13 - Zwischen falsch und richtig

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Wieso konnte sie nicht zuhause im Bett liegen und unter der Decke verschwinden.
Mit diesem Gedanken fuhr Celia auf den Parkplatz vor dem hübschen Café. Hier konnte man gut Eis essen, Kaffee trinken und der See mit dem Rundwanderweg war perfekt für einen kleinen Spaziergang. Das alles wäre sehr idyllisch und überhaupt nicht anstrengend..., wenn sie nicht wüsste, wofür sie heute hier wäre. Der Flug hing der Schwarzhaarigen noch in den Knochen, als sie ihre Tasche vom Beifahrersitz nahm und ausstieg. Sie hatte Semesterferien, wie Sarah auch schon, doch im Unternehmen ihrer Eltern war viel zu tun und durch ihr neustes Projekt, lernte sie gerade fleißig chinesisch, was unfassbar interessant und kräftezehrend zugleich war. Sarah hatte in der Schweiz zu ihr gesagt, dass sie kürzertreten musste, doch Celia sah sich ständig vor einer Liste an Dingen stehen, die sie erledigen musste und kaum war eine Sache geschafft, kamen zehn weitere dazu. Manchmal bräuchte sie einen sechzig Stunden Tag, oder zwei Wochentage mehr.
Kaum hatte die Dunkelhaarige die Autotür zugeschlagen, sah sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel und gegen ihren Willen, spannte ihr Körper sich an. Als würde jede Zelle ihres Verstandes wissen, wer in ihrer Nähe war. Diese Reaktion war unnatürlich und erinnerte sie an die erste Zeit ihrer Beziehung, als alles neu und aufregend gewesen war. Es kam ihr vor, als wäre sie damals ein anderer Mensch gewesen. Als hätte eine andere Celia dort existiert. Vielleicht hatte Sarah recht und sie sollte sich mehr Zeit für sich nehmen.

„Hi", hörte sie Bennys Stimme sagen, Celia hob den Kopf und ihre Augen begegneten sich. Ihr stockte der Atem und jeder klare Gedanke, dass sie cool und standhaft bleiben musste, löschte sich aus ihrem Kopf.
Benny stand vor ihr, das schwarze Haar durcheinander wie immer und mit einem Gesichtsausdruck, bei dem ihr das Herz schnellerschlug. Was lange nicht mehr in seiner Gegenwart passiert war. Er wirkte wie verwandelt, die Härte in seinem Blick war verschwunden und er sah aus, als wäre er unendlich erleichtert, sie zu sehen.
Verdammt, ihr Körper reagierte auf ihn, als wäre er eine Droge! Celias Augen rutschten zu Bennys Lippen, der Gedanken an ihren Streit schoss durch ihren Kopf wie ein giftiger Pfeil und erinnerte sie daran, was er ihr angetan hatte. Plötzlich wusste sie, warum sie angespannt war. Das Vertrauen, welches sie einst in Benny gehabt hatte, fehlte.

„Morgen", antwortete sie recht steif. „Wartest du schon lange?"
„Nein, gerade erst ein paar Minuten", gab ihr Gegenüber zurück. Hach, wie herrlich entspannt sie doch miteinander waren! Celia atmete langsam aus, bevor sie ohne ein weiteres Wort davonlief und Benny ihr einfach folgte.
„Wie war dein Heimflug?", wollte Benny wissen und ging neben ihr her, Celia schluckte. „Das ist nicht wichtig. Fängst du an oder ich?" Er antwortete nicht, daher ergriff sie kurzerhand die Initiative. „Wieso hast du mich angerufen? Wer hat dich zur Vernunft gebracht?"
Benny seufzte und strich sich die Haare aus dem Nacken. Das tat er immer, wenn er nervös war und es nervte Celia zu Tode, dass sie diese Angewohnheit in- und auswendig kannte.
„Zuerst war ich verdammt sauer", gab Benny schließlich zu. „Ich fühlte mich missverstanden und in diesem Moment...war es mit völlig egal, dass du weg warst. Schon ein paar Stunden später wollte ich dich anrufen, aber ich war stolz, Celia. Zu stolz, um dir zu sagen, dass es scheiße war, was ich da angerichtet habe."
„Auch schon draufgekommen", brummte Celia und erhielt einen Seitenblick der Zweifel von Benny. „Dann klopfte die Realität an", erzählte er weiter, „in Gestalt meines sehr wütenden, unendlich bewundernswerten Cousins. Will war stocksauer, so habe ich ihn noch nie erlebt. Und dann... tauchte dein Vater auf und holte Tex..."

Er ließ den Satz in der Luft hängen, Celia schluckte tief. „Ich wollte ihn nicht mehr auf Horseland haben. Ich konnte nicht mit dem Gedanken leben, dass Michelle ihn nochmal reiten würde. Deswegen habe ich ihn abholen lassen und weil ich dachte, wir beide fangen uns nicht mehr. Ich hätte jemandem Bescheid geben müssen. Aber Michelle-"
„Ich habe sie nicht mehr in die Nähe deines Pferdes gelassen, Celia", erklärte Benny sichtlich getroffen. „Will hat mich angesprochen, nachdem dein Vater Tex abgeholt hat und... in diesem Streit, hat er mir alles vor die Füße geworfen. Dass du meinetwegen davongerannt bist, weil ich dich nicht mehr wertgeschätzt habe...trotz allem, was du immer für die Ranch tust. Er sagte, dass ich eines Tages ganz allein sein werde, wenn ich nicht mein Verhalten überdenke. Im Grunde war er sehr deutlich in seiner Meinung. Ich denke, der Streit mit Sarah hat ihm mindestens genauso zugesetzt, wie mir der Streit mir dir."
„Das hat Will gesagt?", fragte Celia ehrlich überrascht. „Ein Ausbruch dieser Art sieht ihm gar nicht ähnlich." „Er war mit nichts, was ich getan habe, einverstanden", murmelte Benny. „Weder mit meiner Art, die Ranch zu führen, noch damit, wie ich mir dir umgegangen bin, dass ich dir nicht beim Stalldienst geholfen habe und am Ende das mit Michelle. Er meinte, dass ich froh sein sollte, wenn du je wieder ein Wort mit mir reden würdest. Und er hat recht."

Benny blieb stehen und ergriff Celias Arm, sodass sie sich zu ihm umdrehte. Auf dem See schwammen ein paar Enten und wenige Meter von ihnen entfernt, schmiss ein älteres Pärchen ihnen Futter ins Wasser. Trotz der warmen Mittagssonne, verspürte Celia einen kalten Stich im Herzen, als sie Benny in die Augen sah und das Gesicht eines vollkommen verzweifelten Mannes erblickte.
„Benny, unsere Beziehung war schon vor der Sache mit Tex und Michelle kaputt. Sieh es ein, wir hatten zwar Sex, aber eigentlich bestand unsere Beziehung nur noch daraus, dass wir im Bett harmonieren, sonst überhaupt nicht. Ich habe ganz anderer Vorstellungen wegen meiner Zukunft und du hast Erwartungen, die ich nicht erfüllen kann. Du erdrückst mich-"
Scheiße, gleich stand sie nackt vor ihm. Sie sah genau den Moment, in dem Benny eins und eins zusammenzählte. „Das heißt... du möchtest Horseland nicht führen?", fragte er flüsternd und Celia spürte, wie ihr Herz panisch schnellerschlug. „Doch!", rief sie so laut, dass der Schwarm Enten erschrocken das Weite suchte und das Ehepaar sie böse anstarrte.
„Doch, das will ich", murmelte die Schwarzhaarige ein wenig leiser. „Aber ich will auch das Unternehmen meiner Eltern weiterführen. Ich weiß, dass du das nicht verstehst. Und das musst du auch nicht, Benny. Aber die Firma ist ein Teil von mir geworden und das respektierst du nicht. Du reduzierst mich so oft auf mein Geld, dass dir gar nicht in den Sinn kommt, wie sehr du mich damit verletzt. Ich würde all das Geld meiner Eltern mit dir teilen, aber ich habe begriffen, dass du das nicht möchtest. Aber es verletzt mich, dass du mich für jemandem hältst, dem das wichtig wäre. Ich bin mit dir zusammen, weil ich dich liebe! Und du musst nichts dafür tun, weder Horseland umbauen noch sonst etwas, damit ich dich als...würdig erachte. Ich kann es nicht glauben, dass ich dir das sagen muss!"
„Celia, du-", begann Benny und atmete tief durch, „du hast keinen Schimmer, wie es ist, wenn man weiß, dass die eigene Freundin so viel Besseres verdient hätte. Ich kann dir rein gar nichts bieten und das mach mich verrückt, da du in deinem Unternehmen eine Menge Männer hast, mit denen du über das reden kannst, was du tust. Mit mir hast du Pferde, aber mit den Kerlen im Unternehmen kannst du dich auf einer Ebene über das unterhalten, was du arbeitest. Ich besitze nicht das Verständnis dafür und deswegen kann ich dir niemals das bieten, was du verdient hättest."
„Du musst mir überhaupt nichts bieten!", rief Celia, Tränen schossen ihr in die Augen. „Ich will dich! Es ist mir scheißegal, ob du Geld hast oder nicht. Benny, du bist der einzige Mann in meinem Leben, der mich jemals als das gesehen hat, was ich bin. Du hast Celia gesehen, nicht die reiche Tochter von Carolina Campbell. Ich kann mit dir einfach ich selbst sein, ich muss mich bei dir nicht verstellen und wenn du nur wüsstest, wie furchtbar diese Kerle sind, die du für eine gute Partie hältst! Sie sind oberflächlich, arrogant und sehen mich an wie ein Stück Fleisch. Und selbst wenn welche dabei sind, die sich für mich interessieren würden, keiner käme nur annähernd an das heran, was ich für dich fühle! Du bist ein Vollidiot, dass du denkst, du müsstest für meine Liebe irgendetwas tun! Dein Ego verträgt es einfach nur nicht. Aber mach mich nie wieder für deine Selbstzweifel verantwortlich, ich habe dir nie einen Grund gegeben, an uns zu zweifeln. Das warst du ganz allein."
Sie sah, wie Benny schwer schluckte. „Ich schätze, das zu hören hatte ich verdient."

Eine Weile schwiegen sie sich an, dann hielt Celia die Stille nicht mehr aus und begann zu sprechen. Ihre Stimme klang nicht ansatzweise so fest, wie sie gern gehabt hätte, aber Benny brachte ihren Gefühlshaushalt sowieso gehörig durcheinander. Was erwartete er? Dass sie ihm in die Arme fiel und alles vergessen war?
„Ich möchte Horseland", sagte die Schwarzhaarige schließlich. „Aber ich möchte, dass du verstehst, dass ich nicht dein gesamter Lebensinhalt sein kann. Ich habe einen anderen Traum und stehe vor einer Weggabelung. Ich weiß nicht, welche Richtung ich haben will und würde am liebsten beide Wege gehen. Aber das ist gerade sowas von unmöglich, weil..."
„Weil du an mir zweifelst und das Risiko nicht eingehen willst, dich falsch zu entscheiden", endete Benny den Satz so brutal, dass Celia zusammenzuckte. Seine Stimme klang nicht eine Spur wütend, eher so, als würde er mit sich kämpfen. „Völlig egal, was du tust", redete er tonlos weiter. „Ich unterstütze dich. Ich weiß, dass du mir nicht glauben willst und ich dein Vertrauen in mich gänzlich zerstört habe, aber... ich will, dass wir für uns kämpfen, Baby. Will und Sarah werden die Ranch mit unterstützen und du... egal, welchen Weg du gehst, ich werde dir beistehen. Das heißt, wenn du das überhaupt noch willst."

Celia stand da wie vom Blitz getroffen und starrte Benny an. Unbeabsichtigt hatte er ihr gerade das Ultimatum gestellt, für das sie sich nicht bereitfühlte. Sie wollte ihn nicht verlieren, aber gleichzeitig fürchtete sie, es könnte wieder und wieder gleich mit ihnen enden. Dass sie einfach immer wieder so brutal stritten, weil sie sich gegenseitig nicht verstanden, dass ihre Liebe eines Tages derart zerrüttet wäre, dass nichts mehr zu retten war. Sie würden daran kaputt gehen, wenn sie weiterhin ihre Beziehung so weiterführten. Geheimnisse und Verrat waren keine guten Grundpfeiler und dennoch wollte sie ihnen eine zweite Chance geben. Sie verdienten das, nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten. Aber es so einfach zu vergessen und weiterzumachen, als wäre nichts passiert, kam ihr falsch und gewagt vor. Es waren eine Menge Dinge noch nicht geklärt.

„Ich denke", wisperte Celia irgendwann, „dass wir es uns schuldig sind, es besser zu machen. Unsere Beziehung war immer lebhaft und streiten können wir verdammt gut, aber die schönen Momente sind zu schade, um alles in den Wind zu schießen. Ich liebe dich." Ihre Lippen zitterten. „Und ich habe trotz allem nicht aufgehört, Liebe für dich zu empfinden."
Benny trat einen Schritt auf sie zu. Seine Augen glühten vor Zuneigung. „Ich war ein absoluter Arsch zu dir. Michelle bedeutet mir rein gar nichts. Ich leugne nicht, dass sie mich angeflirtet hat und ich habe nicht immer eindeutig genug Nein gesagt. Aber nicht, weil ich dich hintergehen wollte, sondern weil sie mir schlicht egal ist, Celia. Die einzige Frau, die mir wichtig ist, steht vor mir."

Die Angesprochene biss sich auf die Lippen. „Ich kann nicht so tun, als wäre alles direkt vergessen, Benny. Dafür ist zu viel Vertrauen kaputtgegangen, bei dir und bei mir."
„Dann geben wir uns Zeit", schlug Benny vor. „Ich verlange nicht, dass alles beim Alten ist, wir müssen uns weder küssen, noch Sex haben oder sonst etwas. Ich will dich einfach nur in meiner Nähe und alles andere... kommt zurück, wenn es soll."
Celia nickte langsam. „Ich denke, damit könnten wir es versuchen. Aber wenn es nicht funktioniert, Benny-"
„Das wird es", sagte ihr Gegenüber, klang jedoch ebenso zerrissen wie sie. „Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn es nicht funktioniert."
Er streckte die Hand aus und die Schwarzhaarige wich nicht zurück, als sie seine Finger an ihrer Wange spürte. Die Berührung war so sanft, wie sie es Benny schon lange nicht mehr zugetraut hätte. Vorsichtig zeichneten seine Finger ihre Gesichtszüge nach und spielten mit ihren Haarsträhnen.
„Verdammt, ich bin ein Idiot", gab er von sich. „Gerade sind wir auf dem Weg uns zu versöhnen und ich denke nur daran, wie unfassbar schön du bist. Und wie sehr ich dich liebe."

Ein kleines Lächeln legte sich auf Celias Gesicht, sie ergriff seine Hand an ihrer Wange und drückte ihre Lippen in seine Handfläche. Plötzlich bemerkte sie, wie nah sie und Benny sich waren. Näher als bei jedem Sex der vergangenen Wochen. Sie hatte das Gefühl, ihn das erste Mal seit langem wieder richtig zu sehen. Der Mann vor ihr, das war der Benny, in den sie sich so leidenschaftlich und bedingungslos verliebt hatte.
Jetzt mussten sie nur noch dafür sorgen, dass ihre Beziehung etwas war, für das sich das Kämpfen lohnte.

Jokers little MoonlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt