Bin ich hier oder doch nicht?
Ich beginne zu lächeln, während ich aus dem Fenster gucke und die vorbeifahrenden Autos, Tiere und Landschaften betrachte.
Die sanften Klänge des Liedes "Head Above Water" von Avril Lavigne ertönen durch meine Kopfhörer und automatisch wird mein Herz noch leichter. Seit sie mit ihrem berühmtesten Lied Sk8ter Boi in meinem Englisch Buch aufgetaucht ist. Mein damaliger Lehrer erzählte, wie sie in so jungen Jahren über Nacht zum Star wurde und Millionen Menschen begeisterte. Irgendwie hat sie mich ab da interessiert.
Ich liebe ihre Art: ihren Stil, ihre Stimme, aber vor allem ihre kraftvollen und dennoch tiefsinnigen Lieder. Schon als Zwölfjährigen faszinierte sie mich und jetzt, 8 Jahre später, tut sie es noch immer. Aber vor allem ist es das Mysterium, ob sie noch immer die gleiche Avril Lavigne ist oder ob sie von einer anderen Person ersetzt wurde weil die Richtige an einer Überdosis Drogen gestorben ist.
Mein Lächeln wird allmählich breiter als der Zug in den Hauptbahnhof einfährt. Von nun an wird diese Stadt meine neue Heimat sein. Schnell schnappe ich mir meinen Koffer und hieve ihn so gut wie es geht, aus dem Zug heraus. Der späte Nachmittag ist angebrochen und der Himmel ist mal wieder grau. Wie nicht anders zu erwarten, tummeln sich unzählige Menschen an den Gleisen Berlins, an denen ich entlang gehe. Mit meinen Koffer, den ich fast schon lustlos hinter mir herziehe und Musik in meinen Ohren, die von Conan Grey hinüber zu Lauv gewechselt ist, bestaune ich die Stadt. Welche ebenso neu wie vertraut ist.
Es bringt mich zum Lächeln, endlich bin ich wieder hier, ebenso glücklich wie erschöpft.
Kaum aus dem Gebäude heraus, beginne ich unkontrolliert zu grinsen. Wie hoch wäre die Chance, meinen Koffer nie wieder zu sehen, wenn ich ihn jetzt fallen lasse und zu June stürme? Wahrscheinlich zu hoch, als dass ich es machen könnte. Doch die Freude meine beste Freundin wieder zu sehen, ist viel zu groß. Ebenso breit grinsend wie ich, steht sie neben ihrem Freund und scheint offensichtlich auf mich zu warten. Ihre Haare, die vor einem Jahr, als ich sie am Flughafen verabschiedet habe, lang und pink waren sind mittlerweile ein ganzes Stück kürzer. Das Pink beziehungsweise Blond ist fast vollständig rausgewachsen, was mich wieder einmal realisieren lässt, wie lang doch ein Jahr sein kann. „Jungkook!" „June!" Rufen wir voller Freude und fallen uns im nächsten Moment auch schon in die Arme. „Endlich bist du wieder da." Höre ich sie sagen, doch ich drücke sie nur ganz fest an mich. Es gab einmal eine Zeit, in der wir uns jeden Tag sahen um spazieren zu gehen oder Fahrrad zu fahren. Und nun hört es sich schon fast unwahr an, das wir uns ein ganzes Jahr nicht sahen.
„Du musst mir alles über Südkorea erzählen." sagt sie und ich beginne zu lächeln. „Es war der Wahnsinn. Einfach alles, das Land, die Kultur, das Essen, die Menschen" Ich halte inne. Am liebsten will ich ihr direkt alles erzählen doch wir haben alle Zeit der Welt. Von nun an können wir uns von Angesicht zu Angesicht unterhalten und nicht nur über Videoanrufe. ,,Es ist einfach nur atemberaubend, bei Gelegenheit muss ich dir unbedingt noch mehr Fotos zeigen." „Wollen wir langsam los?" Wir lösen uns voneinander und ich begrüße Johnny ebenfalls. June und er sind seit gut einem Jahr zusammen und doch haben wir es leider nicht mehr vor meiner Abreise geschafft, uns kennenzulernen, lediglich durch Videoanrufe und einige Telefonate kenne ich ihn, doch ansonsten hat June es weitestgehend verschwiegen, wie es in ihrer Beziehung läuft.
Ein Jahr weg gewesen zu sein fühlt sich schon fast irreal an und doch ist es schön zu wissen, dass sich kaum etwas verändert hat. Es ist komisch, manchmal verändert sich innerhalb von Sekunden das halbe Leben und dann wiederum auch nichts. Ich hatte nicht wirklich erwartet das es zwischen mir und June anders sein würde doch es ist schön das sich dies auch bewahrheitet hat. Träumerisch schaue ich das Pärchen an, Händchen haltend gehen sie vor mir, während ich meinen Koffer hinter mir herziehe. Was ein Jahr doch alles verändern kann. Wie viele Jahre sprach June über die Liebe und nun hat sie sie in Johnny gefunden. Ein merkwürdiges Paar doch eben jenes über welches ich seit der 1. Sekunde schwärme. Ich beginne zu lächeln und tue mich schwer es zu verbergen. Wie schön die Liebe doch sein kann. Und wie grausam sie im selben Moment ist.
,,Danke nochmal, dass ihr das für mich mit der Wohnung alles geregelt habt." ,,Ist doch selbstverständlich." Ich schaue nur zweifelnd zu ihr, doch ihr Blick verrät Bände, weswegen ich nichts weiter dazu sage und einfach nur glücklich bezüglich der Situation bin.
,,Sind deine Eltern jetzt endgültig zu deiner Tante nach NRW gezogen?" fragt June und ich nicke. ,,Ja, aber sie haben das Haus nicht verkauft. Sie wollen es vermieten." ,,Und wer kümmert sich darum?" ,,Meine andere Tante." antworte ich und sie nickt. ,,Willst du noch mit zu uns oder sollen wir dich zu deiner Wohnung fahren?", fragt Johnny plötzlich. Lächelnd entgegne ich: ,,Ich bin ehrlich gesagt geschafft. Es wäre echt lieb, wenn ihr mich zu meiner Wohnung bringt." ,,Kein Problem."
,,Meine Wohnung" kannte ich bis jetzt nur von Bildern, die mir June, Johnny oder Maraike, eine weitere Freundin von uns, geschickt haben, doch sie jetzt live zu sehen ist um einiges überwältigender als ich es mir je hätte erträumen können. Um genau zu sein, ist es so überwältigend, dass ich mich nicht traue, den Blick zu heben, um dessen ,,Schönheit" auch wirklich sehen zu können. Alles ist so neu, selbst der leichte Geruch der Wandfarbe hängt noch in der Luft. Dann hebe ich schließlich den Blick. ,,Ohh mein Gott.", hauche ich sprachlos während ich in den Flur gehe, welcher an sich zwar mit einfacher grauer Farbe gestrichen ist, jedoch durch die weißen Möbel viel eleganter wirkt als ich es mir je hätte vorstellen können. Den Griff um meinen Koffer löse ich und gehe wie ein kleines Kind durch die ganzen Räume, die ich zum ersten Mal (in echt) sehe.
Der lange Flur reicht bis ans Wohnzimmer, wo ich überraschenderweise sogar meine alte abgeranzte Couch und meinen kleinen, bemalten Ikea Tisch wiederfinde. Sogar mein Fernseher, dessen Fernbedienung schon lange nicht mehr funktioniert, ist hier. ,,Es jetzt hier zu sehen ist irgendwie komisch." ,,Jeder Anfang ist komisch." sagt Johnny lachend, während er freundschaftlich einen Arm um mich legt. ,,Und außerdem kannst du die Möbel immer austauschen, wenn du willst. Schreib uns und wir helfen dir." ,,Danke aber erstmal muss ich etwas sparen, was glaubst du wieso ich diese Möbel da habe. Aber sobald ich dann mal wieder Geld habe, wird definitiv etwas neues gekauft." Eine Weile betrachten wir zu dritt meine wenigen Möbel, eh ich abrupt inne halte und zu ihnen gucke. ,,Wie habt ihr meine Möbel überhaupt hier her bekommen?" ,,Mein Vater hat seinen Firmentransporter zur Verfügung gestellt." Anerkennend nicke ich. Doch so schön es auch wäre noch mit den beiden und vor allem mit June zu quatschen, so müde bin ich auch.
Ich bin schon den zweiten Tag in Deutschland und doch spüre ich den Jetlag noch immer ganz deutlich. Ich hätte auch ganz einfach mit dem Flugzeug die Strecke nach Berlin fliegen können. Aber ich habe mir schon vor meinem ersten Flug geschworen nie Inlandsflüge zu machen, zumal man, wenn man rechtzeitig bucht, sowieso billiger mit der Bahn kommt. Man darf nur die Dauer nicht unterschätzen, in der Hinsicht wäre ein Flug echt schöner gewesen anstatt 14 Stunden im Flieger und dann nochmal 5 Stunden in der Bahn zu sitzen.
Kaum sind die beiden weg, kehrt Stille in meine Wohnung ein, was mich mehr als nur stört. So schnell es geht hole ich aus meinem kleinen Koffer meine Musikbox heraus, verbinde sie mit meinem Handy und lasse darüber All Time Low spielen. Summend gehe ich in die Küche, wo die kleinen Kartons stehen, die ich aus Südkorea hierher geschickt habe. Ohne viele Worte hole ich mir ein Messer, um die Kartons zu öffnen, auf denen mit roter Koreanischer Schrift zerbrechlich drauf steht.
Sorgfältig räume ich alles in die neu gekaufte Küche ein eh ich mir Ramyeon Nudeln mache und mich am Nachmittag auf die Couch fallen lasse, ein knarren geht durch das alte Möbelstück welches ich gekonnt ignoriere, stattdessen widme ich mich dem Bilderbuch welches mir meine Freunde aus Seoul kurz vor meinen Aufbruch schenkten.
Traurig lächle ich, während ich durch die Seiten blättere und das ganze letzte Jahr noch einmal Revue passieren lasse. Ich vermisse jeden einzelnen schon jetzt und auch wenn ich die Möglichkeit hatte, noch länger zu bleiben, so ist es das Richtige gewesen, wieder hierher gekommen zu sein. Ich hoffe es zumindest.
Irgendwann erreicht die Müdigkeit ihren Höhepunkt und ich erhebe mich, um die erste Nacht in meinem neuen Bett zu verbringen. Es ist komisch, als ich mich um die eigene Achse drehe und alles betrachte. Ich bin hier, bin tatsächlich wieder in Deutschland und weiß dennoch nicht, ob es wirklich das ist, nach was sich mein Herz sehnt.
War es Deutschland, waren es meine Freunde oder meine Familie oder war es eine spezielle Person, nach der mein Herz schrie?
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Best of me (Yoonkook|Sugakookie)
FanficIf a writer falls in Love with you, you can never die. Ich bin einst einem van Gogh begegnet - ein Mensch der sich der Kunst verschrieb und die Freiheit über alles stellte. Ganz im Gegensatz zum jungen Mozart, dessen goldener Käfig ihm genug war, un...