Regen, Kaffee und Titanic? ~ Kurzgeschichte

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Die frische, fast salzige Luft bahnte sich ihren Weg durch meinen Körper, während meine Hände auf der kalten Reling lagen. Am Horizont ging die rote Sonne hinter dem unendlich erscheinenden Ozean unter. Der Anblick war wunderschön. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Ich darf meinen Chef mit nach Amerika begleiten. Übermorgen sollten wir in New York ankommen. Ich war noch nie so weit von zu Hause weg und jetzt stehe ich hier. Es ist 1912 und ich stehe an der Reling des größten und schnellsten Dampfschiffes der Welt, die Adonic.

Ich musste zugeben, auch wenn ich in den unteren Klassen reiste, war der Service hier nicht schlecht. Es wurde sich gut um und gekümmert, ob es sich jetzt um irgendwelche Fragen handelte oder Essen, Trinken oder etwas ganz anderes. Auch musste ich sagen, dass die Betten hier echt gemütlich waren. Auch wenn ich mit noch zwei anderen Leuten in einem Raum schlief, musste ich zugeben, dass es mich nicht störte. Die beiden waren ganz in Ordnung und wir verstanden uns echt gut.

Später am Abend saßen wir alle zusammen und spielten an unserem kleinen Tisch Karten, die der Holländer unter uns mitgebracht hatte. Auch wenn wir alle aus verschiedenen Ländern kamen, ich Russland, Willfried der Holländer und Karl aus Deutschland, konnten wir uns echt gut unterhalten. Naja... mehr oder weniger. Ich kann russisch und ein paar Brocken deutsch. Karl spricht deutsch und ein wenig russisch. Willfried kann holländisch und deutsch. Wir lachten viel, der Alkohol floss nicht gerade wenig und ein paar Zigarren wurden geraucht (wo auch immer Willfried die her hatte...).

Grade als ich am Gewinnen war, klopfte es plötzlich an unserer Tür und sie wurde stürmisch geöffnet. Es kam ein junger Matrose reingestolpert. Verwirrt sahen wir ihn an und er stellte sich gerade hin. ,,Werte Herren," begann er ruhig, aber dennoch wirkte er ziemlich nervös. ,,Der Kapitän wünscht, dass jeder Passagier zu den Rettungsbooten geht," erklärte er kurz. Er sprach mit einem mir unbekannten Akzent deutsch, weswegen ich Mühe hatte ihn zu verstehen. Ich hatte nur ,,Kapitän" und ,,Passagier" verstanden, weswegen ich fragend zu Karl sah. Dieser war ganz blass geworden und seine Augen waren geweitet. ,,Gehen wir unter?", fragte er geschockt. Ihn hatte ich verstanden und wurde jetzt genauso blass. Der Matrose sagte nichts mehr, sondern sah nur bedröppelt auf zum Boden. ,,Der Kapitän wünscht sie an Deck," sagte er nochmal und verschwand dann aus der Tür.

Ich schluckte einmal und sah dann zu den anderen. ,,Dann sollten wir wohl nach oben...", stellte der Holländer mit schlechtem Deutsch fest. Karl nickte nur und wir standen zusammen auf. Wir machten uns auf den Weg nach oben, vorbei an vielen Passagieren, die entweder panisch oder erschreckend ruhig sich den Weg ans Deck bahnten. Als wir oben waren erkannte ich mehrere Personen, die mit Stapeln von Rettungswesten umherliefen um sie zu verteilen. Nach einem kurzen Überblick fiel mir allerdings auf, dass sie lange nicht für alle reichen würden. An der Reling waren mehrere Männer damit beschäftigt die Rettungsboote seetauglich zu machen, den panischen Passagieren ins Boot halfen und sie ins Wasser zu lassen. Karl hatte ich mittlerweile aus den Augen verloren, nur Willfried stand noch neben mir. Wir sahen uns kurz an, nickten uns zu und gingen dann los. Ein stiller Abschied zwischen zwei Kumpanen sozusagen.

An mir vorbei liefen viele verschiedene Menschen. Von jung bis alt, von reich bis arm war alles dabei. Ich sah mich nach einen der Männer um, die die Rettungswesten verteilten, doch ich sah niemanden mehr. Leicht panisch sah ich mich um, doch ich sah niemanden mehr, der welche hatte. Die Passagiere, die welche hatten, haben sie sich übergezogen und tummelten sich bei den Booten. Resignierend wurde ich ganz still. ,,Wenn ich es nicht auf eins der Boote schaffe, dann sterbe ich...", schoss es mir durch den Kopf. Gedankenverloren blieb ich stehen und starrte zu den Booten. Viele der Passagiere hatten Mühe in die Boote ui gelangen, besonders die Kinder und Frauen. In dem Moment packte mich ein Entschluss: Ich würde so vielen Menschen wie möglich in die Boote helfen!

Kurzgeschichten eines SchakalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt