Ace
Weil ich Angst hatte, demnächst wieder ohne Freundin dazustehen, wenn ich nicht bald etwas Freundhaftes tat, machte ich mich am nächsten Tag gleich nach dem Frühstück auf den Weg zu Noa. Seit Freya verschwunden war, war ich kein sonderlich aufmerksamer Freund gewesen, was vielleicht okay und verständlich gewesen wäre, wenn Noa Bescheid gewusst hätte. Aber das tat sie nicht.
Auf dem Weg zu ihr, hielt ich an ihrem Lieblingscafé und holte ihr einen großen Karamell Frappuccino mit braunem Zucker und extra Karamellsauce. Ein kleines Trostpflaster dafür, dass ich zwar Kondome gekauft, aber die Packung noch nicht einmal geöffnet hatte.
Das Auto ihre Eltern stand nicht in der Einfahrt, aber ich kannte den Zahlencode für das Tor am Gartenzaun und die Haustüre war immer unverschlossen, also musste ich nicht klingeln. Ich hatte Noa nicht gesagt, dass ich sie besuchen wollte und als ich das Vorzimmer betrat, fragte ich mich in Anbetracht des sehr stillen Hauses, ob sie vielleicht gar nicht da war. Ich war schon ein paar Mal hier gewesen und immer war es ordentlich aufgeräumt, im Gegensatz zu meinem Zuhause, wo immer etwas rumlag, dass da nicht hingehörte. Aber hier waren alle DVDs einsortiert, es standen keine leeren Gläser irgendwo verwahrlost herum, die Kissen auf der Couch waren ordentlich drapiert und die Fenster waren alle blitzsauber.
Ich ließ meine Schuhe an der Türe stehen, weil fast die gesamte Wohnung mit Teppichboden ausgelegt war, und ging die Treppen hinauf. Jetzt konnte ich doch Geräusche aus Noas Zimmer hören.
Als ich im Türrahmen stehen blieb, sah ich, dass sie die Hälfte ihrer Bücher in Stapeln auf dem Boden verteilt hatte und in einem blauen Sommerkleid und mit geflochtenen Haaren mit einem Staubwedel in der Hand vor den dunklen, nun leeren, Holzregalen stand. Sie hatte mir den Rücken zugekehrt und bemerkte mich nicht.
„Ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir an diesem wunderschönen Samstag an den Strand fahren", sagte ich, nachdem ich sie eine Weile beobachtet hatte, wie sie mit kritischem Blick die Regale betrachtet hatte. Noa fuhr erschrocken zu mir herum. „Aber du scheinst schwer beschäftigt."
Ihr Gesicht hellte sich auf, aber es war nicht mein Anblick, der sie zum Strahlen brachte, sondern der Eiskaffee, den ich in der Hand hielt. Sie zeigte hoffnungsvoll mit dem Finger darauf. „Ist der für mich?", war ihre erste Frage.
„Kommt darauf an." Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn ich ihn dir gebe, wirfst du mich dann raus, um die Zweisamkeit mit deinem Kaffee zu genießen?"
„Hey, der Kaffee hat keine Beine, er kann allein nicht hierherlaufen, du schon", entgegnete sie unschuldig und legte den Staubwedel auf eines der Regalbretter. „Also beschwer dich nicht, wenn ich mich ein klitzekleines Bisschen mehr über die Kaffeeüberraschung freue als über dich." Sie hielt Daumen und Zeigefinger hoch, als würde sie eine Erbse halten, und wiederholte: „Nur ein klitzekleines Bisschen." Dann kam sie zu mir und nahm mir den Frappuccino aus der Hand, bevor sie sich an meine Brust schmiegte, ihren freien Arm um meine Taille legte und zufrieden den Frappuccino zu schlürfen begann.
„Von mir aus", seufzte ich und legte beide Arme um sie. „Nachdem ich weiß, wie sehr du Kaffee liebst, kann ich mich wohl glücklich schätzen, gleich den Platz dahinter zu belegen."
Sie sah auf und grinste mich breit an, bevor sie mich mit ihren zuckersüßen Kaffeelippen küsste. „Hi."
„Hi. Du siehst heute wieder umwerfend aus."
Ihr Lächeln wurde breiter und ich hauchte ihr noch einen Kuss auf die Nasenspitze, bevor ich sie losließ und sie wieder zu ihren Regalen schlenderte und ich auch ein paar Schritte in ihr Zimmer tat.
„Was machst du da eigentlich?"
„Ich hab gestern meine Bücher aussortiert. Ich hatte schon zu viele. Naja, jedenfalls zu viele, die mir nicht gefallen haben und die ich trotzdem behalten habe, aber ich will nur noch Bücher in meinem Regal haben, die ich gerne mag."
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Cold Blood (Band 5)
Fantasy"Ekelhaft." *** Seit sie alt genug war, zu verstehen, was mit ihrer Mutter geschehen ist, vergeht kein Tag, an dem Freya nicht daran denkt, den Mörder ihrer Mutter ausfindig zu machen und für seine Taten büßen zu lassen. Obwohl seine Schwester eine...