Liebe ist kein Solo...

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Dag
Im Nirwana
Irgendwo in der Endlosigkeit

Ich laufe nicht, komme aber vorwärts.
..."Geht's ihm gut?"...

Chaos.

Ich schlage auf, bin aber nicht gestürzt.
..."Dag?"...

Schmerz.

Ich habe die Augen offen, sehe aber nichts.
..."Was haben sie mit dir gemacht?"...

Orientierungslos.

Ich sitze, hab mich aber zu keiner Zeit aufgesetzt.
..."Du scheinst etwas neben dir..."...

Schwindel.

Meine Beine knicken weg, dabei stehe ich überhaupt nicht.
..."Er steht unter Drogen..."...

Kontrollverlust.

Ich schüttele immer wieder den Kopf, doch weiß gar nicht warum.
..."Wir bringen dich jetzt in das Krankenhaus..."...

Hilflosigkeit.

Ich höre Sieren, sehe aber kein Blaulicht.
...."...überdosiertes Beruhigungsmittel..."...

Mein Bewusstsein, unerreichbar.

Als mein Verstand irgendwann wieder einsetzte, war ich mutmaßlich im Krankenhaus. Schmerzen hatte ich keine, aber ich fühlte mich richtig high. Fast als könnte ich fliegen. Jemand fuhr mir sanft mit der Hand durch den Pony. Vincent. Ich spürte sofort das es Vincent war.

"Hey Dag" Seine leise, friedliche Stimme ließ mich leicht lächeln. "Werd aus der Narkose erstmal richtig wach"
"Narkose?" Ich erschrak über meine eigenen Tonfall. Die Ausdrucksweise war leise, rau und verwaschen. Ich lallte so enorm, als wäre ich hackedicht. "Mach dir keine Sorgen. Du hast die OP von Anfang bis Ende ganz tapfer durchgehalten"
"Ich muss noch zum Bus, Vinne"
"Der fährt heute nicht, Dag. Bleib bitte liegen. Du hängst noch am Tropf. Und hast eine Drainage, die deine Wundflüssigkeit ableiten soll, im Unterarmgelenk. Aufgrund der Tatsache das dein Ellenbogen gebrochen ist. Der Knochen war zersplittert und musste im OP sofort rekonstruiert werden. Der Arzt hat das Knochengerüst wieder zusammengesetzt und ihn mit Schrauben und Metallplatten fixiert, damit am Ende alles so verwächst wie es soll. Zum Glück hast du ein paar Stunden friedlich geschlafen und nichts davon mitbekommen" Vincent führ mir aufs neue liebevoll durch meinen lockigen Pony. Ein paar Stunden? Ich lag stundenlang auf dem OP Tisch? "Ich bin High", sprudelte es konfus aus mir heraus. "Kein Wunder. Du hast ein Cocktail aus Beruhigungs, Nakose und Schmerzmittel intus"
"Fahren wir Heim?" Ich konnte definitiv nicht klar denken. "Nein. Der Arzt meinte, das du noch hier bleiben musst"
"Warum?" 
"Weil du gerade erst operiert wurdest, Dag" Vincent zeigte auf meinen Arm. Meine Sicht war richtig verschwommen, daher war der blaue Gips und der dazugehörige, dünne Schlauch für mich nur zu erahnen. Ich versuchte meine Finger zu mobilisieren, war aber nicht in der Lage sie zu bewegen. "Meine Arm..." Vincent nahm vorsichtig meine Hand in seine, aber ich spürte nichts. "Der Arzt merkte an, das es noch etwas dauert bis deine Finger nicht mehr taub sind"
"Ich bin erschöpft", nuschelte ich lethargisch.
"Das darfst du auch. Mach dir keinen Kopf. Es ist schon spät. Morgen früh bist du wieder richtig bei dir und..."  Den Rest bekam ich gar nicht mehr richtig mit. Mir fielen, obwohl ich versuchte mich gegen die Medikamente zu wehren, erneut die Augen zu und das Narkosemittel rang meinen Körper und Geist erneut nieder.

Clueso
Charite Berlin
Zimmer der Intensivstation
17:54 Uhr

Erst gegen 18 Uhr, rief mich Vincent endlich an. Lotte war mittlerweile ebenfalls in das Krankenhaus gekommen um mich zu besuchen. Sie wurde immer mutiger. "Vincent!"

"Schöne scheiße!"
"Was ist passiert? Alles gut?"
"Ja... Nein..."
"Was denn jetzt? Nun erzähl schon!"
"Sie haben Oskar gefasst"
"Aber das ist doch toll... oder nicht?"
"Ja schon... aber Dag..."
"Ist er... bei euch?" Ich hatte Angst vor der Antwort. "Ja. Aber er ist im Krankenhaus"
"Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Vincent"
"Die haben Dag mit einem überdosierten Beruhigungsmittel außer Gefecht gesetzt. Als die Polizei endlich Eingriff, hat der Komplize von Oskar, der Dag tragen musste, ihn fallen lassen. Er war total desorientiert und kaum ansprechbar. Als ich ihm hoch helfen wollte, hat er seinen Arm so komisch in eine Schonhaltung gebracht. Ich hab mir erst nichts dabei gedacht, weil er nicht wirkte als habe er Schmerzen und Dag offensichtlich nicht wusste was er tat. Er hatte auch nichts gesagt, das Gesicht verzogen oder ein Geräusch von sich gegeben. Jedenfalls nicht das ich es mitbekommen hätte. Im Krankenwagen wurde also nur sein Kinn versorgt, Blut abgenommen und seine Vitalwerte überwacht. Aber als ich ihm die Jacke im Krankenhaus auszog, war sein Ellenbogen komplett blau und sehr dick. Ich hatte daraufhin sofort einen Arzt gerufen. Dags Ellenbogen ist komplett hin. Er ist wohl beim Sturz mit seinem ganzen Körpergewicht drauf gefallen. Sie hatten ihn dann sofort geröntgt und festgestellt das der Knochen gesplittert ist und er sofort in den OP muss. Ich bin bei Dag geblieben bis sie ihn sediert hatten"
"Scheiße. Wie gehts ihm jetzt?"
"Er ist gerade erst aus der Nakose aufgewacht und ziemlich neben der Spur. Scheinbar erinnert er sich nicht mehr an das röntgen oder daran, das ich beim einleiten der Narkose bei ihm war und seine Hand gehalten habe. Wir haben zwar kurz gesprochen aber er ist wieder eingeschlafen. Er brauch noch etwas um wieder bei klarem Verstand zu sein"
"Tut mir leid das ich dich mit Anrufen bombardiert habe. Ich wusste nicht..."
"Schon gut. Ich würde nur gerne hier bleiben. Bei Dag. Ich glaub die nächste Zeit brauch er mich. Nicht nur wegen seinem Arm"
"Okay. Danke Vincent. Für alles. Mit Elif hatte ich schon gesprochen. Es geht ihr gut und sie ist schon Zuhause"
"Gott sei dank"
"Richte Dag gute Besserung von mir aus, ja?"
"Mach ich. Danke Thomas"
"Ciao Vincent"
"Tschüß Thomas!"

Ich legte auf und schilderte alles was in der Zwischenzeit passiert war Lotte. "Es tut mir so leid... Wegen mir ist Dag..."
"Nein Lotte. Hör auf dir die Schuld zu geben. Dag hätte dich auch freiwillig gerettet. Auch wenn er dabei ein Arm hergeben müsste" Ich nahm Lottes Hand und zog sie an mich heran. Die brünette Schönheit setzte sich zu mir aufs Bett. "Dag brauch nur etwas Zeit um sich zu erholen. Früher oder später ist er wieder der alte sein. Wichtig ist, das alle wohlauf sind und Oskar niemanden mehr schaden kann"
"Danke Thomas" Lotte nahm vorsichtig meine Hand und drückte sie. Ihre Wangen wurden leicht rot. Wie süß sie aussah. Viel zu spät merkte ich, das ich ebenfalls rot wurde. Mein Gesicht glühte förmlich. Doch Lotte kommentierte es gar nicht und sprach mir stattdessen nur ein sanfmütiges lächeln zu. 
"Ich bin einfach froh das alles vorbei ist. Jetzt können wir uns alle langsam etwas entspannen. Und ich helfe dir wieder Fuß zu fassen. Wir könnten dir zum Beispiel eine Wohnung besorgen. Und einen Job damit du selber Geld zum Leben hast" Lotte nickte gedankenverloren. Verdammt. Ihre braunen Augen zogen mich verflucht nochmal in ihren Bann. Unsere Gesichter waren nicht mehr weit voneinander entfernt. "Ach mir... hat es bei dir auch gefallen"
"Wirklich?"
"Hm"
"Ich finde es auch ganz schön... mal etwas Gesellschaft zu haben..."
"Na dann... leiste ich sie dir einfach..."
"...wenn du unbedingt willst..."
"Hmm... Aber ich will nicht nur das, Thomas..."
"Was genau meinst du denn, Lotte?", hauchte ich leise. 
"Weißt du... Ich brauche da noch etwas von dir..."
"Das wäre?" Lotte überbrückte die letzten Zentimeter und legte ihre Lippen auf meine. Sie schmeckte nach einer Mischung aus Schokolade und Kaffee. Liebevoll griff ich ihr Gesicht und legte meine Hände an ihre Wangen, während wir den Kuss immer weiter vertieften. 


Stadt der Türme [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt