„Gibt es noch Menschen?"
„Ja, es gibt noch Menschen. Nicht mehr viele, aber die, die noch leben, leben mit uns hauptsächlich im Frieden. Nach dem Krieg haben wir ihnen ihr eigenes Land gegeben und geholfen, ein paar Städte und sich eine Existenz aufzubauen. Solange sie uns nichts tun, tun auch wir ihnen nichts", erklärte er mit einer ruhigen, sachlichen Stimme, die durch den Raum hallte.
Ich spürte, wie sich die Spannung in meinem Körper löste, als ich die Luft, die ich unbewusst angehalten hatte, erleichtert ausatmete. Meine Schultern sanken herab, und eine Welle der Erleichterung durchströmte mich. Es gab also noch Menschen da draußen. Sie hatten nicht komplett alle umgebracht. In mir machte sich eine Hoffnung breit. Vielleicht konnte ich ja zu ihnen und unter meinen Artgenossen leben? Wie lange ich keinen Menschen mehr gesehen hatte.
„Was meinst du mit ‚hauptsächlich im Frieden'?" fragte ich verwirrt, als seine Worte in meinem Kopf nachhallten und ihre Bedeutung sich langsam entfaltete.
Er hob eine Augenbraue und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. „Prinzessin, nicht so schnell. Ich bin erst einmal mit meiner Frage dran," bremste er mich aus, seine Stimme war weich, aber bestimmend. Er benutzte meinen Spitznamen, obwohl er jetzt meinen richtigen Namen kannte. „Warum bist du allein hier draußen?"
Ich zögerte, einen Moment lang kämpfte ich mit mir selbst, was ich ihm erzählen sollte. „Wegen des Krieges," antwortete ich schließlich knapp. „Jetzt beantworte meine Frage von davor."
Er verdrehte die Augen, offensichtlich unzufrieden mit meiner kurzen Antwort, aber er sagte nichts dazu. Es war nie ausgemacht, wie ausführlich unsere Antworten sein mussten und ich hatte wenig Lust, ihm meine ganze Geschichte zu erzählen. Es ging ihn nichts an.
„Die Menschen müssen auf ihrem Land bleiben, bis auf ein paar Ausnahmen. Wenn sie sich nicht an die Regeln halten und ihr Land verlassen, dann dürfen sie getötet werden. Das bedeutet, dass jeder Mensch, auch du, ohne weiteres umgebracht werden darf. Viele meiner Art sind auf Rache aus und haben einen tiefen Hass gegenüber den Menschen. Sie würden alles geben, um ihre Wut zu stillen und Vergeltung zu üben."
Mein Kopf brauchte ein paar Sekunden um das neue Wissen zu speichern und es bildeten sich nur mehr und mehr Fragen in meinem Kopf als zuvor. Als konnte er mich hier draußen einfach umbringen? Ich brauchte endlich viel mehr Informationen!
„Wie bist du hier draußen gelandet? Bitte antworte mir ausführlich, sonst gebe ich dir auch nur noch kurze Antworten", drohte er mir mit einem flehenden Blick und es wirkte, als wenn er wirklich wissen wollte, was mit mir geschehen war. Deshalb nickte ich.
„Meine Eltern wurden in der Nacht als der Krieg begann umgebracht", begann ich mit zitternder Stimme, „und mein Bruder und ich haben uns für viele Monate in unserem Keller versteckt. Wir lebten in ständiger Angst, jeden Tag darauf vorbereitet, entdeckt und getötet zu werden. Als die Luft endlich frei war und wir keine Gefahr mehr spürten, sind wir in den Wald gerannt. Wir haben uns diesen Ort ausgesucht, weil wir dachten, hier wären wir sicher."
Während ich sprach, spürte ich, wie meine Augen sich mit Tränen füllten, aber ich versuchte, stark zu bleiben. Die Erinnerungen an die Zeit im Keller, die Dunkelheit, die Kälte, meinen Bruder und die Angst schienen mich zu erdrücken. Doch ich kämpfte gegen die Tränen an und hielt meinen Blick fest auf ihm.
„Das tut mir leid, Prinzessin", meinte er aufrichtig und ich konnte Trauer in seinem Blick erkennen. Doch das machte mich nur wütend. Er konnte nicht verstehen, was ich durchgemacht hatte!
„Deinesgleichen hat meine Familie umgebracht! Du bist ein Monster, genauso wie die Mörder, die mir alles genommen haben. Dir kann das nicht leid tun", fauchte ich ihn an, meine Stimme vor Zorn bebend. Ich sah plötzlich nur noch rot, meine Sicht verschwamm vor aufgestauter Wut und Schmerz. Wie konnte er es wagen, Mitleid zu zeigen, wenn er auch daran schuld war?.
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Herzen in Fesseln: Mein Gefangener, mein Mate
WerewolfIch habe einen Werwolf entführt und gefangen. Wie es dazu gekommen ist? Das ist eine lange Geschichte. In kurz: Ich wurde in einer Welt geboren, die nichts von der Existenz übernatürlicher Wesen wusste. Doch das änderte sich, als sie uns den Krieg...