Kapitel 2

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Lily

Ein lautes Schnurren direkt neben meinem Ohr, welches einem knisternden Kaminfeuer gleichen konnte, weckte mich auf. Müde blinzelnd öffnete ich die Augen und blickte Snuggles entgegen, der mit seinen wachsamen Katzenaugen fest in meine starrte.
"Na, du großer Teddybär. Wie lang beobachtest du mich? Du wirst noch zu einem richtigen kleinen Voyeur!", begrüßte ich ihn mit rauer, verschlafener Stimme. Er blinzelte mir, als wäre es eine ernst gemeinte Zustimmung, entgegen.
Ich streckte die rechte Hand unter meiner Bettdecke hervor, damit ich den flauschigen Kopf des riesigen Katers kraulen konnte. Snuggles maunzte zufrieden, rappelte den schweren Körper auf und fing an, seine morgendlichen Yoga-Übungen durchzuführen. Den Körper zum ruhenden Kätzchen gestreckt, machte ich es ihm gleich nach, kämpfte mich unter der Decke vor und setzte mich im Bett auf. Die Arme nach oben gestreckt, gähnend und noch gar nicht bereit für den heutigen Tag, brummte ich als Bestätigung zu seinem erneuten Miauen und stand auf. Das blaue Top, was in der Nacht verrutscht war, richtete ich neu. Denn nicht selten flutschten Körperteile an den Seiten hindurch; besonders Frauen mit großer Oberweite kannten das Problem.
Mit leisen Schritten tapste ich in den beleuchteten Flur und deutete damit, dass Smilla bereits wach war. 
"Guten Mooorgeeeen!", rief ich in die Stille hinein und bekam sogleich ein "Naa, gut geschlafen?" zurück. Ich schüttelte mit dem Kopf, was meine Mitbewohnerin, so fiel mir ein, ja nicht sehen konnte und fügte deshalb noch ein gähnendes "Ja, wie die Prinzessin auf der Erbse" hinzu. Die Nacht heute war tatsächlich ziemlich ruhig verlaufen. Ein echtes Wunder, wofür ich wirklich dankbar war.
Nachdem ich mich im Badezimmer frisch gemacht hatte und nun nicht mehr ganz so fertig wie vor einer halben Stunde aussah, lief ich in das Wohnzimmer. Dort sah es aus, als wäre eine Bombe ein geschlagen. Heute war ein besonderer Tag, denn wir beide blieben zu Hause. Carlos, der wegen einer schweren Sommer-Grippe für zwei Wochen ausgefallen war, war wieder zurück und durfte das Café mit Siri und ihrem angeknacksten Knöchel auf Trab halten. Für Smilla und mich eine pure Erleichterung, denn die letzten Tage hingen uns jetzt noch tief in den Knochen.
Smilla, Pflanzen-Verrückte seit ich sie kannte, hockte mit einer riesigen, durchsichtigen Kiste Erde, verschiedenen Utensilien zum Eintopfen und den entsprechenden Opfern auf dem Boden und drückte gerade auf einem schwarzen Plastiktopf herum, der bereits so durchwurzelt war, dass das Wurzelwerk unten heraus schaute. Ihre braunen Haare, die womöglich einmal einem ordentlichen Pferdeschwanz glichen, standen durcheinander ab. Auf der Stirn war eine Zornesfalte zu sehen.
"Diese Ziege hat es echt nötig!", sagte Smilla, stöhnte laut auf und legte den Kopf in den Nacken, weil sie es störte, dass der Topf nicht nachgeben wollte. Dezent wütend schnappte sie nach einer Schere, setzte an und schnitt den oberen Rand ein. Das es die Küchenschere war, die ausschließlich für Küchenarbeiten vorgesehen war, ließ ich in diesem Moment außer acht. Genau jetzt wollte ich mich nicht durch solche Banalitäten mit Smilla streiten. Am Ende würde noch Irgendwas geflogen kommen.
Deshalb bließ ich nur die Backen auf und schnappte mir einen der vielen selbstgebackenen Kekse ihrer Mutter, die in einer Metalldose auf dem Tisch standen.
"Pass auf, dass du dich nicht selber verletzt. Was du machst, sieht ziemlich brutal aus", fügte ich meine Befürchtungen hinzu und beobachtete das Spektakel. 
Ein Knirschen, dicht gefolgt von einem dumpfen Laut. "Mist!", fluchte meine Mitbewohnerin und hielt den Topf in den Händen... an dem noch einige Wurzeln hingen, die abgebrochen waren.
"Es tut mir so so leid!", meinte Smilla mit trauriger Stimme und streichelte vorsichtig die Blätter ihrer vorher betitelten Ziege.
"Puhhh", seufzte ich und rieb mir die Stirn. Ihr konnte man echt nicht dabei zu sehen. Jedes Mal war sie zuerst stark am Fluchen, ehe es ihr Leid tat dass ihre Pflanzen litten und das ein oder andere Blatt verloren. Oder wie in diesem Fall ihre Wurzeln.
"Das dauert ewig, bis die nachgewachsen sind", stöhnte Smilla erneut und kratzte die Reste mit dem Handfeger zusammen, die einmal ein Teil der Pflanze gewesen waren. Das volle Kehrblech leerte sie dann im daneben stehenden Mülleimer aus.
"Kann ich dir helfen?", fragte ich, obwohl ich genau wusste das sie verneinen würde. Die Pflanzen waren ihr Heiligtum und mit meinen grauen Daumen sollte ich mich ja fern von ihnen halten. Nicht dass die über mehrere hundert Kronen teuren Lieblinge ihre Köpfe hängen ließen. Das Pflanzen-Hobby war nämlich eine sehr intensive, Geld raubende Angelegenheit die sehr viel Zeit in Anspruch nahm.
"Nein, ich komme ganz gut alleine klar", sagte Smilla und bestätigte meine Vermutung, dass ich hier fehl am Platz war. Sie hielt bereits eine neue Pflanze in den Händen. Die, die gestern durch Snuggles so leiden musste. Den Blick fest auf die abgebrochenen und auf die noch heilen Blätter gerichtet, seufzte die Brünette energisch und fing erneut ihr Handwerk an. Knack, Knack brach sie die kaputten Teile ab, zerknüllte und stopfte sie in den Mülleimer. 
"Ich hoffe du weißt was du angerichtet hast!"
Tadelnd schaute Smilla Snuggles an, der damit beschäftigt war, so zu tun als wäre nie Etwas geschehen. Stattdessen zuckten nur die spitzen Elfenohren, während er der Aufgabe nach ging, sein Fell ordentlich zu säubern.

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