Ich bin heute nach Ladenschluss noch alleine im Café geblieben, um bis spät abends Latte Art zu üben. Mittlerweile kann ich es richtig gut und sehe mich mit stolzem Blick im Spiegel des Fahrstuhls an. Wir haben mittlerweile dreiundzwanzig Uhr und ich freue mich schon, gleich in mein Bett zu fallen und ein komplettes Wochenende frei zu haben. Plötzlich komme ich mir alt vor, weil ich Freitag abends lieber im Bett liege als auszugehen aber so ist das wohl wenn man erwachsen wird. Als das 'ping' des Aufzugs ertönt und ich auf unser Apartment zulaufe, sehe ich sofort dass etwas anders ist. Ich runzle die Stirn und gehe langsam zur Wohnungstür, die einen Spalt offen steht. Als ich diese öffne, fällt mir Joana erleichtert in die Arme. „Endlich bist du da, Ava. Mason stand plötzlich vor unserer Tür und ist einfach reingeplatzt als ich aufgemacht habe." Sie deutet auf Mason, der mit einer Glasflasche in der Hand gegen die Küchentheke gelehnt sitzt und uns mit leerem Blick ansieht. „Seit dem wollte er nicht gehen bis er mit dir gesprochen hat. Ich war so kurz davor die Polizei zu rufen aber er hat mich angebettelt, erstmal auf dich zu warten. Er sitzt schon seit circa einer dreiviertel Stunde hier auf dem Küchenboden!" Ich schüttle leicht den Kopf, weil ich meinen Augen kaum traue. Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. „Ach und fast hätte ich es vergessen: Er ist sturzbesoffen." Joana verzieht das Gesicht angeekelt und lässt mir den Vortritt. Ich erkenne schließlich, dass die halbleere Flasche in seiner Hand hochprozentiger Alkohol ist. Ich versuche die Wut, die in mir aufsteigt, zurückzuhalten. Als ich ihm zuerst die Flasche abnehmen will um diese wegzustellen, reißt er sie mit Schwung an sich und verschüttet dadurch einige Tropfen. Ich seufze genervt. „Sorry", lallt er schließlich. „Wenn du wirklich denkst ich werde in diesem Zustand ein anständiges Gespräch mit dir führen, hast du dich geschnitten", gebe ich von mir und klinge dabei wie eine Mom. Angewidert verziehe ich meine Oberlippe. Ich knie mich zu ihm runter und versuche, Augenkontakt herzustellen aber sein Blick ist so leer und seine Pupillen so groß, dass ich sicher bin, dass er nicht 'nur' Alkohol intus hat. „Mason, geh bitte wieder.", versuche ich in klarem Ton auf ihn einzureden. Er schnaubt unzufrieden und versucht sich an der Küchentheke hochzuziehen, lässt sich dann aber doch wieder auf den Boden plumpsen. „Wir können ihn in diesem Zustand nicht einfach seinem Schicksal überlassen.", meldet sich schließlich Joana zu Wort. Ich reibe verzweifelt meine Stirn weil ich weiß dass sie mal wieder recht hat. Ich denke kurz nach, was ich bei meinen Eltern immer getan habe, um sie wieder einigermaßen nüchtern zu bekommen und schenke Mason erstmal ein Glas kaltes Wasser ein. Als er belustigt darüber schmunzelt, nutze ich den Moment um die Flasche in seiner Hand gegen das Glas Wasser auszutauschen. Ich stelle die Flasche auf die Theke und kümmere mich um den nächsten Schritt: Einen Lappen in kaltes Wasser tränken und ihm auf die Stirn oder auf den Nacken legen. Ich hocke mich vor ihm hin um ihm den nassen Lappen auf die Stirn zu drücken, da fährt er mir mit einer Hand durch die Haare. Ich schließe kurz die Augen um jegliche Gefühle, die mein Körper mir als Reaktion auf seine Berührung sendet, zu unterdrücken. „Es tut mir leid", lallt Mason. Auch wenn seine Stimme mittlerweile etwas klarer klingt, bin ich mir sicher dass er sich morgen nicht mehr an seine Worte erinnern kann. „Joana, kannst du bitte die Fenster öffnen?" Sie brummt zustimmend und geht meiner Bitte sofort nach. Ich schiebe Masons Hand mit dem Glas Wasser zu seinem Mund, weil er mich nur pausenlos anstarrt. „Trink", fordere ich ihn auf. Endlich nimmt er ein paar Schlücke und ich atme ein wenig erleichtert auf. Scheinbar ist er noch ansprechbar und versteht was ich ihm sage - immerhin. Joana hat sich mittlerweile an die Kücheninsel gelehnt und beobachtet das Szenario mit ein wenig Sicherheitsabstand. „Vielleicht sollte er auf der Couch schlafen... In diesem Zustand wird er womöglich einfach auf die Straße laufen und von einem Auto erfasst, das wäre viel zu verantwortungslos von uns wenn wir ihn so gehen ließen." „Daran habe ich auch schon gedacht", gebe ich zu und sehe Joana kurz über meine Schulter an. „Ich hole einen Eimer, Kissen und Decke", sagt sie und begibt sich direkt auf die Suche nach den Gegenständen. „Ach, Mason", meckere ich, während ich den Lappen von seiner Stirn nochmal mit kaltem Wasser abwasche. Er legt seinen Kopf in den Nacken um zu mir hochzusehen. Sein Blick wirkt so traurig, fast wie von einem hilflosen Welpen. Der Augenkontakt, den ich die gesamte Woche versucht hatte zu vermeiden, nimmt mich gerade komplett ein. Sekundenlang sehe ich zu seinen blaugrünen Augen herunter, auch wenn die pupillen riesig sind und der Blick noch so leer scheint. Ich habe das Gefühl, ich sehe darin ihn. Ich schüttle den Kopf um wieder klarer denken zu können und versuche ihn nun, zur Couch zu hieven. Mason schafft es mit meiner Hilfe aufzustehen und zum Sofa zu taumeln. Kaum liegt er auf dem Sofa, schließt er die Augen. Ich decke ihn mit der Decke zu, die Joana bereitgelegt hat und schaue ihn einen Moment lang einfach nur an. Ich höre Joana mittlerweile duschen. Bei Mason schaffe ich es sogar, den abstoßenden Alkoholgestank der von ihm ausgeht, auszublenden. Ich konzentriere mich nur auf seine zerzausten Locken, sein markantes Gesicht und seine vollen Lippen. Langsam versuche ich ihm seine Cap vom Kopf zu ziehen, als er brummt und ich zusammenzucke. „Das kann doch nicht bequem sein", flüstere ich und lege die Cap beiseite, damit er besser schlafen kann.
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𝑯𝑰𝑫𝑫𝑬𝑵 𝑭𝑬𝑬𝑳𝑰𝑵𝑮𝑺
RomanceObwohl Ava und Mason in komplett verschiedenen Welten leben, treffen sie auf unerwartete Weise aufeinander. Die Kellnerin aus ärmlichen Verhältnissen und der reiche, kaltherzige Aufreißer. Zwischen Missverständnissen und überraschenden Wendungen ent...