...und wir spielen!

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Clueso
Residenz Seehotel Berlin-Brandenburg
23:16 Uhr

Ein sehr philosophischer Mann sagte mal: "Lass mal was machen, was wir nie mehr vergessen!"
Gut, eigentlich war das Zitat von Dag. Strenggenommen sollte ich ihn mal anrufen und fragen, ob er DAS mit "mal was machen, was man nie vergisst" meinte. Ich zuckte zusammen und verschluckte mich an meinem Bier, als das Handy klingelte. Zügig zog ich das Smartphone aus der Tasche.

- Nico Santos ruft an -

Mit dem Zeigefinger wischte ich den grünen Hörer nach oben und hielt mir den Fernsprecher an das Ohr. "Hey Nico!" Ohne Umschweife gingen meine Mundwinkel hoch. Nico und ich kannten uns schon viele Jahre. Auch wenn wir uns zeitweise nicht oft sahen, war unser Verhältnis immer harmonisch. "Clüsen, heeeey!", erklang es aus dem Hörer. "Schön, dass ich dich mal erreiche. Störe ich dich so spät?"

"Nein, du störst nie. Wie gehts dir?"

"Ach, alles bestens. Ich bin gerade auf Tour. Ich hatte die Jungs von SDP dabei. Es war einfach verrückt wie immer. Und wie geht es dir?"

"Ach...",plötzlich wurde ich ganz ernst. "Oh... das klingt nicht gut... Magst du darüber reden?", sein Tonfall wurde ganz sanft. Seine einfühlsame und aufmerksame Art, schätzte ich an Nico besonders. "Es war einfach... ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Der Tag war so verrückt"

"Am besten fängst du am Anfang an", schmunzelte der Halbspanier. Verdammt. Jetzt machte er sich über mich lustig. Meine Wenigkeit musste einfach ein Gelächter anstimmen. Nico stieg sofort mit ein, was die ganze Situation etwas auflockerte. "Danke, du Spinner"

"Ey", protestierte der Mallorquiner leise, doch ich ignorierte es und grinste nur. "Also, ich war Nachts auf dem Weg vom Studio zurück nach Hause und konnte nicht über die Autobahn fahren, weil alles gesperrt war. Ich bin also im Regen durch dieses kleine Waldstück gefahren. Da in der Nähe, wo wir mal joggen waren, weißt du noch?"

"Hmmm" Da ich wusste, dass ich Nicos volle Aufmerksamkeit hatte, fuhr ich fort. "Es hat echt geschüttet, als mir auf einmal eine Frau vor meinen Wagen rennt. Ich hab den Schreck meines Lebens bekommen"

"Bitte sag jetzt nicht, dass du sie erwischt hast..." Ich konnte förmlich spüren, wie Nico die Luft anhielt. "Nein, zum Glück nicht. Aber es wird noch schräger..."

"Was ist denn noch schräger als eine Frau, die dir Nachts, im Wald vor das Auto springt?"

"Sie ist um das Auto rumgerannt, eingestiegen und hat mich angeschrien, dass ich losfahren soll..."

"Nein...! Das ist ein Scherz, oder?"

"Leider nicht. Sie war total in Panik und hat überall blaue Flecken. Als ich losgerast bin, konnte ich im Rückspiegel noch einen Mann am Straßenrand stehen sehen. Ihr Name ist wohl Lotte und ich hab ihr erstmal ein Würstchen von der Tanke und was zu trinken gekauft"

"Ein Würstchen von der Tanke? Ein Würstchen? Thomas! Du kannst einer Frau doch kein olles Würstchen von der Tanke kaufen"

"Man, es tut mir leid, okay? Aber das Restaurant vom Henssler hatte schon zu, was sollte ich also machen?"

"Zu McDonalds vielleicht, wie jeder andere normale Mensch?"

"Achso da... hab ich nicht dran gedacht also..." Ich kratzte mich beschämt am Hinterkopf. "Wie ging es weiter?"

"Ich hab sie erstmal in ein drei Sterne Hotel gebracht. Morgen kaufe ich ihr erstmal was sauberes zum Anziehen. Aber was mach ich dann?"

"Hmmm" Nico atmete langgezogen erst ein und dann wieder aus. Er dachte nach. "Wie wäre es, wenn du einem oder mehreren Frauenhäusern eine Email schickst? Die werden Lotte bestimmt helfen. Ich finde, es macht auch mehr Sinn, wenn erstmal eine Frau mit ihr spricht statt einem Mann. Schließlich weiß keiner was vorgefallen ist. Ich denke, dass sie sich da mehr öffnen könnte. Aber bitte sprich alles mit Lotte ab. Es macht keinen Sinn, etwas über ihren Kopf zu entscheiden. Wenn, dann muss sie es selber wollen. Aber du musst auch akzeptieren, auch wenn es schwer zu ertragen ist, wenn sie zurück möchte"

"Stimmt. Danke Nico. Was würde ich nur ohne dich tun?", unüberhörbar fing ich an zu gähnen. "Wohl nicht viel Clüsen. Und jetzt ab ins Bett mit dir" Noch bevor ich etwas erwidern konnte, legte der Bremer mit einem leisen Lachen auf. Kopfschüttelnd, öffnete ich Whatsapp:


Spinner. Danke für deine Hilfe. Grüß Vincent und Dag von mir. Ich hoffe wir sehen und bald mal wieder persönlich.
23:26 Uhr ✓✓

Du schläfst ja immer noch nicht. Leg das Handy weg, Thomas!
23:27 Uhr


Ich überführte dem Nachtisch mein Handy und spülte den letzten Rest des Bieres meine Kehle runter. Die Dose platzierte ich direkt neben meinem Smartphone. Ehrlich gesagt war ich hundemüde. Ohne mich nochmal umzuziehen, rollte ich mich auf dem Bett zusammen und schloss die Augen. Ich musste wieder an Lotte denken. Niemand hatte so ein Schicksal verdient, daher hoffte ich das sie sich von mir helfen ließ. Auf jeden Fall musste ich mit Fingerspitzengefühl an die Sache heran gehen. Gedanklich legte ich mir schon mal einen Plan zurecht, doch schon bald wurde ich in einen tiefen Strudel aus Träumen und Wünschen gezogen.


Clueso
Residenz Seehotel Berlin-Brandenburg
9:25 Uhr

Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, aber ich wurde durch ein lautes Klopfen geweckt. "Thomas?" Lottes Stimme drang nur leise durch die dicke Holztür. "Komm rein, ist offen",raunte ich und zog meine Bettdecke über den Kopf. Erst hörte ich wie die Tür sich öffnete und kurz darauf, leise wieder geschlossen wurde. Lottes Schritte waren auf dem Teppich nicht zu hören, so vorsichtig lief sie. Ich merkte erst das sie da war, als meine Matratze sich auf der anderen Seite senkte. "Bist du wach?",flüsterte meine neue Begleitung. "Nein...",murrte ich. Plötzlich fing Lotte an zu kichern. Sie klang echt toll wenn sie lachte. Mir wurde richtig warm ums Herz und ich musste schmunzeln. "Wirfst du mich jetzt aus dem Bett weil du neue Schuhe möchtest?"
"Ne..." Lotte schwieg eine Weile. Dann erhob sie sich und entfernte sich von meinem Bett. Ich hörte etwas rascheln und ein kurzes ächzen. Okay. Nun war ich doch neugierig geworden. Ich lugte unter meiner Decke hervor. Lotte stand mitten im Raum und zog gerade meinen Hoody zurecht, den sie sich angezogen hatte. "Hey, das ist meiner!" Als sie traurig den Hoody wieder ausziehen wollte, machte ich sofort eine beschwichtigende Geste. "Nein, alles gut. Du kannst ihn an lassen. Das war nur ein Witz"


"Okay" Lottes leichtes lächeln ließ mein Herz etwas höher schlagen. Sie sah niedlich aus in dem viel zu großen Pulli. Nur war sie leider nicht besonders gesprächig. "Jetzt brauchst du noch noch eine Hose. Am besten gehe ich gleich los und besorg dir was" Immer noch müde quälte ich mich aus dem Bett und machte mich schnell zurecht. Jedenfalls so gut wie es ging. "Bleibst du kurz hier? Ich bin nur unten an der Rezeption!" Lotte nickte wiederwillig. Ich merkte das sie damit nicht so richtig einverstanden war aber anders ging es gerade nicht. So schnell es ging, flitzte ich runter zur Anmeldung und erklärte die Situation. Die freundliche Dame hinter dem Schalter trieb mir sofort einen Rock auf. Der wird Lotte sicherlich gut stehen. Ich gab ihr, was sie brauchte und ließ sie in ihr Zimmer gehen, damit sie sich in ruhe umziehen konnte.

Gerade als ich die Tür zumachen wollte, stieß mich jemand so unsanft in mein Zimmer zurück, das ich rückwärts zu Boden stürzte und eine Vase mit runter riss. Das Porzellan zersplitterte knallend in tausend Teile.

Stadt der Türme [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt