Das Schicksal mischt die Karten...

32 4 4
                                    


Clueso
Herbst 2015

"Ist das Schicksal im Spiel, braucht man niemanden und nichts zu suchen, sondern wird gefunden", ist ein Zitat der Buchautorin und Kolumnistin Christa Schyboll. Eigentlich hatte ich nicht viel über für irgendwelche Bücher, wäre dieses Zitat heute nicht so passend gewesen. Es war Mitte Herbst. Das Wetter war unbeständig und wechselte zwischen einigen Sonnenstunden, Wind und Niederschlag hin und her. Da die Temperaturen schnell unter sieben Grad fallen konnten, hatte ich vor wenigen Tagen vorsorglich meine Sommerreifen gegen meine Winterreifen getauscht. Dabei hasste ich Autofahren. Der Regen prasselte massiv auf meine Frontscheibe. Ich musste die Scheibenwischer schon auf zwei stellen. Der Wischerarm schwenkte in einem schnellen Takt vor und zurück. Dabei quitschte das Wischerblatt über die Scheibe. Ich konnte nur 60 Meter weit sehen, also verringerte ich die Geschwindigkeit und schaltete auf das Abblendlicht um. So konnten andere Verkehrsteilnehmer mich besser sehen, ohne das ich sie blendete. Die Fahrt von meinem Studio zurück nach Hause dauerte immer 40 Minuten. Am schnellsten ging es über die Schnellstraße. Ich bog in das kleine Waldstück ein und schaltete das Radio ein. Summend trommelte ich mit dem Daumen auf das Lenkrad, als eine Frau in meinen Lichtkegel trat. Erschrocken trat ich mit dem Fuß auf die Bremse und vollzog eine Gefahrenbremsung. Nur einen Meter vor der jungen Frau, kam mein Wagen zum stehen.

 Verängstigt und mit aufgerissenen Augen starrte sie mich durch die Frontscheibe an. Genauso fassungslos blickte ich zurück. Sie war schlank, hatte kurze braune Haare und braune Augen. Bekleidet war sie nur mit einem T-Shirt und einer Unterhose, nicht mal Socken trug sie. Außerdem war sie klitschnass, ihr Pony klebte an der Stirn. Schneller als ich die ganze Situation realisieren konnte, rannte sie um den Fahrzeugscheinwerfer drum rum, riss die Beifahrertür auf und stieg ein. "Fahr!" Völlig perplex und wie gelähmt schaute ich sie an. "Fahr! NUN FAHR!" Sie wurde lauter. Eindringlicher. Wieder im stande mich zu bewegen, drückte ich auf das Gaspedal und bretterte die Schnellstraße runter. Im Rückspiegel sah ich einen Mann am Straßenrand stehen. Bewegungslos starrte er meinem Wagen hinterher, bevor er im Dunkeln aus meinem Blickfeld verschwand. "Was geht hier vor sich? Bist du verrückt geworden? Ich hätte dich beinah über den Haufen gefahren!",fand ich meine Stimme wieder. Die Fremde guckte mich verängstigt an und zog den Kopf ein. Ein kurzer Seitenblick ließ mich realisieren, dass sie blaue Flecken hatte. "Schon gut. Brauchst du die Polizei?"


"Nein! Keine Polizei",flehte sie mich an. "Okay. Alles gut. Einen Arzt vielleicht?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich bin Thomas",lächelnd blickte ich sie an. "Lotte"

"Lotte. Du bist ganz nass. Ich mach dir einen Vorschlag! Wir fahren erstmal zur Tankstelle, kaufen dir was zu Essen und zu Trinken und überlegen dann, wie wir dich trocken bekommen. Okay?" Lotte lächelte zaghaft. Ich fuhr also die nächste Shell Tankstelle an. Lotte wollte im Auto bleiben, bat mich aber darum, das Auto abzuschließen. Ich tat ihr den Gefallen und beeilte mich. Da es schon sehr spät war, gab es keine belegten Brötchen mehr. Nur noch ein altes Wiener Würstchen hing traurig in einem beschlagenen, gläsernen Käfig. Der Typ hinter der Kasse wirkte nicht besonders motiviert. Er schien seinen Job eher zu hassen. Jedenfalls entnahm ich das seiner schlechten Laune. Genervt fischte er das olle Würstchen auf der Glasröhre, während im Hintergrund leise Musik dudelte. Damit ich schnell verschwand, klatschte er das Würstchen auf einen Pappteller, drückte einen kleinen Klecks Ketchup drauf und warf ein halbes Toast dazu. Danach kippte er meinen lauwarmen Kaffee in einen Pappbecher und riss mir mein Geld aus der Hand. Für Lotte hatte ich noch eine Flasche Wasser mitgenommen. Beim Rausgehen kam mir ein schwarz gekleideter, ziemlich zwielichtiger Mann entgegen. Er warf mir kurz einen grimmigen Blick aus seiner Kapuze zu und verschwand dann in der Tankstelle. Ich bekam eine Gänsehaut. Zurück am Auto schloss ich auf und stieg wieder ein. Ich gab Lotte ihre Sachen und lächelte entschuldigend. "Tut mir leid. Was anderes hatten sie nicht mehr"

"Ist schon gut. Danke, äh..."
"Thomas"
"Thomas genau"

Ich fuhr von der Tankstelle runter und stellte mich einige Straßen weiter auf einen Parkplatz. "Ich hab mir da was überlegt. Es ist schon sehr spät. Ich bring dich in ein Hotel und zahl dir das Zimmer. Dann kannst du dich erstmal umziehen und etwas schlafen"

"Bleibst du da?" Die Frage brachte mich komplett aus dem Konzept. "Nein. Ich fahre nach Hause"
"Kannst du da bleiben?" Lottes Stimme bebte. "Möchtest du, dass ich da bleibe?"
"Ja, ich..."
"Du musst dich nicht rechtfertigen. Ich nehme einfach das Zimmer neben dir. Dann kannst du rüberkommen, falls was ist"
"Danke" Lotte aß auf und spülte den Rest mit Wasser runter. Ich nahm mein Handy aus der Hosentasche und googelte das nächste bessere Hotel. Ich wollte Lotte nicht in eine billige Absteige bringen. Sie war verängstigt und sollte sich erstmal sicher fühlen. Außerdem war ich müde und wollte ein ordentliches Bett. Konzentriert tippte ich die Nummer des Hotels in mein Smartphone ein. Nach längerem Tuten meldete sich eine junge Dame. "Guten Abend. Ich wollte nachfragen ob sie zwei Zimmer nebeneinander frei haben? Hmm... Hübner. Ich bin nicht weit weg und wäre in 10 Minuten da. Super. Vielen dank" Erleichtert drückte ich auf den roten Hörer. "Ist noch was frei. Wir fahren da jetzt hin und melden uns an. Ich hab leider nix zum Anziehen für dich. Am besten nimmst du erstmal den Bademantel und ich kümmere mich morgen darum dass du etwas trockenes bekommst"


"Danke Thomas" Lächelnd startete ich den Motor und machte mich zusammen mit Lotte auf den Weg in das Drei- Sterne-Hotel. Mein Auto parkte ich in der Tiefgarage und ging zusammen mit meiner Begleitung hoch in die Lobby. Lotte bekam ganz große Augen als sie sich umsah. "Hier schlafen wir?"
"Ja? Warum nicht?" Ich legte verwirrt den Kopf schief. "Na weil... ist das nicht teuer?"
"Ist das wichtig? Mir ist wichtiger das du dich wohl fühlst!" Lotte wurde etwas rot im Gesicht und lächelte. Als ich uns fertig angemeldet hatte, gab ich Lotte den Zimmerschlüssel und fuhr mit ihr in den dritten Stock. "Dein Zimmer ist die Zehn und ich habe die Elf. Die Karte musst du nur kurz an das Schloss halten, damit sie sich öffnet. Von innen kannst du abschließen und unter dem Fernseher ist die Minibar. Der Bademantel hängt im Badezimmer!"

"Danke Thomas. Ich werde dir das nie mehr vergessen" Lotte wirkte schon viel entspannter und lächelte. Schnellen schrittes verschwand sie in Zimmer Nummer Zehn. Ebenfalls mit einem lächeln öffnete ich die Elf und machte das Licht an. Das Zimmer war echt schön und das Bett riesig. Es hätten locker zwei Leute darin Platz gefunden. Die Möbel waren geschmackvoll und modern. Es war verdammt sauber und durch die hellen Farben total freundlich. Ich nahm mir ein kühles Bier aus der Minibar und ließ mich aufs Bett fallen. Was ein verrückter Tag.

Stadt der Türme [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt