhand verschwanden alle Geräusche um uns herum. Da waren keine piependen Geräten mehr. Kein Geruch nach Desinfektionsmittel. Keine Schritte auf dem Flur. Kein Fernseher, den man noch zwei Zimmer weiter murmeln hören konnte. Doch da war Lotte. 

Lotte, wie sie erschrocken in meine Frontscheibe starrte.
Lotte, die leicht lächelte als ich ihr das Würstchen von der Tankstelle gab. 
Lottes leise Schritte, während sie zu meinem Bett ging. 
Lottes helles lachen, als sie als einzige über den rabiaten Witz lachte. 
Und Lottes trauriges Gesicht, während sie vom Vorfall mit Dag erfuhr. 
Lotte die... mein Herz nach Jahren endlich wieder höher schlagen ließ. 

"Ich hab geklopft, aber es hat keiner..."
Lotte und ich trennten uns sofort voneinander und vergrößerten den Abstand zwischen uns. Nico guckte peinlich berührt zur Tür rein und kratzte sich am Kopf. "Tut mir leid, ich..."

"Nein, alles gut wir... haben gerade nichts wichtiges gemacht" Lottes verletztes Gesicht entging mir keineswegs, aber ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte. Schließlich war das zwischen mir und Lotte noch nichts festes und ich konnte nur raten, ob Lotte es ernst meinte oder nicht. "Ich... muss mal..." Lotte flüchtete förmlich aus dem Raum. Ich konnte gerade noch sehen, wie sie sich mit der Hand eine Träne aus dem Gesicht wischte. "Lotte! Warte!" Nico blickte mich mitleidig an. "Tut mir leid, ich wollte nicht..." 

"Schon gut", unterbrach ich Nico sofort. "Kannst du ihr bitte hinterher gehen und nach ihr sehen?"

"Klar!" Nico verschwand schnellen schrittes aus der Tür und ich ließ mich zurück in die Kissen fallen. Fluchend schlug ich mit der Faust auf die Bettdecke. Ich bin so dumm. So unendlich dumm.


Lotte
Charite Berlin
Vor dem Zimmer der Intensivstation
18:12 Uhr


Keine Ahnung wieso ich so verletzt war. Thomas und ich waren nicht mal zusammen, trotzdem war da so ein unangenehmes stechen in meinem Brustkorb. Ich atmete tief durch und lehnte mich an den Snackautomaten, als Nico zu mir auf den Flur trat und direkt auf mich zu steuerte. "Lotte, warte mal kurz. Bitte" Ich seufzte. "Was gibts?" 
"Thomas meinte das nicht so. Er mag dich Lotte. Sehr sogar. Ich glaube er ist einfach etwas... unbeholfen und tollpatschig" Müde fuhr ich mir mit der Hand durchs Gesicht und dachte kurz nach. "Das hat mich verletzt", gab ich offen zu. "Ich weiß. Und er weiß es auch. Guck mal, ich kann dich nicht zwingen zurück zu kommen. Vielleicht ist es auch besser wenn du erstmal nach Hause gehst und dich etwas ausruhst. Morgen ist auch noch ein Tag wo ihr über alles reden könnt. Ich hoffe das Thomas dann das Krankenhaus verlassen kann. Was hältst du davon, wenn ich euch etwas Geld gebe und ihr trinkt einfach mal einen Kaffee zusammen?"

Nico entlockte mir nun doch ein kleines lächeln. "Klingt gut. Danke Nico"

"Nicht dafür! Hast du Vincents Haustürschlüssel?" Ich nickte. "Soll ich dich fahren?"

"Ich weiß nicht. Ist das nicht etwas viel Aufwand?" 

"Quatsch. Ich mach das gerne"

"Danke, Nico. Dann nehme ich das Angebot gerne an"

"Gut, dann warte hier, ich sage Thomas bescheid und bringe dich dann zu Vincent. Soll Thomas sich morgen bei dir melden?"

"Ja. Er kann auf dem Haustelefon anrufen"

"Gut!" Zufrieden trottete Nico zurück in das Krankenzimmer. Mit einem leisen 'klack' fiel die Tür in das Schloss und es wurde erstmal ruhig. Irgendwie machte mich das richtig nervös. Ich hoffte das er schnell wieder kommen würde. Es dauerte aber noch 10 Minuten und ich hatte mich mittlerweile auf einen dieser furchbaren Plastikstühle, die miteinander zu einer Bank verbunden waren, gesetzt. 

"Wir können los. Ich soll dir ausrichten das er sich morgen sehr auf dich freut", plapperte Nico sofort darf los, als er mich erreichte. "Das ist schön zu hören" Als ich aufstand, schlug mein Herz sofort höher. Ein Date. Ein richtiges Date. Glücklich lächelte ich vor mich her, als ich in Nicos Opel stieg. "Ich dachte immer berühmte Sänger haben dicke und vor allem teure Autos?"

"Ach...", Nico schüttelte den Kopf. "Ich gebe nichts auf große Autos. Wozu auch? Ist es nicht wichtiger das die Blechbüchse fährt? Hauptsache sie fällt nicht auseinander!" Ich musste lachen. "Ich würde dir ja recht geben, aber ich muss zugeben das Thomas damals mehr Chancen hatte mich mit seinem BMW platt zu fahren als du mit dieser Sadinendose"

"Was soll das denn jetzt heißen? Die kleine Knutschkugel hat ordentlich was unter der Motorhaube"

"Knutschkugel? Nennst du dein Auto immer so? Wie viel denn? 10 PS?"

"Hast du das gehört. 10 PS...", schmollte Nico und trat aufs Gaspedal. Das laute brummen des Motors verstärkte meine Vermutung. Die "Knutschkugel" war kaputt und langsam. Also dauerte es etwas länger bis wir bei Vincent ankamen. Das machte mir aber nichts aus, Hauptsache ich kam heile an. "Danke, Nico! Wir sehen uns bestimmt irgendwann mal wieder. Vielleicht komm ich mal auf ein Konzert von dir"

"Würde mich sehr freuen. Für dich und Clüsen ist der Eintritt immer frei" Ich lächelte, schloss die Autotür und winkte Nico noch hinterher.

Oben angekommen, räumte ich noch etwas auf und ging duschen. Vincent sollte seine Wohnung in einem top Zustand wieder bekommen sobald ich hier raus war. Ich schaute noch etwas fernsehen, konnte Nachts aber nicht mehr richtig schlafen. Ich war irgendwie viel zu sehr aufgeregt. Um 6 Uhr morgens gab ich es dann auf und machte mich fertig. Ich versuchte mich mit den Sachen die ich da hatte so hübsch wie möglich zu machen. Pünktlich um 8 rief dann auch schon Thomas an. Wir verabredeten uns um 15 Uhr in einem kleinen Cafe in der nähe. 

Die Zeit verging quälend langsam währen ich drauf wartete das ich endlich los gehen konnte. Aus Nervosität wurden meine Hände ganz nass. Immer wieder versuchte ich sie irgendwie unauffällig an meiner Kleidung abzuwischen. 
Schon aus der Ferne konnte ich sehen das Thomas sich ebenfalls schick gemacht hatte. "Lotte"
Er nahm mich herzlich in den Arm und strahlte. "Gut siehst du aus!" Ich wurde etwas rot und musterte ihn. Er hatte sich rasiert und Aftershave drauf. "Danke. Du riechst du" Thomas lachte sofort und ich dachte erst, ich hätte etwas falsches gesagt. "Lieb von dir. Ich geb mir Mühe. Ladys first!" Wie ein Gentleman hielt er mir die Tür auf und ließ mich vor gehen. 

Wir bekamen einen kleinen Tisch hinten in der Ecke wo wir ungestört waren. Thomas bestellte und sofort eine Tasse Kaffee und ein Stuck Kuchen. Es sah köstlich aus. 

"Können wir reden?" Mir wurde sofort schlecht. Er sägt mich ab oder? Ich bin mir sicher. Ich musste mich zusammenreißen nicht los zu heulen, also nickte ich nur. Thomas nahm sofort meine Hände und lächelte. "Erstmal wollte ich um Entschuldigung bitten, dafür das ich mich im Krankenhaus so blöd verhalten habe. Ich hätte das auf jeden Fall anders handhaben müssen"

"Angenommen" Meine Lippe zitterte und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. "Du machst schluss oder? Sag es bitte gleich. Ich halt das aus. Dann kann ich direkt gehen"

"Was? Nein!" Thomas drückte sanft meine Hände. "Eigentlich wollte ich dir sagen das du die schönste, witzigste und intelligenteste Frau bist, die ich kennen lernen durfte"

"Aber?"

"Aber wir können leider keine Freunde mehr sein" Autsch. Das hatte gesessen. "Schon gut dann gehe ich jet..." Thomas fiel mir einfach ins Wort und ließ meine Hände nicht los. "...weil ich fragen wollte ob du meine Freundin sein willst?" Jetzt war ich platt. Ich starrte Thomas nur mit großen Augen an und sagte nichts. Das schien ihn offensichtlich ziemlich nervös zu machen denn er fing an nervös auf seiner Lippe rum zukauen. "Nicht?", fragte er in einem leisen Flüsterton. Endlich konnte ich mich aus meiner Starre lösen. "Ja. Ja ich will!" 

Im Cafe fingen die Leute an zu klatschen und zu jubeln. Sie schienen zu denken das Thomas mir gerade einen Heiratsantrag gemacht hat. Wir guckten uns beide etwas peinlich berührt an, mussten dann aber herzlich lachen. Thomas zog mich etwas zu sich um mich zu küssen. Und da waren sie wieder. Die Schmetterlinge. Das kribbeln. Das Gefühl am Leben zu sein und das Leben zu spüren. "Und jetzt hör bitte auf zu weinen, bevor noch jemand denkt, ich hätte nach dem Antrag direkt schluss gemacht!" Noch bevor Thomas zu lachen begann, fing ich an lauthals loszupusten. "Du bist ja ein richtiger Schürzenjäger!"

"Nicht wirklich. Das einzige was ich jage, ist Käsekuchen in diesem Cafe"

[Ende]

Stadt der Türme [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt