Kapitel 9

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Damian

Ich sitze auf der Terrasse und atme die kühle Nachtluft ein. Eine innere Ruhe hat sich auf mich gelegt, seit ich Elenas Zimmer verlassen hatte. Seither sitze ich hier draußen und genieße die Stille, um mich herum.

Kräftiges Flügelschlagen erklingt und als ich aufblicke, erkenne ich Camio, der soeben vor mir landet. Seine schwarzen Flügel ausgebreitet, während der Wind sich in den Federn fängt. Er liebt seine Flügel und das Gefühl zu fliegen. Und ich kann ihn verstehen. Früher habe ich es ebenfalls geliebt zu fliegen. Mittlerweile erinnern mich meine Flügel an jenen Tag.

Ich betrachte meinen langjährigen Freund, der mich mit diesem süffisanten Grinsen mustert, dass ich von ihm so gut kenne.

»Hast ja nicht lange gefackelt mit der Kleinen.« Camio grinst und kurz darauf verzieht er sein Gesicht, ehe die bodenlangen Flügel in seinem Rücken verschwinden. »Fickt sie sich gut?«

Ich blicke ihn an, ohne zu antworten. Tatsächlich bin ich noch in Gedanken, denn es war anders mit Elena als mit den Frauen, die wir bisher hatten. Teilweise dachte ich, dass ich sie nicht kontrolliere, doch dann hat sie sich mir wieder willenlos hingegeben. Daher war meine Angst, als sie mich kurz aufgehalten hat, bedenkenlos.

Dennoch war etwas seltsam. Ich hatte schon viele Frauen. Viele Wesen. Dämonen, die mir den Rücken blutig gekratzt haben. Sukkubus, die, ohne schlapp zu machen, sich mir tagelang hingegeben haben. Willige Menschenfrauen und prüde Engel. Damals zumindest.

Doch so wie heute, hat es sich noch nie angefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass meine Lust befriedigt wurde, und eine tiefe Ruhe hat sich über mich gelegt, als ich mich aus Elena gezogen habe. Kraftlos ist sie auf dem Bett zusammengebrochen und augenblicklich eingeschlafen. Eine Zeitlang habe ich sie betrachtet, wie sie ausgebreitet mit ihren blonden Haaren im Bett lag. Friedlich am Schlafen. Ich wollte mich zu ihr legen, sie an mich drücken und die Ruhe, die sie mir geschenkt hat, genießen. Doch ich bin gegangen, ehe ich etwas tue, was ich bereue.

Elena ist ein Mensch. Ein niederes Wesen, mit dem wir Spaß haben werden, bis sie uns überdrüssig wird. Vielleicht hält sie länger durch als die anderen. Vielleicht habe ich mir auch nur etwas eingebildet, da ich momentan unruhiger bin als sonst. Vielleicht brauchte ich einfach nur einen guten Fick und einen Orgasmus, um mich zu beruhigen. Und nicht sie.

»Ah«, raunt Camio. »Dann sollte ich mir wohl selbst ein Bild machen.«

»Lass sie schlafen«, brumme ich. »Sie ist fix und fertig.«

»Seit wann interessieren dich unsere Spielzeuge?«, fragt er mich.

»Tun sie nicht«, antworte ich gelassen. »Du hattest heute bereits deine Chance. Kannst sie morgen haben.«

Ich betrachte Camio, der schnaubt, es aber anscheinend für heute beruhen lässt. Mein Blick gleitet über ihn, seinen nackten Oberkörper und seine Haltung.

Ich spüre, dass etwas nicht stimmt, und nehme den leichten Geruch nach Eisen wahr, der von ihm ausgeht. Er hat es wieder getan. Getötet.

»Ich dachte, du hast es unter Kontrolle«, knurre ich ihn an.

Camio schnaubt. »Habe ich auch. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort.« Er zuckt mit den Schultern, als wäre es eine Kleinigkeit, doch ich spüre, dass es mehr ist. »War sogar ein wenig spaßig, als er panisch durch den Wald geflohen ist«, fügt er mit einem Grinsen auf den Lippen hinzu.

Auch wenn mich der Mensch, den Camio getötet hat, nicht interessiert, ist es mein Freund, der mir Sorgen bereitet. Ich konzentriere mich auf ihn und spüre die Angst, die in seinem Kopf herrscht. Spüre die Verzweiflung und Hilflosigkeit, die er zu verbergen versucht.

Ich seufze. »Camio... Wenn du reden möchtest...«

Sein wütender Blick trifft mich. »Dein Ernst. Wir hatten eine Abmachung. Raus aus meinem Kopf.«

Damit stürmt er an mir vorbei und betritt mit schnellen Schritten das Haus. Seufzend lehne ich mich auf den Sessel zurück. Camio mimt gerne den Coolen, denjenigen, denn nichts stört. Doch innerlich ist er zerrissen und hat Angst. Angst vor dem Dämon, dass in uns schlummert. Es zerfrisst uns langsam aber sicher von innen heraus und nimmt uns den Teil von uns, der wir früher einmal waren. Bald wird davon nichts mehr übrig sein und wir werden zu denjenigen, die sie bereits in uns sehen. Monster.

Lächelnd schüttle ich den Kopf. Er hatte also recht. Damals habe ich ihn nicht verstanden, was es Schrecklicheres als diesen Ort geben soll. Doch jetzt verstehe ich ihn. Verstehe, dass es etwas gibt, das schlimmer als die Dunkelheit und die Stille ist. 

Fallen Angels - Wir sind dein Untergang (Spicy🌶 Romantasy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt