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„Ich lasse dich nicht nachts im dunkeln alleine heimlaufen", ruft Mason während er mir hinterherjoggt und mich einholt. Ich rolle nur die Augen und gehe mit geradeaus gerichtetem Blick weiter. Nach einer Weile räuspert er sich. „Ich habe übrigens auch jeden Grund, sauer auf dich zu sein." Ich verziehe ungläubig das Gesicht und stoße einen sarkastischen Lacher aus. Dann beginne ich über seine Worte nachzudenken und in meiner Erinnerung nach einem Moment zu suchen, an dem ich Mason verletzt haben könnte. Er nimmt mir die Aufgabe jedoch ab. „Deine Sms." Sofort bleibe ich stehen und wende mich langsam zu ihm. „Du hast sie gesehen.", wispere ich, als mir das klar wird. Mason nickt nur und schluckt schwer. Ich arme hörbar durch und jetzt bin ich diejenige, die sich ratlos auf der Lippe herumkaut. „Du hast mich im dunkeln ohne eine Erklärung stehen lassen. Für ein anderes Mädchen." Erst sieht er mich reuevoll an, verwandelt seinen Blick bei meinem zweiten Satz jedoch in Skepsis. „Wie kommst du denn darauf?", fragt er sichtlich verwirrt. „Ich hab ihren Namen gelesen... auf deinem Handy.", sage ich während ich mir eine Strähne aus dem Gesicht streiche, die vom leichten Wind schon die ganze Zeit wild herumflattert. Ihm scheint ein Licht aufzugehen. „Louisa?" Er lacht kurz, versucht es aber schnell wieder zu unterdrücken. „Louisa ist meine Schwester." Während mein Blick sich entspannt, wird sein Blick dafür umso ernster. „Ich fasse es nicht, dass ich dir das jetzt erzähle aber mein Dad hat Lungenkrebs. Ziemlich weit fortgeschritten." Ich hebe meine Hand geschockt an meinen Mund. „Und gestern hat mich meine Schwester angerufen, weil er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ich musste sofort dort hin um für meine Familie da zu sein." Er macht kurz eine Pause und wendet seinen Blick ab, weil ihm das Thema sichtlich schwer fällt. „Ist er soweit stabil?", frage ich. Mason atmet hörbar aus. „Ja, danke. Aber trotz allem war es falsch von mir, dich einfach stehen zu lassen und..." Ich unterbreche ihn. „Nein, du hattest jedes Recht dazu. Es tut mir so leid, dass ich so etwas gedacht habe, ohne dich zu fragen!" Er schüttelt den Kopf und sieht mich wieder an. „Ava, ich bin so verkorkst. Wie kannst du immernoch denken ich habe gute Intentionen nachdem ich auf dieser beschissenen Party eine andere gefickt habe?" Er wird mit jedem Wort lauter, bis er am Ende schreit und ich aus Angst zurückweiche. Ich erkenne ihn nicht wieder und bin zum ersten Mal in seiner Gegenwart verängstigt. Und das nichtmal, weil wir mitten auf einer dunklen Straße stehen, sondern wegen ihm höchstpersönlich. Er atmet schwer. „Ich... ich wollte dich nicht erschrecken." Ich blinzle das brennen in meinen Augen weg und wende den Blick ab, um ihn nicht ansehen zu müssen. „Du tust mir nicht gut, Mason", sage ich schließlich, wie Joana es mir schon vor einer Weile gesagt hat. „Das sollte ich auch nicht.", antwortet er schließlich mit kalter Stimme. Als ich meinen enttäuschten Blick wieder auf ihn richte, zucken seine Kiefermuskeln als würde er gerade sehr mit sich kämpfen. Ihn so zu sehen sticht mir mehr in die Magengrube als die Worte, die kurz zuvor aus seinem Mund kamen. „Wer hat dich so sehr verletzt, dass du so bist?", wispere ich als ich ihm eine Hand auf die Wange lege und ihm tief in die Augen sehe. Ich glaube in diesem Moment seine Zähne aneinanderknirschen zu hören. Seine Augen werden verdächtig glasig und er löst sich sofort aus meiner Berührung. „Fuck, ich will nichts für dich empfinden, Ava", sagt er verzweifelt. Masons Brustkorb hebt und senkt sich unübersehbar und ich mache wieder einen Schritt auf ihn zu und lege wie automatisch eine Hand auf seine Brust. Genau auf die Stelle, wo ich sein Herz vermute. Er zieht mich an den Hüften näher zu sich heran und sieht zu mir runter. Mason ist einen guten Kopf größer als ich und ich liebe unseren Größenunterschied. Einen ganzen Moment lang halten wir einfach nur Augenkontakt und ich meine fast schon mein Spiegelbild in seinen feuchten Augen zu erkennen. Aber es kullert keine Träne herunter. „Zoey.", flüstert Mason. Ich halte die Luft an und sehe ihn fragend an. „Wegen ihr kann ich keine andere mehr in mein Leben lassen" Ich löse mich langsam von ihm und bekomme Gänsehaut. „Lass uns weitergehen, du frierst ja schon.", sagt Mason als er meine Gänsehaut bemerkt. „Möchtest du mein Tshirt?"
Ich schüttle den Kopf und wende mich wieder dem Nachhauseweg zu. „Nein, was ich möchte sind Antworten.", sage ich mit rauer Stimme. Ich spüre, wie Mason neben mir mit sich hadert. Als wir einige Minuten vorangekommen sind, beginnt er schließlich zu reden. „Ich machs kurz, sonst halte ich das nicht aus. Zoey ist... - war meine erste große Liebe.", korrigiert er sich selber. „Sie ist mit neunzehn an Leukämie gestorben. Ich habe mir damals versprochen, dass ich nie wieder ein Mädchen so lieben werde wie sie." Mason atmet zittrig ein und ich greife tröstend nach seinem Arm. „Du musst nicht weiter erzählen", flüstere ich. „Doch", entgegnet er mir. „ Als mein Vater dann zwei Jahre nach ihrem Tod auch eine Krebsdiagnose bekam, wollte ich niemanden mehr lieben. Ich habe einfach Angst, dass jeder den ich liebe, mir von dieser Scheiß Krankheit genommen werden könnte. Das stehe ich nicht nochmal durch." Ich sehe ihn mit einem Seitenblick an während er sich eine Träne wegwischt und klammere mich etwas fester an seinen Arm. „Das tut mir so unfassbar leid...", flüstere ich. Mason nickt dankend ohne von der Straße aufzusehen.

𝑯𝑰𝑫𝑫𝑬𝑵 𝑭𝑬𝑬𝑳𝑰𝑵𝑮𝑺Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt