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Gehen ohne Ziel.
Das war schon immer der beste Weg um mich abzulenken und das ist er auch diesmal. Als Linda mich heimgeschickt hat damit ich mich erhole, wusste ich nicht was ich tun soll. Also bin ich einfach losgelaufen. An der Universität und den ganzen Blicken der Studenten vorbei, dann durch die Innenstadt, in der mich auch einige Menschen angestarrt haben. Jetzt bin ich in einem Park angekommen und die Blicke könnten mir egaler nicht sein. Haben diese Leute noch nie ein verheultes Mädchen spazieren gehen sehen? Ich habe nichtmal verlaufene Mascara im Gesicht weil ich im Normalfall ungeschminkt arbeiten gehe, also kann ich so komisch garnicht aussehen. Ich lasse mich auf eine Parkbank plumpsen und schließe die Augen, in die sich langsam wieder ein verdächtiges brennen schleicht. Nicht hier, nicht jetzt! Reiß dich verdammt nochmal zusammen. Mir schwirren so viele Fragen durch den Kopf:
Wo ist Mason hin?
Wieso hat er das getan?
Bedeute ich ihm etwas oder hätte er das für jeden Menschen getan?
Schließlich ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche. Mir fällt auf, dass ich meine Arbeitsschürze noch trage und wahrscheinlich deswegen von allen angestarrt werde. Ich ziehe sie aus, falte sie unordentlich zusammen und stopfe sie in meine Handtasche. Ich schalte den Flugmodus aus, den ich während der Arbeit immer aktiviert habe und es ploppen ein Dutzend Nachrichten auf. Sowie drei Anrufe. Alle von James. Nervös kaue ich auf der Innenseite meiner Wange herum und überlege, ob ich zurückrufen soll. Genau in dieser Sekunde vibriert mein Handy wieder: James ruft an. Zögerlich hebe ich ab und warte auf seine Stimme. „Ava? Endlich gehst du ran. Wo bist du? Wie geht's dir?" Mich durchfährt eine Welle der Erleichterung, weil er ziemlich normal klingt und sich scheinbar um mich sorgt. „In irgendeinem Park, ich gehe jetzt aber nach Hause.", antworte ich. Es müssten nur ungefähr zwanzig Minuten von hier bis zur Wohnung sein. Ich höre, wie Mason tief durchatmet. „Hör zu, die ganze Sache hat mir irgendwie gezeigt dass das mit dir zu... kompliziert für mich ist." Mein Herz macht einen schmerzhaften Satz. „Ich weiß, du hast heute schon genug durchgemacht, aber ich will einfach nicht, dass du in etwas Hoffnung reinsteckst, wo niemals etwas entstehen kann." Er macht kurz eine Pause. „Es tut mir leid. Pass auf dich auf. Bye." Und dann legt er einfach auf. Ich bin bereits von der Bank aufgestanden also stehe ich nun schon wieder in einer Schockstarre da und weiß nicht womit ich so viel Unglück an einem Tag verdient habe. Meine Unterlippe beginnt unkontrolliert zu zittern und ich versuche, ein Bein vor das andere zu setzen, auch wenn sie sich gerade so schwer anfühlen wie Blei.

Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, vor unserer Wohnung anzukommen. Ich kann mich an den Weg hierher nichtmehr erinnern. Alles fühlt sich gerade an wie im Rausch. Ich lasse meine Handtasche auf dem Boden fallen, sobald ich unser Apartment betrete und schleife mich in mein Zimmer. Mein Bett knarrt während ich mich drauf schmeiße und ich bleibe einfach so liegen. Bestimmt stundenlang. Mein Blick starrt aus dem Fenster, als ich ein leises Schlüsselgeräusch wahrnehme. Joana. Dann höre ich Schritte immer näher kommen bis die Türklinke meines Zimmers runtergedrückt wird. „Ava, du wirst nicht glauben was heute passiert ist!", trällert Joana freudig während sie mein Zimmer betritt. „Oh Gott", fährt aus ihr heraus als sie bei meinem Anblick abrupt zum stehen kommt. „Was ist passiert? Wurdest du gefeuert?" Ich stoße ein Schnauben aus, das klingt wie ein Lachen und drehe mich zu Joana um sie anzusehen. Dann schüttle ich nur den Kopf und kann meine Gefühle nicht mehr innehalten. Ich beginne zu weinen und zu schreien und sie legt meinen Kopf auf ihren Schoß während sie durch meine Haare streichelt. „Was ist passiert?", flüstert sie schließlich nochmal, als ich mich wieder beruhigt habe. Ich erzähle ihr alles bis ins kleinste Detail und ihre Gesichtszüge verändern sich im Laufe dessen immer wieder. Gerade sieht sie zu mir runter und ich könnte schwören, dass ihre Augen auch verdächtig glänzen. „Soll ich ihn mir vorknöpfen?", fragt Joana. Ich brumme kurz. „Welchen von beiden meinst du?" Joanas Mundwinkel zuckt kurz, weil meine Frage sie scheinbar belustigt. „Mason. Aber den anderen kann ich mir als nächstes vornehmen.", entgegnet sie und formt ein vorsichtiges Lächeln um zu schauen, ob ich wieder für Späße zu haben bin. Ich nehme alles dankend entgegen, was die negativen Gefühle in mir wegdrängt.

𝑯𝑰𝑫𝑫𝑬𝑵 𝑭𝑬𝑬𝑳𝑰𝑵𝑮𝑺Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt