Ace
Freya hasste meine Freundin.
Sie sagte es mir zwar nicht explizit ins Gesicht, aber ich konnte zwischen den Zeilen lesen und meine Schwester war ohnehin ein offenes Buch für mich.
„Wieso denn nicht?"
„Weil ich sie nicht kennen lernen will", wiederholte sie genervt zum fünften Mal.
„Aber warum?"
„Weil ich sie nicht mag." Gut, jetzt hatte sie es mir explizit ins Gesicht gesagt. Ich verdrehte die Augen.
„Das weißt du doch gar nicht."
„Und ob ich das weiß."
„Aber du kennst sie nicht."
„Das ist kein Unglück, Ace."
Sie gab die Zahlenkombination an ihrem Schließfach ein und zog die Schranktüre auf, um ihr Chemiebuch zu verstauen, als ein zusammengefalteter Zettel aus dem offenen Spind zu ihren Füßen segelte. Ich bückte mich und hob ihn auf. Freya griff danach, aber ich zog ihn rasch weg.
„Wenn du meine Chatnachrichten lesen darfst, darf ich deine Liebesbriefe lesen."
Kopfschüttelnd stellte sie ihr Buch ins Schließfach und zog das Literaturbuch heraus. „Das ist bestimmt kein Liebesbrief."
Ich faltete das Blatt auseinander. „Freya. Willst du mit mir zum Abschlussball gehen? -Mike", las ich vor und sah sie vielsagend an.
„Okay, mea culpa." Sie verdrehte die Augen. „Aber wer ist Mike?"
Ich dachte nach, aber mir fiel niemand ein. „Da steht eine Telefonnummer drauf."
„Mike", murmelte Freya und schlug die Spindtüre zu. „Mike... Nein, da klingelt echt nichts bei mir."
Ich faltete den Zettel wieder zusammen und gab ihn ihr. Zu meiner Überraschung steckte sie ihn vorne in ihr Literaturbuch. „Du willst doch auf den Abschlussball gehen?"
„Nein, ekelhaft. Wer behauptet denn sowas?"
„Warum hebst du die Nummer dann auf?"
Sie kniff die Augen zusammen. „Warum stellst du heute so viele Fragen?"
„Warum gehst du all meinen Fragen aus dem Weg?"
„Machst du dich über mich lustig?"
„Tu ich das nicht immer?"
Wir hörten mit dem Fragenspiel erst auf, als wir uns im Klassenraum auf unsere Plätze setzten. Ms Mercer war noch nicht da und ich warf noch einen raschen Blick auf mein Handy, um Noa auf ihre letzte Nachricht zu antworten und schrieb: Ich warte nach der Schule auf dich, dann machen wir was zusammen.
Sie hatte zwar eine Stunde nach mir aus, aber das machte nichts.
Ms Mercer betrat den Klassenraum und ich schob mein Handy schnell in meine Tasche, damit sie es mir nicht wieder abnahm. „Hallo, hallo, alle zusammen!", rief sie gut gelaunt. „Holt bitte gleich eure Buchbesprechungen raus, damit ich sie absammeln kann."
Ich packte Freya erschrocken am Arm. „Der Aufsatz!", zischte ich, aber sie sah mich nur ausdruckslos an.
„Hast du ihn etwa bei deinen ganzen Liebelein vergessen?", zog sie mich unschuldig auf.
„Du hättest mich ruhig dran erinnern können."
„Hätte ich. Und du hättest mich die letzten zwei Wochen nicht wie Luft behandeln können. Aber man kriegt nicht immer, was man will."
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Cold Blood (Band 5)
Fantasy"Ekelhaft." *** Seit sie alt genug war, zu verstehen, was mit ihrer Mutter geschehen ist, vergeht kein Tag, an dem Freya nicht daran denkt, den Mörder ihrer Mutter ausfindig zu machen und für seine Taten büßen zu lassen. Obwohl seine Schwester eine...