Vertrauen ist eine Blume...

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Clueso
Charite Berlin
Im Zimmer der Intensivstation
16:30 Uhr

Ich musste Lotte einfach erzählen wer ich wirklich bin. Sie sollte mir schließlich vertrauen können. Und ebendiese verlässt sich bestimmt nicht mehr auf mich, wenn sie den Sachverhalt von anderen Leuten erfuhr. Lotte sah aus, als hätte sie eine Dampfwalze überfahren. Vielleicht hätte ich ihr das ganze etwas schonender beibringen sollen. "Ich... das... ich weiß nicht was ich sagen soll"

"Du kannst mich aber weiter Thomas nennen", meinte ich aus einer Übersprunghandlung heraus und hätte mir am liebsten direkt an den Kopf gegriffen. Was rede ich da? Zu meiner Überraschung fing Lotte an zu lachen. "Wieso? Nennen deine Eltern dich sonst Clueso?"
"Nein... also... eigentlich nicht" Ich lief sofort rot an. "Ich dachte schon" Lotte lächelte wieder so süß. Um ihre Mundwinkel bildeten sich erneut diese kleinen Falten die ich anfing so zu lieben. "Nein das wollte ich nicht sagen... ich... das... keine Ahnung wieso ich das gesagt habe"

"Schon gut. Du bist wahrscheinlich noch etwas durcheinander von der OP gerade. Ruh dich aus. Vincent meinte es würde mir bei ihm gefallen. Jetzt wo ich weiß das er nicht gerade unbekannt ist, hab ich etwas Angst was mich erwartet"
"Seine Wohnung ist nicht gerade klein"
"Das habe ich schon befürchtet. Aber ein Hotelzimmer hätte mir auch gereicht"
"Soll ich nochmal mit Vincent sprechen?"
"Nein alles gut. Nur keine Umstände. Mach dir keinen Kopf und ruh dich erstmal weiter aus"

Lotte war so süß. Sie kümmerte sich immer zuerst um andere Menschen, statt an sich selbst zu denken. "Ich geh dann jetzt. Ich muss... das alles erstmal verdauen und es ist bald 17 Uhr. Ich bin ganz schön fertig" Lotte erhob sich. "Danke Lotte. Vincent und Dag sind echt nett. Wenn du irgendwas brauchst, sag ihnen gerne bescheid"
"Mach ich. Danke Thomas" Im Anschluss drehte sie sich um und verließ den Tätigkeitsbereich.

Lotte
Charite Berlin
Vor dem Zimmer der Intensivstation
16:42 Uhr

Mit einem ungutem Gefühl verließ ich sein Zimmer und gesellte mich erneut zu Vincent und... Wie hieß er nochmal?
"DAG!" Achja. "Ich wollte hier drinnen nicht rauchen!", meinte diese patzig und versuchte an seine merkwürdige Zigarette zu kommen. Scheinbar war sie selbst gedreht, hatte ein weißes, dünnes Papier als Mantel und war unten viel dünner als oben. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Vincent lehnte sich über Dags Schulter, flüsterte ihm etwas ins Ohr, zeigte im Anschluss auf mich und runzelte wütend die Stirn. Trotz allem holte der kleinere Luft um etwas zu sagen jedoch quittierte Vincent sein Vorhaben mit einem Kopfschütteln und steckte die Tabakware ein. "Ähm..."

"Nein. Alles gut. Stimmt's Dag?", unterbrach mich Vincent sofort. Er setzte das breiteste grinsen was er, scheinbar, zu bieten hatte auf und durchbohrte ihn förmlich mit seinen Augen. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre der Kleinere sicherlich sofort umgefallen und nie wieder aufgestanden. Eine kurze Zeitspanne starrte beide sich an. Ich hatte schon Angst das sie sich gleich bekriegen würden, doch dann atmete der Lockenkopf sichtlich erzürnt ein und aus. "Ja. Alles bestens" Ergänzend rang Dag sich ein Lächeln ab. Auch wenn es etwas creepy aussah und man hätte denken können, das die beiden Berliner mich gleich in einen weißen Van zerren würden, nur um mich irgendwo auszurauben und in die Havel zu werfen.

"Wollen wir fahren?" Vincent bemühte sich, nicht mehr ganz so wütend auszusehen. "Ja bitte. Aber können wir vorher noch bei einer Drogerie vorbei? Ich brauch noch... Naja. Frauenzeugs"
Ohne ein weiteres Wort nickte Vincent, verließ mit uns zusammen das Krankenhaus und fuhr in die Innenstadt. Er gab mir sogar Geld mit, damit ich alles kaufen konnte was ich brauchte. Als ich zurück kam jedoch, konnte ich die beiden, schon von weiten, erneut streiten hören.
"Du bist unmöglich heute. Ich bin stinksauer", fauchte Vincent. 
"Verdammt du kennst mich nur so! Sonst stört es dich auch nie"
"Sonst haben wir auch keine Dame dabei, verdammt. Kannst du dich nicht einmal zusammen reißen?"

"Jetzt tu nicht so als wärst du hier der..." Die beiden verstummten sofort als ich am Auto ankam. "Darüber reden wir noch...", drohte der Produzent seinem Freund. Danach war erstmal Ruhe. Auf dem Weg zu Vincent, warf dieser Dag vor seiner Wohnung raus. Kein Tschüß. Kein Nichts. Der Lockenkopf stapfte missmutig auf seinen Eingang zu, schloss auf und ließ die Tür in das Schloss knallen. "Tut mir leid. Dag ist... einfach Dag"
"Worum ging es überhaupt?"
"Ist nicht wichtig. Alles gut. Mach dir keinen Kopf. Der beruhigt sich schon wieder. Spätestens in zwei Tagen steht er wieder in unserem Studio"
"Ihr habt ein Studio?"
"Klar. Wir haben eine Band. Und ich Produzier da. Im Grunde ist es wie ein Jugendzentrum nur für Erwachsene. Wir haben einen Flipper. Eine Ecke zum Körbe werfen. Consolen zum zocken"
"Hat Thomas sowas auch?"
"Ein Studio? Klar. Nur seins ist... professioneller?" Irgendwie musste ich lachen. Vincent hatte echt Humor. Das erste mal seit längerer Zeit lächelte er wieder.

"Schon gut. Lach du nur. Ich mag mein unprofessionelles Studio"
"Sag sowas nicht. Wo man sich wohlfühlt, da arbeitet man auch besser!"
"Das stimmt wohl" Vincent wohnte nicht weit von Dag entfernt. Von außen sah das Gebäude relativ normal aus. Naja. Vielleicht etwas zu sauber für Berlin. Hinter der Eingangstür befand sich ein mittelgrößer Raum mit Briefkästen und Treppe. Vincent öffnete das Fach, welches mit "Stein" beschriftet war und nahm seine Post heraus. Erst jetzt fiel mir auf, das dass Gebäude einen Fahrstuhl hatte. "Komm" Vincent drückte den Knopf und der Lift öffnete sich. Wir fuhren zusammen in den vierten Stock. Dritte Tür links. 

Entspannt öffnete er seine Wohnung und ging zuerst rein. "Trete ruhig ein. Aber bitte zieh die Schuhe aus" Ein Spießer also. Die Schuhe ließ ich vor der Tür stehen und... wäre fast umgefallen als ich die riesige Wohnung sah. Sie war hell. Alles war in weiß und grau eingerichtet. Es war sauber und es roch nach Kaffee. "Das Wohnzimmer mit Balkon ist gerade durch. Links ist die Küche und rechts das Badezimmer. Vom Wohnzimmer kommst du noch in mein Schlafzimmer und in das Gästezimmer"
"Wow es... ist richtig schön!"

"Danke. Ich hoffe du fühlst dich wohl? Im Gästezimmer liegen Bettwäsche und Handtücher bereit. In der Küche steht die Waschmaschine, falls du etwas waschen möchtest. Kühlschrank, Kaffeemaschine, Toaster und alles darfst du benutzen wenn du willst. Genauso wie die Herdplatten natürlich, damit du dir was kochen kannst. Sei nur so nett und geh nicht in mein Schlafzimmer. Und bitte schließe die Balkontür wenn du gehen solltest. Im Wohnzimmer steht das Haustelefon. Meine Handynummer ist unter der 3 eingespeichert falls was ist. Ansonsten bedien dich gerne an den Snacks im Schrank, mach es dir vor dem Fernseher gemütlich oder geh Baden. Fühl dich ganz wie daheim"

"Danke Vincent das... ist unglaublich! Ich weiß nicht wie ich das wieder gut machen soll"
"Schon gut" Er lächelte. "Ich pack jetzt erstmal ein paar Sachen zusammen und schlafe im Studio bis Dag sich beruhigt hat. Ich ertrag ihn so nicht" Wir mussten beide lachen. Endlich hatte ich das Gefühl das mein Leben langsam wieder Bergauf ging. 


Stadt der Türme [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt