Kapitel 2

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Am nächsten Morgen wache ich mit dröhnenden Kopfschmerzen auf. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ein Lastwagen ihn überrollt. Ich nehme das leise Gähnen von Stella wahr, bevor ich das Gewicht spüre, als sie sich ans Fußende meines Bettes setzt. „Wo warst du gestern?", fragt sie mich neugierig und ein wenig besorgt. Ich drehe mich mühsam zur Seite, um sie anzusehen.

„Mir ging es nicht so gut", antworte ich matt. Die Erinnerungen an die letzte Nacht blitzen vor meinem inneren Auge auf: Andrew und ich auf der Toilette, der Kuss, der Sex. „Fuck!", entfährt es mir lauter als beabsichtigt, und ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.

„Was ist los?", fragt Stella mit besorgtem Blick. „Ist gestern etwas passiert?"

Ich schüttle hastig den Kopf. „Nein, mir war einfach nur schwindelig. Deswegen bin ich früh nach Hause gefahren", lüge ich, während mein Herz rast.

„Alleine?", fragt Stella, ihre Stimme voller Sorge.

„Ja, ich habe mir ein Taxi genommen", versuche ich sie zu beruhigen, obwohl die Lüge schwer auf meiner Zunge liegt.

Stella steht auf, geht zu ihrem Kleiderschrank und zieht eine Hose heraus. „Warum hast du nichts gesagt? Ich hätte dich begleitet", sagt sie, während sie sich die kurze Hose anzieht.

Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Ich wollte dir den Spaß nicht verderben, den du auf der Tanzfläche hattest", sage ich und zwinge mich zu einem schwachen Grinsen.

Stellas Wangen färben sich rosa. „Oh mein Gott, erinnere mich bloß nicht daran", murmelt sie verlegen.

„Warum nicht?", frage ich neugierig.

Stella setzt sich auf ihr Bett und vergräbt ihr Gesicht in den Händen. „Er konnte wirklich gut tanzen, aber als wir uns geküsst haben... da war es vorbei. Seine Zunge machte so seltsame Bewegungen, das war total unangenehm und eklig", gesteht sie.

Die Vorstellung, wie seine Zunge sich wie eine Waschmaschinentrommel bewegt, bringt mich zum Lachen. „Du gerätst auch immer an solche Typen", necke ich sie und versuche, meine eigenen Gedanken an die letzte Nacht zu verdrängen.

Der Raum um uns ist ruhig, das Licht des frühen Morgens flutet durch die halb geöffneten Vorhänge und taucht alles in ein sanftes, goldenes Licht. Die vertraute Umgebung unseres Zimmers bietet einen trügerischen Trost, während mein Inneres ein Chaos aus Schuld und Verwirrung ist. Stellvertretend für die Normalität, die ich so verzweifelt zu bewahren versuche, lacht Stella leise mit, doch mein Lächeln fühlt sich hohl an.

Stella blickt mich eine Weile an, dann steht sie entschlossen auf. „Komm schon. Es hilft nichts, hier herumzuliegen. Lass uns frühstücken gehen. Mateo wartet im Café auf uns", sagt sie mit einem aufmunternden Lächeln.

Ich seufze tief und drücke die Hand gegen meine pochende Stirn. „Ich weiß nicht, Stella. Ich fühle mich einfach nicht danach", murmele ich.

„Genau deswegen musst du raus", erwidert sie energisch. „Ein bisschen frische Luft und ein gutes Frühstück werden dir guttun." Sie kommt näher und zieht die Bettdecke ein Stück zurück. „Los, hoch mit dir."

Widerwillig setze ich mich auf und schwinge die Beine über die Bettkante. „Okay, okay, du hast gewonnen", sage ich resigniert.

Stella lächelt triumphierend. „Gut so."

Langsam stehe ich auf und mache mich fertig. Im Badezimmer werfe ich einen Blick in den Spiegel. Meine Augen sind müde und meine Haut blass. Ich atme tief durch und versuche, die Gedanken an die letzte Nacht zu verdrängen. „Reiß dich zusammen", flüstere ich mir selbst zu.

Ein paar Minuten später trete ich aus dem Badezimmer, frisch angezogen und mit zusammengebundenem Haar. „Bereit", sage ich, obwohl ich mich alles andere als bereit fühle.

Stella nickt zufrieden. „Das ist die richtige Einstellung. Los geht's." Wir verlassen das Wohnheim und machen uns auf den Weg zum Café.

Die frische Morgenluft fühlt sich tatsächlich belebend an, und ich bemerke, wie sich meine Kopfschmerzen langsam legen. Als wir das kleine, gemütliche Café erreichen, fällt mein Blick sofort auf Mateo. Das Café, mit seinen warmen Holztischen, den gemütlich arrangierten Sesseln und den großen Fenstern, durch die das weiche Morgenlicht strömt, strahlt eine einladende Atmosphäre aus. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und ofenwarmen Croissants liegt in der Luft und lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Mateo sitzt an unserem üblichen Tisch in der Ecke, sein Gesicht erhellt sich mit einem breiten Lächeln, als er uns sieht. Seine schwarzen Haare sind zerzaust und verleihen ihm einen charmanten, unordentlichen Look, während seine strahlend blauen Augen einen Kontrast dazu bilden und ihm eine besondere Ausstrahlung verleihen.

„Da seid ihr ja!", ruft er und steht auf, um uns zu begrüßen. Er gibt Stella eine kurze, herzliche Umarmung und zieht mich dann in seine Arme, drückt mir einen schnellen Kuss auf die Lippen. „Hey, du siehst müde aus. Alles in Ordnung?", fragt er besorgt und mustert mich aufmerksam.

„Ja, nur ein bisschen Kopfschmerzen", antworte ich und zwinge mich zu einem Lächeln.

Mateo zieht einen Stuhl für mich heraus und lächelt aufmunternd. „Setz dich. Ein gutes Frühstück und ein Kaffee wirken Wunder", sagt er ermutigend.

Während wir uns setzen, bemerkt ein freundlicher Kellner unsere Ankunft und kommt sofort an unseren Tisch, ein Notizblock und ein Stift in der Hand.

„Guten Morgen! Was darf ich Ihnen bringen?", fragt er mit einem Lächeln.

Stella strahlt ihn an. „Für mich bitte einen Latte Macchiato mit viel Karamell und ein Avocado-Brot mit Ei."

Mateo nickt dem Kellner zu. „Wie immer, einen schwarzen Kaffee und ein Schokobrötchen, bitte."

Ich lächle leicht und füge hinzu: „Ich nehme einen Kaffee mit Milch und ein Croissant mit Käse und Schinken."

Der Kellner notiert alles und verschwindet, um unsere Bestellung aufzugeben.

Mateo lehnt sich zurück und schaut uns neugierig an. „Also, wie war euer Abend gestern?"

Stella lacht und beginnt sofort zu erzählen. „Oh, es war fantastisch! Wir haben einen wirklich netten Typen getroffen. Er hat uns jede Menge Drinks ausgegeben und wir hatten einfach eine Menge Spaß."

Während Stella spricht, verschwimmen ihre Worte für mich. Meine Gedanken driften ab zu dem, was letzte Nacht passiert ist. Das schlechte Gewissen nagt an mir und ich fühle mich, als wäre ich in Trance. Mateo... ich habe ihn betrogen. Der Gedanke lässt mich innerlich zusammenzucken.

Der Kellner kehrt mit unserer Bestellung zurück und stellt die Getränke und das Essen vor uns auf den Tisch. Stella und Mateo beginnen sofort zu essen, während ich nur mein Essen anstarre und darin herumstochere, unfähig, einen Bissen zu nehmen.

Mateo bemerkt meine Unruhe und legt seine Hand sanft auf meine. „Angel, was ist los? Du scheinst völlig abwesend. Ist wirklich alles in Ordnung?"

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, obwohl mein Herz schwer ist. „Ja, alles okay," sage ich, doch meine Stimme klingt unsicher.

Mateo sieht mich forschend an, seine blauen Augen durchdringen mich mit ihrer Intensität. „Ich kenne dich. Irgendetwas stimmt nicht. Bitte, sag mir die Wahrheit."

Mein Herz rast, und ich fühle, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet. Der Druck, die Wahrheit zu sagen, lastet schwer auf mir, doch die Angst vor den Konsequenzen hält mich zurück. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, aber die Worte bleiben mir im Halse stecken. Stella sieht zwischen uns hin und her, spürt die Spannung, sagt aber nichts.

Die Atmosphäre am Tisch ist plötzlich geladen, und ich weiß, dass ich nicht mehr lange schweigen kann. Mateo hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, aber wie soll ich ihm etwas so Schmerzhaftes beichten?

Verbotene Frucht | GERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt