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Wir haben mittlerweile Montag und die gesamte letzte Woche war es Sofys Aufgabe, unsere neue Bedienung Courtney einzulernen. Ich bin ein wenig erleichtert, dass ich als Barista aus dem Schneider bin was das angeht, denn ich war letzte Woche ohnehin ganz woanders mit meinem Kopf. Wobei es auch für mich eine große Veantwortung und damit verbunden nicht gerade wenig Druck ist, dass außer mir bisher niemand zusätzlich für die Kaffeebar eingelernt wurde. Mason ist nämlich kein einziges Mal im Café aufgetaucht. Und wenn ich daraufhin keine Bauchschmerzen hatte, hat mein Kopf stattdessen gedröhnt. Als würde mein Körper mir mit allen Mitteln Entzugserscheinungen signalisieren und Mason die einzige Medizin ist, die dagegen hilft. Die gesamte letzte Woche über habe ich immer wieder voller Erwartung auf die Uhr hier im Café geschaut, doch jedes Mal kamen seine Freunde ohne ihn ins Café. Und kein einziges Mal wenn ich mein Handy gecheckt habe, stand sein Name auf dem Bildschirm: Mason antwortet seit unserer gemeinsamen Nacht auf keine meiner SMS mehr. Um genauer zu sein, seit er geschrieben hat, wir würden uns im Café wiedersehen. Ich habe nachgefragt, ob er krank ist, ich habe gefragt ob mit seinem Dad alles okay ist, ich habe mir beste Mühe gegeben, nicht wieder emotional irgendeine fiese Nachricht zu schreiben, die ich im Nachhinein bereuen könnte. Ich habe alles versucht, außer seine Freunde zu fragen. Ehrlich gesagt war die ganze Zeit eine Blockade in mir, die nichts privates mehr mir der Arbeit vermischen wollte. Zudem weiß ich bis heute nicht, wieviel seine Freunde über uns beide wissen. Dennoch halte ich leider keinen weiteren Tag aus, ohne zumindest zu versuchen, mehr Gewissheit zu erlangen. Ich werde heute nach ihm fragen. Ein kleiner Teil von mir hegt noch einen Funken Hoffnung, dass es für sein Verhalten eine plausible Erklärung gibt während ein anderer Teil von mir sich einzugestehen versucht, dass Mason mir offensichtlich immer wieder zeigt, dass er es nicht ernst mit mir meint. Und es tut verdammt weh, die Hoffnung immer weiter schrumpfen zu lassen weil die Zweifel überwiegen. Mein Magen wird schon wieder flau wenn ich daran denke, dass Mason ihnen über unsere besagte Nacht und den Fakt erzählt haben könnte, dass ich zu dem Zeitpunkt noch Jungfrau war. Der Gedanke kommt mir leider nicht ganz abwägig vor weil ich schon mehrfach mitbekommen habe, dass er bei seinen Freunden kein Geheimnis aus Bettgeschichten macht. Bin ich nur eine weitere Bettgeschichte für ihn?
Bevor die Übelkeit richtig aufsteigt, versuche ich mich abzulenken indem ich akribisch die Theke rund um die Kaffeemaschine wische. Und wieder fällt mein Blick auf die Uhr. Es ist soweit. Ich rolle von mir selbst genervt die Augen, drehe mich schließlich um und lehne mich für einen tiefen Atemzug mit dem Rücken an die Kaffeebar, sodass ich den Blick über das halb gefüllte Café streifen lassen kann. Als würde das Schicksal mir helfen wollen, ist Sofy gerade mit Courtney am anderen Ende des Raums beschäftigt. Umso besser, dass ich die Jungs in Ruhe ansprechen kann ohne fragende Blicke meiner Kolleginnen. Mir wird vor Nervosität kurz schwindelig während ich durch unsere Glas-Tür sehe, wie Masons Freunde auf das Café zulaufen. Es ist wie ein kleiner Stich in mein Herz, als ich feststelle, dass Mason wieder nicht dabei ist. Ich atme stockend ein und sammle meinen Mut, um Masons Freunde heute zur Rede zu stellen. Schließlich kommen die Jungs ins Café und ich trete von der Theke hervor und wische nochmal meine schwitzigen Handflächen an meiner schwarzen Jeans ab. „Hey", begrüße ich sie. Sie bleiben stehen und begrüßen mich ebenfalls. „Was gibts, Ava?", fragt Richie, der größte der Clique. Ich verschränke meine Hände vor meiner Brust, weil ich gerade nicht weiß wohin mit ihnen. „Wisst ihr, was mit Mason ist?", bringe ich schließlich heraus. Die Jungs werfen sich binnen Sekunden gegenseitig einen für mich undurchschaubaren Blick zu und wenden sich dann wieder zu mir. „Mason ist... gerade sehr beschäftigt.", sagt Wren, während er sich durch seine schwarzen Haare fährt. Ich ziehe fragend die Augebrauen zusammen und sehe zwischen den Jungs hin und her. „Kommt schon, das reicht mir nicht. Er antwortet auf keine meiner SMS. Ich muss wissen warum.", bohre ich nach. Richie säufzt schließlich und nickt mit dem Kinn in Richtung Tisch, als würde er seine Freunde dorthin kommandieren. Diese hören aufs Wort und verschwinden zu deren Stammtisch. Ich ziehe perplex eine Augenbraue hoch. „Mason hat sich letzte Zeit irgendwie verändert.", sagt Richie schließlich mit dunkler Stimme. „Er kam heute zum ersten Mal wieder in die Uni. Wieso er nicht mit ins Café wollte, wird mir jetzt erst klar." Er sieht kurz mit einem schiefen Lächeln an mir hoch und runter um mir zu signalisieren, dass ich scheinbar der Grund bin. Als ich gerade den Mund öffnen will um etwas zu sagen, unterbricht Richie mich wieder. „Frag ihn am besten selber, wir blicken da auch nicht ganz durch. Wir reden nicht miteinander über Gefühlsscheiß und sowas.", sagt Richie und macht augenblicklich kehrt zu deren Tisch. Ich sehe ihm wie erstarrt hinterher und bemerke, wie Courtney sich zum bedienen an deren Tisch begibt. Kopfschüttelnd wende ich mich wieder der Kaffeemaschine zu. Seine Antworten haben mich irgendwie weitergebracht, irgendwie aber auch überhaupt nicht. Grübelnd kaue ich auf meiner Unterlippe herum und überlege, wie ich am besten Kontakt zu Mason herstelle. Plötzlich kommt mir eine Idee auf und ich mache schonmal alle Rechnungen fertig und räume die verlassenen Tische ab, damit wir heute Mittag pünktlich schließen können.

Mit schnellem Schritt laufe ich Masons Freunden Richtung Campus hinterher und komme mir dabei vor wie eine verrückte Stalkerin. Ich folge ihnen in die Uni und sorge für einen großen Sicherheitsabstand weil ich in meinem Café-Outfit sehr aus der Kleiderordnung der Uni heraussteche und von fragenden Blicken verfolgt werde. Aber ich fokussiere mich mit einem Tunnelblick auf seine Jungs Richie, Wren, TJ und Paul. Sie biegen ab und ich luke vorsichtig um die Ecke. Ich muss wirklich aussehen wie eine bekloppte, die irgendwem hinterherspioniert. Als mein Blick sie findet, stockt mir der Atem. Sie stehen bei Mason und machen sich an ihre Spinde. Ich höre Gemurmel, dass gleich der Sportkurs beginnt und folge der Gruppe immer weiter Richtung Umkleidekabine und Duschen. Shit. Ich fluche in mich hinein, als mir klar wird, dass meine Verfolgungsaktion mit einer Sackgasse endet. Denn die Männerumkleidekabine überschreitet dann doch die Grenzen meiner Möglichkeiten. Hinter mir kommt ein Mann Richtung Umkleidekabine gelaufen, der sehr nach einem Trainer aussieht, denn er trägt eine Sport-Uniform und eine Trillerpfeife um dem Hals. In diesem Moment schalte ich zum Glück schnell und mir kommt eine Notlösung in den Sinn, wie ich heute vielleicht doch noch mit Mason sprechen könnte. „Ähm, entschuldigen Sie bitte!", rufe ich dem vermeintlichen Fitnesstrainer hinterher, als dieser ein paar Meter vor der Umkleide zum stehen kommt und sich zu mir umdreht. Er mustert kurz mein Outfit. „Unbefugte sind hier verboten, das wissen sie hoffentlich. Haben sie sich verlaufen?" Würde er mich nicht so einschüchtern, könnte ich definitiv klarer denken. Stattdessen stammle ich nur herum. „Ich suche... Mason. Hat- hat er gleich bei Ihnen Unterricht?" Nervös kaue ich mir auf der Unterlippe herum. Der Trainer nickt langsam während er mich immernoch mustert. „Der Unterricht beginnt in fünf Minuten.", sagt er. Ich schlucke schwer. „Länger brauche ich auch nicht, versprochen." Als er wortlos in die Umkleidekabine verschwindet und die Tür hinter sich schließt, schließe ich für ein paar Sekunden die Augen und Ungewissheit macht sich in mir breit. Ich bete insgeheim, dass das eine wortlose Zustimmung seinerseits war. Als sich die Türklinke langsam wieder herunterdrückt, atme ich erleichtert aus, als hätte ich die ganze Zeit über die Luft angehalten. Ich muss wirklich verzweifelt aussehen, sonst hätte dieser furchteinflößende Mann sicher kein Auge zugedrückt.
Mason tritt aus der Tür hervor und ist gerade dabei, sich sein Tshirt über den Kopf zu ziehen. Er stockt kurz, als er mich mitten im Flur stehen sieht. Sein enges Sport-Tshirt lässt mich wieder auf seinen muskulösen Oberkörper konzentrieren. Er sieht so verdammt gut aus.
Konzentrier dich, Ava!
Mason wirkt irgendwie verändert, als hätte er irgendwas durchgemacht. Ihm ist ein Dreitagebart gewachsen, seine Haare sind durcheinander und seine Miene verzieht sich keinen Millimeter. Sein Blick wirkt einfach nur leer. „Was machst du hier?", fragt er tonlos als er vor mir zum stehen kommt und zu mir heruntersieht. Seine Worte fühlen sich an wie ein Schlag in die Magengrube und wieder frage ich mich, ob ich mir alle schönen Momente zwischen uns nur eingebildet habe. „Du ignorierst mich seit einer ganzen Weile. Ich bin hier um zu reden", sage ich schließlich leise ohne auch nur für eine Sekunde den Blick von seinen Augen zu nehmen. Mason seufzt und spannt sichtlich die Kiefermuskeln an. „Ich halte das einfach nicht länger aus..." Ich spüre, wie mein klarer Blick aus Enttäuschung ein wenig verrutscht. Ich genehmige mir einen langsamen Atemzug Pause. „Was hälst du nicht länger aus, Mason?" Als ich seinen Namen ausspreche, zuckt sein Kiefermuskel. Er lässt mich wirklich lange auf eine Antwort warten und streicht nach bestimmt einer halben Minute eine Strähne hinter mein Ohr. Automatisch verkleinere ich den Abstand zwischen uns weil mich seine kribblige Berührung wie ein Magnet anzieht. „Dich.", flüstert er schließlich und mir wird unverzüglich schwarz vor Augen.

𝑯𝑰𝑫𝑫𝑬𝑵 𝑭𝑬𝑬𝑳𝑰𝑵𝑮𝑺Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt