𝟏𝟗. - 𝐔𝐧𝐞𝐫𝐰𝐚𝐫𝐭𝐞𝐭 (𝟐)

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„Trink das", sagte die Hexe, nachdem er zu sich gekommen war, und hielt ihm ein kleines Fläschchen mit einer Flüssigkeit darin hin. „Es ist das Heilmittel. Da ist zwar nur noch wenig drinnen, aber es sollte reichen." Diesmal fand er keine Vorsicht in ihrem Blick, nur Sorge und grenzenlose Dankbarkeit. Klar, er hatte sein Leben auf das Spiel gesetzt. Schon das zweite Mal. Hätte ihn denn sonst jemand respektiert, einfach so? Ohne, dass er jemanden gerettet hätte? Oder war es eben seine Bestimmung – die Anerkennung durch Heldentaten und Schmerz zu erlangen? Der Dieb seufzte, nahm das Gefäß ab und sah sich schweigend um.

Aus irgendeinem Grund waren sie schon wieder in der Welt des Allwissenden gestrandet und keiner von ihnen vermochte zu sagen, wie es dazu gekommen war. Sie alle waren platt und fertig. Nox und Tenebris lagen irgendwo direkt auf dem Boden, sammelten neue Kräfte.

Die Harmonie zerstörte der blaue Wolf mit den roten Augen, der wie aus dem Nichts auftauchte. „Ach, da seid ihr ja! Wundert euch nicht, denn meine Lilie ist leider kaputtgegangen", er nickte in Richtung der gänzlich verwelkten Blume am Boden und eine einzelne Träne löste sich aus seinem Augenwinkel, „deshalb dachte ich, ich bräuchte mal wieder eure unübertroffene Hilfe, meine Boten. Darum habe ich euch hergeholt. Ihr wisst ja, wie ich antimagische Welten hasse."

Riu verkrampfte sich aufgrund der neuen Schmerzenswelle, verdeckte mit seiner Hand die Wunde. Blut quoll zwischen seinen Fingern hindurch. Hastig schüttete er daher den Heiltrank in sich hinein und warf das Fläschchen beiseite.

„Wenn ich ehrlich bin, seht ihr alle verdammt schlecht aus", offenbarte ihnen der Alleswisser als wäre es ein großes Geheimnis und grinste breit, fletschte selbstgefällig seine Zähne. „Oh stimmt, wie konnte ich das nur vergessen: Ihr kommt ja geradewegs aus Somnia. Mein Beileid, meine liebsten Freunde. Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr bei eurem Abenteuer gestört, als ich euch aus der Welt gerissen habe?" Trotz des Spottes in den Worten des Wolfes verspürte Riu den Drang, die Bestie in eine feste Umarmung zu schließen. Gleichzeitig ärgerte ihn die Tatsache, dass der Allwissende sie deutlich früher hätte retten können. Aber er hatte gewartet, um sie zu quälen; gewartet, um sich selbst zu beweisen, wie viel besser er es in seiner langweiligen Welt doch hatte.

„Aber keine Sorge, nachdem ihr mir eine neue Blume von der Kugel geholt habt, kann ich euch sofort zurückschicken!" Jeder protestierte, nur Tenebris fluchte wie üblich, da er noch immer nicht mit den vergangenen Geschehnissen klarkommen konnte. Der Dieb wusste, dass ganz bestimmt jedem die vernünftigen Worte ausgehen würden, sobald derjenige durchlebt hatte, was dem Kater zugestoßen war.

„Danach werden wir selbst entscheiden, wohin wir gehen, großer Herrscher!", entgegnete die Hexe schlagfertig. Der Wolf grinste noch ein wenig breiter, obwohl es dem Dieb beinahe unmöglich vorgekommen war. „Wie Ihr möchtet, Milady!"

Erschöpft sank der Dieb in sich zusammen. Gleich musste er abermals eine Teleportation verkraften, wofür er sich im Moment nicht bereit fühlte. Aber es war nichts, nur ein Kinderspiel, im Vergleich zu dem, was gerade in der Welt der Träume vorgefallen war. Aber sie hatten tatsächlich Glück gehabt, hatten sogar eine Zeit lang dort ausgehalten. Zeit ... Wie viel davon war denn schon in Lornir vorüber? Riu blieb der Atem aus.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er noch hatte.

𝐃𝐢𝐞 𝐍𝐚̈𝐜𝐡𝐭𝐞 𝐯𝐨𝐧 𝐒𝐨𝐦𝐧𝐢𝐚Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt