17 - An deiner Seite

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Blau war eine komische Farbe.
Das war der erste Gedanke, der Celia beim Aufwachen durch den Kopf schoss. Ihre Augen fühlten sich schwer an, als sie diese öffnete und vor Erschöpfung wäre sie beinahe wieder eingeschlafen. Stattdessen blickte sie auf ihre Arme und stellte fest, dass sie blaue Flecken hatte.
Überall.
Ihre Arme waren voll davon, doch seltsamerweise taten sie nicht weh. Was vielleicht auch an den Nadeln lag, die irgendwelche Flüssigkeiten in ihren Körper pumpten.

Moment. Nadeln!?
Celia starrte entgeistert auf die Decke, die über ihr lag und die ebenfalls blau war. Sie war ein lebendiges Nadelkissen! Die Wand ihr gegenüber war ebenfalls blau, wie die Blutergüsse auf ihrem Körper, von denen sich manche schon grün und lila färbten.
Was war geschehen? Zwanghaft versuchte die Schwarzhaarige, sich die letzten Stunden ihrer Erinnerungen abzurufen. In ihren Ohren dröhnte das Hupen eines LKWs, das Gefühl, rasend schnell durch die Luft zu fliegen, der Schmerz des harten Aufpralls und wie die Welt sich verdunkelt hatte. Sie schluckte hart. Sie musste einen Unfall gehabt haben. Sie war auf die Gegenfahrbahn gekommen du gegen einen LKW gerammt, der sie erwischt hatte. Ihre Müdigkeit hatte zwei Sekunden überhandgenommen und sie hatte die Kontrolle verloren. Aber wenn das so war...wie lange schlief sie schon?
Um sie herum sah alles nach Krankenhaus aus, selbst die Luft roch danach. Nach Desinfektionsmittel und diesem medizinischen Geruch, der typisch für Krankenhäuser war. Nun da sie die Nadeln in ihrem Körper gesehen hatte, fragte sie sich unweigerlich, wieso sie keine Schmerzen spürte. Sie musste bis an die Grenze mit Morphium vollgepumpt sein, denn wenn sie auf ihren Brustkorb starrte, der dick in einen Verband gehüllt war, von dem ein scharfer Geruch ausging, war sie gewiss nicht nur mit Blutergüssen davongekommen.

Plötzlich drangen Stimmen an ihr Ohr, als würde man ein Radio lauter stellen. Jemand schob sich in ihr Blickfeld.
„Celia", sagte eine tiefe Stimme, bei der ihr sofort warm wurde, auf die sie jedoch nichts erwidern konnte, da ihre Zunge schwer wie Blei war. Benny! Er war bei ihr. „Hmm?", nuschelte sie zurück und seine Umrisse wurden schärfer. „Oh Gott, du bist wach!", keuchte er. „Carolina, Colin, sie ist wach!"
Wie bitte, ihre Eltern waren hier? Hatten sie die Geschäftsreise wegen eines Unfalls wirklich unterbrochen? War es so schlimm gewesen?
„Ich hole einen Arzt", hörte die Schwarzhaarige die vertraute Stimme ihres Vaters, dann erkannte sie ein Gesicht, schräg über sich. Ihre Mutter. Sie weinte. „Oh Liebling! Du hast uns solche Angst eingejagt! Der Unfall und die OPs danach, die Ärzte sagen, dass du so viel Glück gehabt hast. Allein der Gedanke, der LKW hätte nicht mehr bremsen können... du hättest tot sein können und wir waren nicht einmal zuhause, wir sind gleich aufgebrochen, als wir davon hörten und mit dem Hubschrauber hergeflogen. Ich dachte... meine Tochter wäre nicht mehr bei mir!", schluchzte sie, Benny streckte die Hand aus und tätschelte ihren Arm. „Carolina, ich glaube nicht, dass Celia gerade versteht, was genau passiert ist." „Du hast völlig recht, aber ich dachte, ich kann nie mehr mit ihr sprechen! Als Mutter auch nur daran zu denken", stimmte Celias Mutter zu und ergriff die Hand ihrer Tochter. „Hast du Schmerzen? Die Schwellung im Gehirn ist weit genug zurückgegangen, aber du bist bestimmt müde. Die Ärzte haben nach und nach die Medikamente gesenkt. Kannst du sprechen?"
Celia öffnete schwerfällig den Mund und bekam gerade mal ein Krächzen hin. Ihre Stimme schien sich verabschiedet zu haben.

„Warte, warte. Keine Panik", murmelte Benny und ergriff ihre Hand, die gezuckt hatte. Celia hatte versucht, sich an den Hals zu greifen, aber ihre Muskeln gehorchten nicht. Sie war schwach, fühlte sich wie geschlagen, krank und müde.
„Du hattest einen schlimmen Unfall", erzählte Benny das Offensichtliche und drückte ihre Finger. „Der LKW hat dich auf die Seite gegen die Leitplanke geschlagen und du bist über die Fahrbahn geschleudert worden. Eigentlich ist es ein Wunder, dass du das überlebt hast." Er stockte und Celias Vater kam ins Sichtfeld, um sich auf Celias Bett zu setzen. „Guten Morgen, mein Liebling", flüsterte er, auch in seinen Augen schimmerten Tränen.
„Jedenfalls", ergriff Benny erneut das Wort, „hat der LKW-Fahrer direkt den Notarzt gerufen, du wurdest mit dem Hubschrauber hergeflogen und sie haben dein Kennzeichen zurückverfolgt und in deinem Geldbeutel war eine Notdienstkarte mit meiner Telefonnummer. Das war verflucht schlau von dir, sonst hätte es länger gedauert, bis sie uns gefunden hätten. Als ich herkam warst du im Operationssaal. Fast sieben Stunden."

Celia riss die Augen auf, konnte aber noch immer nichts bewegen. Ihre Muskeln waren so schwer, als würden Gewichte daran hängen. Ihre Mutter streichelte ihre Stirn. „Wir hatten furchtbare Angst", wisperte sie. „Laut den Ärzten hattest du ein Schädel-Hirn-Trauma und wegen der Schwellungen mussten sie dich ins Koma versetzen. Du hast acht Tage geschlafen, erst gestern haben die Ärzte uns wissen lassen, dass sie versuchen würden, dich zurückzuholen. Wir dachten...womöglich wachst du nicht mehr auf. Liegst im Wachkoma. Das wäre..."
Carolina beendete ihren Satz nicht, doch ihr Blick sprach Bände. Auch Celia spürte Tränen auf ihren Wangen, ihre Mutter wirkte völlig verstört und auch Benny und ihr Vater hatten dunkle Ringe unter den Augen.
„Du wirst noch ein paar Wochen brauchen, bis du wieder fit bist", erklärte Benny, als hätte er ihre unausgesprochene Frage verstanden. „Erstmal musst du hierbleiben und sie werden dich untersuchen, dann muss dein gebrochenes Bein heilen und deine Rippen sind... wie Apfelmus. Ansonsten hast du eine Menge Prellungen und Schürfwunden, wenn man die Kopfverletzung außen vorlässt, was die Schlimme der Verletzungen angeht... ich hatte schrecklich Angst um dich. Und laut der Polizei hattest du noch unfassbares Glück, dass nicht noch jemand in dich reingefahren ist."

Celia starrte ihre Familie groß an, die Worte drangen wie in Watte gepackt an ihre Ohren. Sie war zu benebelt, doch den Grundsatz hatte sie kapiert. Bein kaputt, Gehirn ordentlich zermatscht, Muskeln hart wie ein Amboss, Rippen wie Apfelmus...sonst noch etwas kaputt?

Irgendwo ertönte ein nicht definierbares Geräusch und die vertrauten Gesichter wurden durch ein fremdes ersetzt.
„Guten Morgen. Meine Patientin ist also wach", sagte eine tiefe Stimme. „Sie sind früh wachgeworden, vor morgen Mittag habe ich nicht mit Ihnen gerechnet. Nur nicht so hastig, meine Liebe. Es wird noch ein paar Stunden dauern, bis sie wieder ganz bei uns sind, vielleicht auch wenige Tage. Das wird schon wieder. Die Stimme kommt auch bald zurück, der Hals ist gereizt von dem Schlauch und auch die Katheter in der Blase werden wir erst in einigen Tagen entfernen. Die Muskeln sind nach acht Tagen im Bett zwar zurückgegangen, aber laufen können Sie, meine Liebe. Nur müssen Sie die nächsten Wochen etwas langsamer angehen. Sie hatten eintausend Schutzengel, das sag ich Ihnen."
„Bekommt sie noch mehr Schmerzmittel?", fragte Benny von irgendwo und der Arzt, Celia dachte zumindest, es wäre ein Arzt, da kein Fremder sonst unerlaubt an ihr Bett könnte, ohne dass Benny ausflippen würde. Der Mann nickte schwach. „Ein wenig noch, die Verletzungen sind zu stark, als dass wir es drosseln können. Sie wird gleich wieder schlafen, diesmal aber als Nachwirkungen des Komas. Vielleicht möchten Sie solange nach Hause gehen und etwas schlafen?"

Benny und gehen? Celia wollte sich empört aufrichten, aber wieder einmal wollte ihr Körper nicht mitspielen, er zuckte nur leicht und der Arzt lächelte. „Schon gut, meine Liebe. Wir lassen sie keine Sekunde aus den Augen. Sie haben einen schweren Unfall gehabt und müssen sich erholen."
„Ich gehe nirgendwohin, Liebste", verkündete Benny, der aus heiterem Himmel neben ihr stand und ihre Hand drückte. „Ich bin an deiner Seite", versprach er ihr leise, Celia beruhigte sich ein wenig. Schon während der Arzt ihren Puls und Herzschlag abhörte, wurde sie wieder schläfriger, bis der Schlaf sie mit sich riss.
~~~~*
Während der nächsten Tage ging es Celia besser. Sie spürte, dass ihr Geist immer mehr aus dem Koma erwachte und bereits nach etwas mehr als einem Tag, konnte sie wieder sprechen. Gerade hockte sie aufrecht im Bett und löffelte eine Art Brei in sich hinein, da ihr Kiefer noch schmerzte von dem Schlauch, den sie im Hals gehabt hatte. Glücklicherweise sagten die Ärzte, dass man sie in ein paar Tagen von den Schläuchen nehmen könnte. Was ihre Muskeln anging, so würde es dauern, bis sie wieder wie früher war, aber Benny erzählte Celia, dass ihre Eltern Tex bereits wieder nach Horseland gebracht hatten, wo Will, Sarah und er ihn abwechselnd bewegten. Für den Unterricht nutzen sie ihn nicht, das hatte Benny erst mit ihr besprechen wollen.

Jokers little MoonlightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt